Weinland Rheinhessen
zusammengestellt von Dominik Ziller



Protokoll: Wolfgang Schön



Probiert wurde:

1. Westhofener Riesling 2009, Wittmann
2. Aulerde Großes Gewächs 2009, Wittmann
3. Aulerde Großes Gewächs 2007, Wittmann
4. Morstein Großes Gewächs 2009, Wittmann
5. Brunnenhäuschen Großes Gewächs 2009, Wittmann
6. Kirchspiel Großes Gewächs 2009, Wittmann
7. Kirchspiel Großes Gewächs 2009, Keller
8. Kirchspiel Großes Gewächs 2005, Keller
9. Kirchspiel Großes Gewächs 2004, Keller
10. Riesling RR 2004, Leon Beyer, Elsass
11. Hubacker Großes Gewächs 2005, Keller
12. Kirchenstück Großes Gewächs 2009, Battenfeld-Spanier
13. Frauenberg Großes Gewächs 2009, Battenfeld-Spanier
14. Ölberg 2009 Großes Gewächs, Kühling-Gillot
15. Ölberg 2007 Großes Gewächs, Kühling-Gillot
16. Pettenthal Großes Gewächs 2009, Kühling-Gillot
17. Pettenthal Großes Gewächs 2007, Kühling-Gillot
18. Rothenberg Großes Gewächs 2007, Kühling-Gillot



Ganz großes Kino
Die Kölner Seilschaft verkostet Topweine aus Rheinhessen



"Der schlafende Riese ist erwacht." So beginnt Gerhard Eichelmann in seinem aktuellen Weinführer das Kapitel über Rheinhessen. Dort habe sich "in den letzten Jahren ein dramatischer Wandel hin zu mehr Qualität vollzogen".
Der Gault Millau Weinguide sieht es ähnlich.
Und auch bei den Mitgliedern der Kölner Seilschaft, die jedes Jahr an vielen Verkostungen teilnehmen, gibt es immer mehr Fans der rheinhessischen Winzer.

Dazu zählt auch Dominik, der es sich dankenswerterweise zur Aufgabe machte, den wenigen Zweiflern am Aufschwung in Rheinhessen die Augen (und Gaumen) zu öffnen.
Spitzenweine von vier der fünf Topgüter standen Ende Mai auf der Verkostungsliste: von Keller, Wittmann, Kühling-Gillot und Battenfeld-Spanier. Lediglich Wagner-Stempel war ausgeklammert; mit Daniel Wagners Weinen wäre der Umfang der Probe dann doch zu gewaltig geworden.
Mit zwei Ausnahmen waren alles Große Gewächse, die in Flights und generell blind verkostet wurden. Und es waren alles ­ mehr oder weniger trockene ­ Rieslinge.

1. Westhofener Riesling 2009, Wittmann
Leicht hefige Nase, wirkt noch recht jung. Sehr schöne Balance zwischen Frucht und Mineralität. Harmonisch, elegant, macht nicht satt. Guter Abgang. Wurde von manchen als Großes Gewächs eingestuft.
Recht einheitliche 85-87 Punkte von der Gruppe, von mir 86.

2. Aulerde Großes Gewächs 2009, Wittmann
Für einen 09er erstaunliche Reifetöne in der Nase, im Mund dann opulent mit kräftiger Säure.
Braucht Zeit im Glas, dann kommt neben Zitronen- und Grapefruitnoten auch eine deutliche Fruchtsüße hinzu. Viel Druck, langer, aber am Ende auch leicht bitterer Abgang.
Mit einer Ausnahme einheitlich 88-89 Punkte, von mir 88.

3. Aulerde Großes Gewächs 2007, Wittmann
Leicht kräuterige, rauchige Nase. Sam würde "tabakig" sagen, was wir hier ausnahmsweise mal nachvollziehen konnten. Kühle Mineralik ist verwoben mit nussig-karamelligen Noten und Kräutertönen.
Recht komplexer Wein, der durch seine kühle Stilistik gefällt und ebenfalls mit Luft deutlich zulegt. Sehr langer Abgang. Schöne Überraschung.
87-91 Punkte, von mir 90.

