Chateau Palmer Vertikale
zusammengestellt von Dominik Ziller



Protokoll: Dominik Ziller



Probiert wurde :

Chateau Palmer, Margaux
1981
1984
1987
1978
1985
1983
1989
1986
1990
1991
1992
1994
1997
1996
1999
1998
2001
2002
2003
2004
2000


Dans la Palmeraie



Le malfaiteur retourne toujours au lieu de son crime, der Verbrecher kehrt stets an den Ort der Tat zurück.
Als einen solchen Tatort dürfen wir uns sicherlich auch Flaschenhälse vorstellen. So dass die Kölner Seilschaft durchaus das kriminologische Klischee bediente, als sie vor zehn Tagen bereits zum zweiten Mal nach der legendären Probe von 2003 einer Batterie Palmerbouteillen die Hälse brach.

Hals und Weinbruch! Es war kein Korkschmecker dabei! Vielmehr begegneten uns auf der Promenade durch 21 Palmers einige erstaunlich gut gealterte Tröpfchen, die Maryland-Bob und seine Spießgesellen schon längst abgeschrieben hatten.
Einige andere, die bei den Gabriels und anderen Erzengeln eher unter „also starring“ laufen, erschienen uns deutlich besser als aufgrund der Fachliteratur zu erwarten, als stille Stars. Und einige waren auch diesmal wieder dabei, die doch recht deutlich unter Papierform abschnitten.
Zumal wir die Sache – es waren Juristen an Bord des Seilschaftsdampfers – wie Justitia durchführten, also wieder einmal blind. An der Objektivität der Seilschaft besteht also auch diesmal wieder keinerlei Zweifel. Und wer solchen äußert, dem schicken wir die mitwirkenden Juristen auf den Hals :-)

Der erste Flug ging durch die schwachen Jahrgänge der Achtziger.
Drei Weine, die laut Parker bereits vor Jahren bis Jahrzehnten hätten getrunken sein müssen. Nee, stimmt nicht, die waren durchaus noch da.

1. Palmer 1981
Zum Beispiel der 1981er. In der Nase viel Fleischextrakt, Würze, eher knäppliche Frucht aber alles andere als müde.
Am Gaumen etwas gezehrter und in der Tat schon ein klein wenig über den Höhepunkt hinweg. Aber noch immer recht rund, wenn auch eher leicht und im Abgang nicht der längste.
Das lustige Jahrgangsraten zeigte, dass der Wein durchaus jünger geschätzt werden kann – die meisten tippten auf 1987, einer auf 1984 und immerhin einer auch auf 1981.
Bepunktung sehr einheitlich bei 84 bis 85 Punkten. Parker schrieb bereits 1990: Schnell trinken.

2. Palmer 1984
Für mich die größte Überraschung bei den eher kleineren Weinen.
Von der Journaille mehrfach beerdigt, wies der 1984 nur in der Nase leichter Ermüdungserscheinungen auf, einen etwas medizinalen Ton, leichten Eukalyptus, dazwischen aber auch schöne Noten von Unterholz, Leder und Waldpilzen/Waldboden.
Am Gaumen besticht er durch eine tolle Fruchtsüße, viel Schmelz bei gleichzeitig auch recht deutlicher Säure, gute Länge mit feiner Orangenfrucht im Abgang, sticht ein ganz klein wenig.
Insgesamt polarisierte der 1984er deutlich mehr als der 1981er. Einigen erschien er besonders schmeichelnd, andere fanden ihn hingegen eher unrund. Ich gehöre zur Schmeichlerfraktion und zücke daher mit 87 Punkten auch eine Note vom oberen Ende der Skala, daneben vielen einige 86er, einige 85er aber auch eine 82. Beim lustigen Jahrgangsraten lag Karl Bajano richtig, andere tippten auf 1981 oder wieder auf 1987.
Nur 14 Punkte bei Gabriel, der dem 1981er immerhin noch 17 zugebilligt hatte.

