Große Rieslinge aus Deutschland
zusammengestellt von Ralf Kaiser + Peter Zoppe



Protokoll: Dominik Ziller



Probiert wurde :

2008er Gondorfer Gäns, WG Lubentiushof, Untermosel
2007er Kanzemer Altenberg GG, WG Orthegraven, Saar
2009er Ürziger Goldwingert, Auslese, trocken, WG C.H.Berres, Mosel
2009er Dhroner Hofberg GG, WG Grans Fassian, Mosel
2009er Kiedricher Gräfenberg GG, WG Robert Weil, Rheingau
2009er Uhlbacher Götzenberg GG, WG Schnaitmann, Württemberg
2009er Dellchen GG, WG Dönnhoff, Nahe
2009er Halenberg GG, WG Emrich Schönleber, Nahe
2006er Schloss Johannisberg, Spätlese, trocken, Rheingau
2009er Aulerde GG, WG Wittmann, Rheinhessen
2009er Pettenthal GG, WG Kühling-Gillot, Rheinhessen
2007er Pettenthal GG, WG Kühling-Gillot, Rheinhessen
1999er G , WG Keller, Rheinhessen
2002er Forster Pechstein GG, WG Bassermann-Jordan, Pfalz
2007er Forster Pechstein GG, WG Bassermann-Jordan, Pfalz
2008er Forster Pechstein GC, WG Bürklin-Wolf, Pfalz
2009er Idig GG, WG Christmann, Pfalz
2001er Kallstadter Saumagen, Auslese, trocken, R, WG Koehler-Ruprecht, Pfalz
1990er Kallstadter Saumagen, Auslese, trocken, R, WG Koehler-Ruprecht, Pfalz


Wenn einer Roman Rausch heißt, insgesamt schon sieben Kriminalromane geschrieben hat, in denen der Kommissar Kilian heißt - also den Namen des fränkischen Schutzpatrons unseres Lieblingsgetränks trägt - dann kommt er früher oder später nicht daran vorbei, ein Buch zu schreiben, das "Die Seilschaft" heißt.

Da natürlich auch ein Mord geschieht, waren wir Kölner ganz froh, dass es nicht direkt um die Kölner Seilschaft geht. Zumal in dem an sich ganz gut geschriebenen Buch die Seilschaft als ein Hort von Vetternwirtschaft, Intrigen und Korruption beschrieben wird.
Das alles sind Dinge, die der Kölner nicht einmal aus der Ferne kennt. Jedenfalls wenn er nicht gerade den Müll rausbringt, zu Trinekens, oder die Stahlträger seiner U-Bahn höchstbietend versteigert.

Zumindest gibt es sowas in der Seilschaft nicht, die als gemeinnützige Vereinigung - manche meinen auch als ungemein nichtsnütziger Verein - Kilian, Bacchus und anderen Wein- und Scheinheiligen huldigt und höchstens mal ganz gelegentlich ein Schisma produziert.

So waren die Weichen nach dem großen Schisma mit mehreren Gegenheinproben eigentlich schon auf auf Wiederverheinigung gestellt. Vom Putsch zum Punsch sozusagen. Mit korrekt gekleideten Parlamentären mit Feuerzangenbowler auf dem Kopf, die auch noch eine dicke "Fahne" vor sich hertrugen.
Gegenhein Petrus I. Zoppe hatte sich anerboten, im Revier unseres Gebietsheins Egon eine Probe großer deutsche Gewächse auf die Beine zu stellen.
Doch ach, der Hein musste mal sein Schwarzgeld in Luxemburg besuchen und kniff aus, so gab es erstmal noch keinen Heinigungsvertrag. Auch der Chronist glänzte durch Abwesenheit, so dass es diesmal im Protokoll leider nichts Neues von Kimbern und Teutonen zu lernen gibt.
Wohl aber gab es eine Probe der Extraklasse.

Kommissar Kilian hätten wir dabei gut gebrauchen können. Denn die Probe lief blind ab, und unser detektivischer Spürsinn war gefragt. Die Ermittlung des Personenstands der einzelnen Weine (Geburtsort, Geburtsdatum etc.) fiel uns erstaunlich schwer, es gab einige dicke Überraschungen.