4. Morstein Großes Gewächs 2009, Wittmann
Ein Wein, der wie manch andere an diesem Abend natürlich viel zu früh getrunken wurde und kaum zeigte, was in ihm steckt.
Verhaltene Nase und anfangs auch im Mund sehr schlank. Mit der Zeit nimmt die Intensität zu, kommen Zitrusnoten, Karamelltöne und viel Frucht(Pfirsich!) hinzu.
Die in ihm steckende Mineralik ist derzeit erst zu erahnen. Einige Verkoster störten sich an dem etwas alkoholischen Abgang.
88-91 Punkte, von mir 91.

5. Brunnenhäuschen Großes Gewächs 2009, Wittmann
Eines der Highlights der gesamten Probe: Die zurückhaltende Nase konnte nicht erahnen lassen, welch einen mächtigen Wein wir im Glas hatten.
Grüne Früchte, Litschi füllten den Gaumen komplett aus; die enorme Intensität und Kraft verband sich mit wunderbarer Eleganz. Power ohne Ende auch im enorm langen Abgang. Einhellige Meinung: "Eine Granate".
91 bis 94 Punkte, von mir 94.

6. Kirchspiel Großes Gewächs 2009, Wittmann
Nach dem Brunnenhäuschen musste es erst einmal jeder folgende Wein schwer haben. Das Kirchspiel als letzter Wittmann-Wein des Abends machte da keine Ausnahme:
Zitronige Nase, schöne Intensität am Gaumen, Noten von Steinfrüchten und Birne. Leichte Hefetöne.
Insgesamt wirkt der Wein sehr verschlossen, lässt aber mit weiterer Luftzufuhr zumindest ahnen, was in ihm steckt: Substanz und Cremigkeit, Mineralik und viel Eleganz. Sehr guter Abgang.
Im gegenwärtigen Stadium konnten wir nur 89-91 (ich 90) Punkte vergeben. Alle waren sich aber sicher, dass der Wein gewaltiges Potenzial hat.

7. Kirchspiel Großes Gewächs 2009, Keller
Es machte natürlich Sinn, Kellers Kirchspiel gleich anschließend zu verkosten. Und dieser Wein zeigte sich im derzeitigen Zustand weitaus zugänglicher:
Viel Cremigkeit schon in der Nase, im Mund mächtig und mineralisch mit einem ganzen Korb exotischer Früchte. Barocke Struktur, gut abgepufferter und keineswegs störender Alkohol. Füllt den Gaumen komplett aus. Enorm langer Abgang.
90-93 Punkte, von mir 93.

8. Kirchspiel Großes Gewächs 2005, Keller
Sehr schön gereifter Wein mit beginnender Firne und etwas Botrytis in Mund und Nase.
Pfirsich- und Aprikosetöne sind verwoben mit Mineralität und Karamellnoten. Dichte Struktur, langer Abgang. Jetzt wunderbar zu trinken.
88-93 Punkte, von mir 92.

9. Kirchspiel Großes Gewächs 2004, Keller
Eine der wenigen leichten Enttäuschungen des Abends.
Viel Mineralik in der Nase, im Mund dann aber eher eindimensional mit wenig Frucht. Dafür aber Zündhölzer und etwas Gummi. Die Einschätzung "totes Stinktier " schien mir dann aber doch weit übertrieben.
Der Wein präsentierte sich nämlich durchaus noch jung mit präsenter Säure und brachialer Mineralität. Puristischer Stil, aber insgesamt doch unausgewogen. 86-90 Punkte, von mir 87.

10. Riesling RR 2004, Leon Beyer, Elsass
Unser Pirat aus einem der Lieblingsgüter Dominiks im Elsass.
Gereifte Nase mit etwas Gummi. Wenig und dann noch verwaschene Frucht, kräuterig, herb und leicht bitter im Abgang.
Mit Luft wird der Wein cremiger, ohne aber seine spröde Stilistik zu verlieren. Macht wenig Spaß.
86-91 Punkte, von mir 87.

11. Hubacker Großes Gewächs 2005, Keller
Karamell in der Nase. Am Gaumen hoch intensiv mit Aprikose und Pfirsich.
Die ausgeprägte Fruchtsüße macht den Wein geschmacklich fast halbtrocken und für manche etwas anstrengend.
Wirkt trotz einer feinen, bestens integrierten Säure etwas breit.
Dennoch: Ein sehr schön gereifter Wein, der jetzt auf dem Höhepunkt ist.
90-93 Punkte, von mir 92.