3. Palmer 1987
Nachdem er so oft fälschlich „erraten“ worden war, musste ich nun endlich wirklich den 1987er bringen. Nase sehr cabernetig, unreife Paprika, am Gaumen eher trocknend, offenbar unreifes Lesegut.
Auch nicht unbedingt Bordeaux-typisch, so etwas kennt man auch von mittelmäßig gemachten Weinen aus der neuen Welt, insbesondere aus Kalifornien.
Eher kurz, auch im Abgang grün bis staubig. Die meisten steckten ihn treffsicher nach 1994, daneben wurde 1980, 1984 und einmal auch 1987 geraten, wiederum von Karl Bajano, wenn ich es richtig erinnere.
Für mich mit der schwächste Wein der Probe, mit der großen Mehrheit der Seilschaft lag ich bei 79 Punkten. Allerdings fielen auch eine 85 und eine 87.
Ich vermute allerdings, dass der Wein weniger gezehrt ist, als dass er von vornherein wegen des unreifen Leseguts unrund gewirkt haben dürfte. So erinnere ich mich auch aus einer Begegnung mit dem 1987er aus der Mitte der neunziger Jahre zurück.

Der zweite Flight brachte uns drei gereifte Hochkaräter ins Glas, die von der Kritik allgemein hoch gehandelt werden:

4. Palmer 1978
Der 1978er war für uns bei der Verkostung von 2003 zusammen mit dem 1986er und dem 1982er der beste Wein des Abends.
So dass die Spannung für mich vor allem darin bestand zu beobachten, ob er seitdem abgebaut hat.
Na ja, ein wenig hatte er das – die Farbe spielte schon deutlich ins Orange, die Nase war zwar noch recht lebendig, mit frischem Unterholz, Champignons, einer Spur Trüffeln, etwas cabernetiger Paprika, einem Haucherl Kaffee und leichtem Anklang von Orange, insgesamt aber eher schon in Richtung der sekundären bis tertiären Aromen unterwegs.
Am Gaumen schon eine Spur über den Punkt, viel Unterholz, noch Spuren von feiner Frucht, irgendwie zerbrechlich wirkend, Orange.
Gute Länge, noch immer sehr harmonisch, im Abgang filigran, wenngleich schon ein klein wenig trocknend.
Deswegen wurde er auch nicht als gereifter Wein aus gutem Jahr erkannt, sondern eher in die mittelprächtigen aber deutlich weniger guten Jahrgänge Anfang der Neunziger gepackt.
Vorzugsweise nach 1992, einige hatten aber auch 1991 auf dem Programm. Gepunktet wurde zwischen 82 und 85, im Schnitt mit 84 Punkte. Ich gehörte zu den Großzügigen und zückte die 85.

5. Palmer 1985
Den hatten wir in der Seilschaft auch schon einmal gehabt, bei unserer 1985er-Horizontale. Damals fanden wir ihn ein wenig streng in der Nase, mit Dieselöl und Pferd, am Gaumen aber wegen der schönen Fruchtsüße (schwarze Früchte) und der weichen Tannine sowie eines beachtlichen Nachhalls sehr schön. Gab damals 88 bis 92 Punkte.
Das Strenge in der Nase haben wir nicht wiedergefunden. Vielmehr zeigte er sich dort als echter Margaux, mit viel Kaffee und Kakao.
Am Gaumen sehr schöne Fülle und viel Würze. Der erste Wein dieser Probe, der auch deutlichen Tiefgang mitbrachte.
Viel Tannin, wirkt fast noch eine Spur zu jung, kommt dann aber im Glas, öffnet sich, wird runder, saftiger, dichter.
Dunkle Beeren mit schöner Fruchtsüße, etwas Leder, Zigarrentabak. Bleibt sehr lang, bis zum Ende bleibt bei mir aber auch der Eindruck, dass der Wein in den kommenden Jahren sogar noch ein wenig zulegen wird.
87 bis 89 Punkte aus der Runde, 88 von mir.
Beim fröhlichen Jahrgangsraten gab es Tipps in Richtung 1994 (2x), in Richtung 1988 (4x) und einer lag mit 1985 goldrichtig.