Bei ersten Viererflight war es noch am leichtesten. Aber da hatte Petrus uns verraten, das ist alles Mosel, einmal 2007, einmal 2008 und zweimal 2009. Selbst die Weine waren wenigstens ungefähr bekannt, nur nicht die Reihenfolge. Die Jahrgänge waren leicht zu erkennen, die Weingüter letztlich auch. Diesmal noch.

Den Anfang machte der 2008er Gondorfer Gäns vom Lubentiushof an der Untermosel.
Nase etwas wachsig. Am Gaumen ein wenig verhalten, etwas säurelastig und mit ganz leichtem Bitterton im Abgang.
Insgesamt ein etwas leichterer Wein. Kommt mit Luft noch ein wenig, wird im Abgang dann aber auch etwas unrunder.
87 bis gut 89 Punkte aus der fünfzehnköpfigen Runde. Drei Ausreißer, darunter auch ich, waren allerdings der Meinung, das sei zuviel und 85 Punkte täten es auch. Ca. 13 Euro kostet der Wein übrigens.

Es folgte der 2007er Kanzemer Altenberg GG von Othegraven.
Für 2007 schon fast erstaunlich weit gereift, jetzt ziemlich voll auf dem Punkt.
Sehr schöne leicht karamellige Rieslingnase, mit der Zeit kommen auch dezente Kräutertöne hinzu. Am Gaumen richtig viel Stoff. Cremig, sehr harmonisch, saftig und weich.
Sehr schöner Schmelz, dazu auch hier ein wenig Kräuterwürze und roter Weinbergspfirsich. Klasse.
Ziemlich einheitlich 89 bis 90 Punkte aus der Runde. Von mir auch 90. Kostet um die 20 Euro.

Dann der 2009er Ürziger Goldwingert Auslese trocken von Berres.
Nase eher verhalten, wachsig, verschlossen, etwas Lavendelparfüm, das ihn für meinen Geschmack ein wenig künstlich wirken lässt.
Am Gaumen etwas floral, fast parfümiert, fast seifig, insbesondere im Abgang wieder etwas lavendelig. Außerdem leichter Bitterton und recht kurz.
85 und 86 Punkte aus der Runde, für meine Begriffe stark nach dem Motto "mr muss och jönne könne". 83 hätten es eigentlich auch getan. Etwa 14 Euro.

Den Abschluss des Flights bildete der 2009er Dhroner Hofberg GG von Grans Fassian.
Intensive, direkte Nase, Kräuter, etwas Galiamelone. So auch am Gaumen bei sehr kräftiger, knackiger Säure. Grapefruitartig.
Wird mit Luft etwas runder und glatter. Trotzdem bleibt der Eindruck - eher ein Nasenwein als ein Gaumenwein.
Etwa 24 Euro.

Der zweite Flight stellt schon eine sehr viel größere Herausforderung dar. Wir wussten nicht, welche Gebiete und welche Jahrgänge auf dem Programm standen.

Gleich der erste Wein sorgte für Überraschungen. Klarer Fall von Württemberg, das müsste das GG von Schnaitmann sein. Dachten wir. Denn der war ein wenig wachsig in der Nase, ein wenig verschlossen noch, am Gaumen noch recht kräftig, aber nicht allzu vielschichtig, recht erdig dabei, das aber mit ordentlich Druck.
Insgesamt ein wenig eindimensional.
Es handelte sich um den 2009er Kiedricher Gräfenberg GG von Robert Weil.
Große Verwunderung, den Wein hatte ich vorher schon zweimal - und beide Male war er deutlich besser. Anderen Probenteilnehmern ging es ähnlich.
85 bis 88 Punkte gab es dennoch, meine 85 lagen sechs Punkte unter den 91, die ich ihm bei der GG-Probe von FUB noch gab. Einer gab ihm allerdings auch in der Form 92 Punkte. Etwa 32 Euro.