12. Kirchenstück Großes Gewächs 2009, Battenfeld-Spanier
In der Nase eher zurückhaltend. Im Mund dann aber : wow! Exotische Früchte mit viel Kräutern, cremige Struktur, toll eingebundene Säure.
Ein "tropischer Cocktail", wie ihn ein Verkoster empfand. Leicht bitterer Abgang, aber insgesamt sehr schön.
88-92 Punkte, von mir 91.

13. Frauenberg Großes Gewächs 2009, Battenfeld-Spanier
Ein weiterer Wein, der sich für mich sehr verschlossen präsentierte.
Cremig-karamellige Nase, ganz feine Säure, ein wenig Kräuter. Viel Druck, der auch im langen Abgang anhält.
Dennoch wirkt der Frauenberg für einige recht alkoholisch, fast schon brandig, und leicht bitter im Finale.
86 (Ausreißer) - 92 Punkte, von mir mehrheitsfähige 91.

Es folgte, sozusagen als Krönung des Abends, eine Serie von Großen Gewächsen aus dem Hause Kühling-Gillot.
Mit dem Aufsteiger der letzten Jahre konnte, zumindest in der Breite, niemand mithalten. Eine grandiose Kollektion!

14. Ölberg 2009 Großes Gewächs, Kühling-Gillot
Karamellbonbon in der Nase. Im Mund paart sich kräftige Säure mit Pfirsich und Aprikose sowie Kräuternoten.
Sehr elegant mit einer ausgeprägten Säure. Würzig, tolle Länge, aber natürlich noch viel zu jung.
90-94 Punkte, von mir 92.

15. Ölberg 2007 Großes Gewächs, Kühling-Gillot
Leichte Reifetöne in der Nase. Im Mund eine wunderbare Frucht, primär Aprikose, leichte Mineralität- und Kräuternoten, tolle Fruchtsüße.
Harmonisch und fein, sehr balanciert, enorm langer Abgang.
92-95 Punkte, von mir 93.

16. Pettenthal Großes Gewächs 2009, Kühling-Gillot
Was waren wir erstaunt, als der Wein aufgedeckt wurde! Ich habe den Pettenthal mit seiner ins Gesicht springenden Mineralität inzwischen etwa ein halbes Dutzend Mal verkostet und gedacht, ihn blind zu erkennen.
Für mich einer der größten Rieslinge des Jahrgangs.
Heute aber war es ein ganz anderer Wein.
In der Nase Gummi und Feuerstein, natürlich viel Mineralität, aber kaum Frucht. Kühle Eleganz, wirkt streng.
Völlig verschlossen und so kaum zu bewerten. Wenn ich Punkte geben müsste, dann wären es wohl 92, aber ich habe den Wein eigentlich immer bei 95 gesehen.
Auch die Runde verzichtet auf Punkte.

17. Pettenthal Großes Gewächs 2007, Kühling-Gillot
Die nächste Überraschung aus dem Hause Kühling-Gillot und für fast alle der Wein des Abends.
Erdig-mineralische Noten werden begleitet von einer wunderbaren Extraktsüße. Schiefrig-steinige Anklänge, mineralisch, dicht und komplex. Enorme Länge.
Kommentar eines Teilnehmers: "Besser geht Rheinhessen kaum."
94-97 Punkte, von mir 96.

18. Rothenberg Großes Gewächs 2007, Kühling-Gillot
Ein 07er, der nichts von der Reife anderer Weine des Jahrgangs zeigt, sondern immer noch verschlossen wirkt.
Traubig in der Nase und auch im Mund, Aprikosenoten, cremig und auch ein wenig alkoholisch.
Wirkt für einige Teilnehmer fast ein wenig eindimensional. Dennoch ist es ein Wein, der sein Potenzial andeutet und durchaus auch gefällt ­ sonst wären die Punkte ja nicht zu erklären.
Alle sind sich einig, dass wir hier einen noch unfertigen Wein im Glas haben, der sich aber zu einem Monument entwickeln könnte.
92-95 Punkte, von mir 93.

Dank nochmals an Dominik für die Vorbereitung und Durchführung der Probe, die sicherlich zu den Highlights der Kölner Seilschaft in den letzten Jahren zählte.