6. Palmer 1983
Mein Verzweiflungswein. Denn am 1983er habe ich reihenweise Babymorde begangen, war er doch in der Jugend so wunderbar füllig, saftig, tiefgründig und charmant.
Unglaublich dicht gewirkt und das bis tief in den endlosen Abgang. Die beste Flasche, die ich je hatte, in einem Restaurant mit legendärem Keller, war mir 99 Punkte wert.
Aber dann, so gegen Ende der neuziger Jahre, da passierte es, weg war er. Nicht wirklich verschlossen, aber um eine, nein, um zwei Dimensionen ärmer, nicht mehr so tief und nicht mehr so voll.
Gabriel schrieb damals, der Wein habe sich zurückgezogen und werde wieder kommen. Daran habe ich über Jahre gezweifelt.
Aber man gibt ihm ja immer wieder eine Chance, so auch diesmal. Vor sieben Jahren hatten wir ihn mit gut 89 Punkten abgefertigt, lächerliche nach den 20 von Gabriel und den 98 von Parker, aber mehr war es einfach nicht.
Und auch diesmal breitete sich eine gewisse Fassungslosigkeit aus – insbesondere beim edlen Spender – als ich am Ende des Flights aufdeckte und verriet, das wir den 1983er im Glas gehabt hatten.
Sicher, ein guter Wein, ein sehr guter sogar. Voluminöse Nase, sehr mineralisch, noch recht jung, viel Würze, Unterholz, aber auch blauschwarze Frucht.
Mit Luft kriegt die Nase noch deutlich mehr Fülle und eine weitere Dimension, riecht dann in Nuancen fast likörig.
Am Gaumen unglaublich rund, sehr weich, dabei aber auch noch mit jungen, sehr feinen, geschliffenen Tanninen unterwegs.
Sehr lang, sehr saftig, sehr dicht, aber – im Vergleich zu früher fehlt am Gaumen einfach diese Vielschichtigkeit und diese unfassbare Tiefe, die wirklich große Weine auszeichnen.
Immerhin erschien es mir bei dieser Flasche nun wieder möglich, dass der Wein in den kommenden Jahren wirklich noch ein wenig zulegen wird. Denn mit Luft wurde er eindeutig noch besser und, wie gesagt, einige junge Tannine waren schon noch vorhanden, die sich noch gewinnbringend abschmelzen lassen dürften.
Es wird interessant werden, den Wein über die kommenden zwanzig Jahre weiter zu beobachten. Ich sehe ihn jetzt bei 90 Punkten und damit etwas höher als 2003, die meisten gaben aber „nur“ 88 Punkte, so dass er im Schnitt auf dem gleichen Niveau wie damals lag.
Den Jahrgang hat keiner erraten, alle schätzten ihn jünger, wobei mehrheitlich auf 1994 getippt wurde, je einmal gab es auch 1996, 1995 und 1988 zu verzeichnen.