Der zweite Wein bot eine ungemein feine, leicht fruchtlastige Nase, am Gaumen auch sehr cremig und fein, leicht apfelsinig, ein klein wenig zu leicht vielleicht, hinten heraus aber sehr präsent und extrem persistent.
Ganz klar, ein prima Wein, aber woher kommt so etwas nur. So richtig typisch erschien er uns für keine Region. Stimmt, denn klassische Württemberger schmecken anders. Den Schnaitmann hat an der Stelle keiner erkannt - Uhlbacher Götzenberg, GG aus 2009.
91 bis 92 Punkte aus der Runde. Etwa 24 Euro.

Es folgte ein Wein mit schöner, recht fruchtbetonter Nase, sehr elegant.
Am Gaumen ungemein viel Druck bei gleichzeitig eleganter, feiner Schiefermineralik. Kraftvoll und dennoch elegant, toller, voller Abgang.
92 bis 94 Punkte aus der Runde, und endlich ein Wein, der auch von den meisten erkannt wurde.
Das Dellchen GG aus 2009 von Dönnhoff.
Etwa 28 Euro.

Als nächstes kam der Spontifex Maximus ins Glas. Ein Wein mit sehr deutlichem Spontiton, dazu aber auch sehr schöner Kräuterwürze in der Nase.
Auch am Gaumen ist der Spontiton deutlich im Vordergrund. Mit Luft öffnet sich das Ganze und wird vielschichtiger, cremiger, offener, die Kräuter treten immer mehr in den Vordergrund.
91 bis 93 Punkte
für den Halenberg GG 2009 von Emrich Schönleber.
Für mich nicht ganz auf der Höhe des Dellchens, wenn auch noch in einem anderen Entwicklungsstadium. Rund 35 Euro.

Schließlich noch dieser:
Wunderbare Johannisbeernase mit einem ganz leichten Sauerfaulton. Am Gaumen vorne etwas karamellig, dann cremige Fülle und hinten auch wieder ein Spürchen sauerfauler Einschlag.
Dennoch saftig und vor allem nasencharmant. 15 Prozent Alkohol, aber die waren super eingebunden, Donnerwetter.
Von der Stilistik her eindeutig Schloss Johannisberg, die machen eben wirklich noch Terroirwein mit erkennbarer Stilistik. Auch der Jahrgang 2006 war klar zu erkennen. Es war die Spätlese trocken.
90 Punkte von mir, wegen der kleinen Sauerfäule, aus der Runde gab es 92 bis 94.
Mal im Ernst, liebe Leute, soll der besser gewesen sein als das Dellchen? Schisma!

Den dritten Flight eröffnete ein Wein mit einer etwas unrunden, im Ausdruck verhaltenen Nase. Am Gaumen eine Spur alkoholisch, ziemlich scharf.
Dahinter lauert aber eine recht feine Cremigkeit, keine Sorge. Mit Luft kommt er besser, wird aber auch ein wenig bitter im etwas abbrechenden Abgang.
Für die Aulerde 2009 GG von Wittmann eine leichte Enttäuschung, und irgendwie auch ein Beleg, dass nicht jeder Winzer auf jeder Lage im vermeintlichen Sensationsjahr 2009 das Potenzial ausreizen konnte.
87 von mir, aus der Runde auch höhere Noten bis 91.

Danach eine Granate - überbordende Mineralität in der Nase.
Am Gaumen viel, viel Druck und Power, tiefgründig. Im Anklang brachiale Mineralität, im Abgang unfassbar viel Dampf und Länge.
93 bis 96 Punkte aus der Runde, 96+ auch von mir.
Und wieder ein Wein, den man erkennen konnte: Pettenthal GG 2009 von Kühling-Gillot.
Der hat für meinen Geschmack schon bei der GG-Probe von FUB alle anderen geschlagen. Rund 31 Euro

Der folgende Weine setzte sogar noch einen drauf. Explosive, granatenmäßige Nase, unglaublich voll und vielschichtig.
Saftig und dicht, brachial und dennoch harmonisch. Fast eine Hauptmahlzeit. Voller, dicker Abgang. Power pur.
Reifer als der Pettenthal 09, der dafür vielleicht etwas mehr Potenzial mitbringt? Es war der Pettenthäler aus 2007, einer meiner Lieblinge der letzten Jahre.
Solche Weine polarisieren - und so spreizten sich unsere Wertungen von 92 bis 97.
Wieder sortiere ich mich am oberen Ende ein, ich mag sowas einfach. Rund 31 Euro.

Nun einer mit sehr gereifter Nase, etwas Tabak, am Gaumen recht gereift, vor allem auf der Altersnote.
Auch sonst eher schlank, keine Frucht, wenig Mineralität. Mit Luft baut er sogar noch ab.
Für mich eine große Enttäuschung, es war der 1999er Keller G.
Von mir magere 86 Punkte, aus der Runde gingen die Wertungen bis 90 hinauf.

Auch der nächste Wein überzeugte mich nicht. Undifferenzierte Nase, nicht wirklich greifbar.
Am Gaumen eher einspurig, hinten heraus etwas überreife Banane, wenig Mineralität, etwas zu breit.
Huch, das sollte ein Pechstein GG von Bassermann sein. Ja, aber aus 2002, da waren die Bassermänner meiner Meinung nach ziemlich im Tief.
Deswegen auch heute selbst für Altrieslingfreunde wie mich nicht mehr wirklich überzeugend. 84 Punkte. Damit stehe ich aber alleine da, das ist Chronistenpflicht in Köln.
Die Runde gab 88 und sogar 89.
Aber ehrlich gesagt, dafür fehlte mir auch die Lagentypizität - wo war die Pechsteinmineralik?

Der Nachfolger entschädigte - Recht charmante Nase, vor allem mineralisch, das könnte doch ein Pechstein sein. Recht warm und dicht.
Am Abgang verschlankt er sich etwas, aber recht cremig und harmonisch. 90 Punkte von mir, aus der Runde 90 bis 93 für den Pechstein GG 2007 von Bassermann.

Und noch ein Pechstein, diesmal von Bürklin aus 2008.
Recht volle, runde Nase. Am Gaumen sehr harmonisch aber ein klein wenig druckarm.
Ordentliche, wenn auch nicht überragende Länge. Für den Jahrgang recht gut - und etwas besser als vor einem Jahr.
91 bis 94 Punkte aus der Runde, einmal sogar 96. Hier sortiere ich mich wieder am unteren Rand ein.

Der nächste Wein war vielleicht der interessanteste der ganzen Reihe.
In der Nase ein wenig parfümiert, dann aber auch wieder nicht, changierend irgendwie, auch Erdigkeit ist dabei und volle Frucht.
Am Gaumen der Bebop unter den Rieslingen, etwas schräg, etwas dissonant, aber sehr lang und rhythmisch. Dann plötzlich feine Harmonie von Frucht und Mineralik, Süße und Säure.
Irgendwie alterslos, das hätte alles zwischen 2009 und 2001 sein können.
War aber die Idig GG 2009 von Christmann.
Endlich geht es mit der Idig wieder aufwärts. Erkannt hat sie aber keiner so recht.
91 bis 96 Punkte aus der Runde mit Schwerpunkt bei den 93, die ich auch zückte.

Beim nächsten verriet Petrus, was auf uns zukam, deswegen wussten wir, es gab den Kallstadter Saumagen Auslese trocken R von Koehler Ruprecht aus 2001.
Nase unfassbar frisch, wie man das bei diesem Wein so kennt. Zitronig, cremig, charmant. Am Gaumen höchst ungewöhnlich, völlig sui generis.
Ganz reife, fast süße Zitrone, voll, lang, saftig, dicht, toller Abgang dabei, prima.
89 bis 94 Punkte, ich halte mich irgendwo in der Mitte des Spektrums auf.

Zum Abschluss dann noch denselben Wein aus 1990.
Zarter Alterston in der Nase, etwas Frucht dazu, recht fein. Am Gaumen doch schon über den Zenit hinweg.
Wirkt schon leicht ermattend, wenngleich noch immer sehr genießbar. 87 bis 88 Punkte.

Eine tolle Probe, besten Dank an Petrus I., der wieder einmal mit Schalk im Nacken eine durchdachte Dramaturgie ersonnen hat!

Dominik