Im dritten Flight mischten sich wieder Parkerdarling und Parkerdalit…

7. Palmer 1989
95 Punkte von Parker, 20 von Gabriel. Wie gut, dass die Seilschaft nichts von Wein versteht, so können wir eigenmächtig andere Punkte vergeben.
Was uns hier ganz gut gelang, denn im Ergebnis kam im Schnitt eine 90,5 heraus.
Denn klar, die Nase ist massiv, Power pur, aber leider recht monolithisch mit stark mineralischem Einschlag und sehr wenig Frucht, da wünschte man sich ein ausdifferenzierteres Spektrum. Bringt auch ein ganz leichtes Stinkerl mit, das aber mit der Zeit verfliegt.
Am Gaumen gewaltiger Druck, dabei erneut sehr monolithisch, einfach nur Power. Hier allerdings nicht nur mineralisch, sondern auch mit ordentlicher Fruchtsüße unterwegs, recht elegant.
Gute Länge, im Abgang vielleicht eine Spur zu viel Alkohol.
Wird sicher noch zulegen, vor allem wird es interessant sein zu beobachten, ob sich das Monolithische in den kommenden Jahren noch ausdifferenziert.
Das ist keineswegs gesagt, denn verschlossen wirkte er nicht wirklich und die Tannine sind bereits gut abgeschmolzen. Was steht also noch vor dem Wein.
Nach 1983 schon wieder so einer, der zwar unglaublich viel Kraft mitbringt, aber (noch) keine echte Größe. Rätselhaft, zumal auch der 1989er in der Jugend deutlich vielschichtiger und tiefgründiger war.
Vor sieben Jahren hatte er diese Frühform allerdings auch schon hinter sich gehabt, auch damals fanden wir ihn nicht wirklich groß und sahen wir ihn bereits als voll ausgereift an. Seinerzeit wirkte er aber noch voller als jetzt.
Anders als damals sehe ich heute aber durchaus Potenzial, dass er sich noch weiter öffnen könnte. „Versteh mir einer die Palmers“ – sagt einer, der sonst immer „Versteh mir einer die Frauen“ gesagt hatte.
Der Palmer als Frau unter den Margauxen? Ich lag mit meinen 92+ jedenfalls schon wieder am oberen Rand des Punktespektrums, die anderen verteilten sich gleichmäßig auf 89 bis 92 Punkte.
Die meisten hatten bezüglich des Jahrgangs auf 1986 getippt, Karl lag aber schon wieder richtig bei 1989.

8. Palmer 1986
Wieder einer der Sieger der Probe von 2003. Hatte damals den 1989er deutlich geschlagen und bei uns glatte 95 Punkte eingefahren. Deutlich mehr als Parkers 88+ (inzwischen 89+) und Gabriels 16. Auch diesmal hatte er wieder die Nase vor dem 1989er, wenn auch nicht mehr so deutlich.
Sehr ausgewogene Nase, mineralisch, dunkle Frucht, riecht fast ein wenig süßlich, wenn man Süße riechen könnte.
Am Gaumen massive Mineralik, wunderbar dicht, dabei aber insgesamt nur mittelgewichtig, mehr Eleganzbolzen als Powerpaket. Etwas Pflaume, etwas sehr dunkle Kirsche, viel Schmelz, sehr weich und vollreif wirkend.
Fleischig und saftig, schöne Würze, sehr schöne Länge, kann durchaus noch eine Spur weiter zulegen.
Für mich gegenüber dem 1989er der leichtere Wein, aber dennoch der, der mehr Freude macht, selbst einem Krafttrinker wie mir. Weil er so schön differenziert ist, so vielschichtig, so fein und so elegant, ohne dabei wirklich leicht zu sein.
Den Jahrgang hat keiner erkannt, es wurden gleichmäßig 1989 und 1988 getippt. Die Punkte verteilten sich schwerpunktmäßig bei 92 und 93, je einmal gab es 88, 89 und 91. Im Schnitt gute 91 Punkte. Von mir eine 93.

9. Palmer 1990
In der Nase eine leicht stallige Note, eigentlich aber eher unreifer Cabernet als Schweiß oder gar Brett, das kam mit etwas mehr Luft deutlich heraus. Dazu ein Hauch Zwiebel (sic!) und etwas Liebstöckel, die sich beide auch am Gaumen wiederfanden.
Dazu deutliche rote Frucht, Johannisbeere, mit viel Fruchtsüße. Kräutrige Noten sind auch mit drin. Kommt mit Luft immer besser, wird im Glas „reifer“ und stabiler. Bleibt aber ein wenig unreif.
Schön vor allem in der Mitte, im Abgang verschlankt er sich wieder, dabei mit leichter Salzigkeit und guter Mineralität.
Für mich ein guter aber kein ganz großer Palmer, irgendwo zwischen 90 und 91 Punkten, da bin ich ausnahmsweise mal mit Parker einig.
Nicht aber mit der Seilschaft, wo zwar zwei Mitstreiter 90 und 91 zückten, die Mehrheit aber 93 bis 95 forderte. Was im Ergebnis eine 92,5 Punkte brachte.
Versteh mir einer die Seilschaft! Einigkeit auch beim Jahrgang – „ganz klar, das muss der 1982er sein“. Der vor sieben Jahren tatsächlich sogar ganz ähnlich gewirkt hatte (allerdings deutlich besser).
Tja, den 1990er hatten wir damals eben nicht verkostet :-)

Im vierten Flight habe ich der Seilschaft eine gewisse Antiklimax zugemutet – es ging an den Anfang der Neunziger:

10. Palmer 1991
Viel Kaffee in der Nase, ein klein wenig Liebstöckel, Cremechampignons. Am Gaumen wunderbar weich, süßlicher Anklang, leicht verschwommen, viel reife Paprika, wirkt sehr cabernetig, dazu etwas getrocknete Himbeeren und ein ordentlicher Löffel Waldpilze.
Im Abgang eine gerüttelte Portion Alkohol.
Scheint fast voll auf dem Punkt, deswegen meinte Parker wohl auch, denn hätten wir schon vor acht Jahren getrunken haben müssen…
Zielsicher nach 1988 und 1982 verortet, war der Wein den Seilschaftern 88 bis 92 Punkte wert, im Schnitt kam fast genau eine 90 heraus. Ich bin diesmal wieder bei der sparsameren Fraktion und bescheide mich mit 88.
Immerhin, der Wein hatte schon 2003 im Schnitt 91 Punkte von uns bekommen. Erstaunlich wie genau die Seilschaft in der Blindverkostung ihre Punkte von damals in fast allen Fällen wieder trifft.

11. Palmer 1992
Die Nase ist einerseits mineralisch, andererseits kräuterwürzig, bröselt aber sehr schnell in sich zusammen.
Am Gaumen viel grünes Tannin, war wahrscheinlich nie reif, ist jetzt über den Punkt.
Sehr leicht, sehr knapp im Abgang, belanglos und über den kleinen Höhepunkt, den er vielleicht irgendwann mal gehabt hat.
Recht einheitlich 77 bis 78 Punkte. Fast alle errieten den 1992er.

12. Palmer 1994
Kräuterig-würzige Nase, rote Frucht, gute Fülle, leicht portig vielleicht.
Am Gaumen eher schlank aber harmonisch und charmant. Rotfruchtig, gute Reife, jetzt voll auf dem Punkt, auf dem er sich wohl auch noch ein Weilchen halten dürfte.
Es fehlt sicher ein wenig an Druck, insbesondere im Abgang etwas säuerlich und alkoholisch. Dennoch insgesamt ein guter Wein.
Einer tippte richtig auf 1994, die meisten lagen im Jahrgangstipp bei 1997, je einer auch bei 1995 und 2003.
Die Punkte ergaben einen Schnitt von genau 85,5, wobei ich keinen über 87 oder unter 84 zu verzeichnen hatte.
Ich liege wieder an der Untergrenze und zücke die 84. Hier liegen wir ausnahmsweise einmal deutlich ab von der Punktzahl der letzten Bewertung, vor sieben Jahren war er uns noch 90 Punkte wert.

Vierter Flight, es wird immer jünger:

13. Palmer 1997
Sehr ausgewogene Nase, schöne Mineralität, dazu feine Würze, viel frisches Rinderfilet.
Am Gaumen rote Früchte, leicht cremig-würziges Fundament, nicht der Allerdichteste, Allervollste, aber schön frisch und sehr harmonisch.
Begeisternd vor allem die Mineralik und die runde Eleganz. So kann man es jedenfalls sehen.
Aber die Seilschaft wäre nicht die Seilschaft, gäbe es nicht in der zweiten Halbzeit unserer Proben mit tödlicher Sicherheit die berühmten Schismen.
Und so eines hatten wir hier wieder. Einige unverbesserliche Mäkler fanden „grüne Töne“, vermissten „den palmertypischen Charme“, fanden „der macht keinen Spaß“ und „dem fehlt der Schliff“.
Na ja, bei den Punkten war dann in Abwesenheit von Eierkuchen immerhin wieder Friede und Freude hergestellt, mit 85 bis 87+ Punkten war das Spektrum enger als die Diskussion vermuten ließ.
Ich lag diesmal zur Abwechslung am oberen Ende und vergab 87+. Den Jahrgang erkannten zwei Seilschafter richtig als 1997er, drei meinten 1996er im Glas zu haben, einer tippte auf 1999.

14. Pirat
Keine Probe ohne Piraten – immerhin hatte ich hier einen eingebaut, der leicht als solcher zu identifizieren war. Die entscheidende Frage war eher, wo er denn herkam, wenn schon nicht aus dem Bordelais.
Riecht sehr cabernetig, sehr süßlich.
Am Gaumen neue Welt, buttrig, viel Karamell, viel Cassis. Sahnig-karamellig auch im Abgang, wobei er mit Luft wurzelholziger wird, ohne allerdings grüne Noten zu bekommen, nein, er wird einfach reifer, vielschichtiger.
Sehr schöne süßliche Frucht, viel Cassis auch im Abgang, dazu etwas frisch gemahlener Kaffee, schöne Länge, sehr interessanter Wein.
87 bis 88 Punkte im Schnitt, von mir sogar eine 89+.
„Ganz klar, ein Italiener“, rief einer in die Runde. „Oder ein Chilene“, schallte es zurück. „Ansonsten aber ein Kalifornier“, meinten gleich zwei.
„Nee, ein Südfranzose“ wurde gekontert. „Oder ein Bordeaux-Blend aus Österreich“, rief einer und wurde gleich als ahnunglos niedergemäht.
Obwohl er richtig lag. Es war der „ZwaZwa“ Bordeaux-Blend aus 2002 von Karl Bajano, ein Wein, den Karl mir Silvester kredenzt hatte und dem ich es zugetraut hatte, zwischen den „echten“ Bordeauxen bestehen zu können, wenn auch nicht mit diesen verwechselt zu werden. Und bestanden hat er allemal!

15. Palmer 1996
In der Nase Graffit pur, sehr mineralisch. Zudem mit mehr Luft schöne Frucht, man riecht fast, dass er viel Saft am Gaumen mitbringt.
Auf der Zunge Charme pur, leicht angebratenes Rindfleisch, schöne, kirschige Frucht, saftig, mürbe Tannine, tolle Balance zwischen Fruchtsüße, Mineralität, Säure und Alkohol.
Eleganz pur, mineralischster Wein des Abends, sehr elegant, sehr schön, hohe Trinkigkeit.
Viermal wurde 1996 richtig erkannt, dreimal auf 2000 getippt, zweimal auf 1998 und einmal auf 2003.
Bei den Punkten hagelte es 92er-Wertungen, auch von mir, zweimal wurde aber auch die 94 und einmal die 93 gezückt.

16. Palmer 1999
Wieder eine extrem mineralische Nase, sehr opulent, fleischig. Pechschwarze Farbe, wirkt unglaublich jung.
Am Gaumen sehr, sehr dicht, ungemein voll. Power ohne Ende – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, der Wein ist ewig lang, dabei unglaublich kräftig.
Noch wahnsinnig jung. Keiner erkannte den Jahrgang, die meisten schossen sich auf 2003 und 2004 ein, einer auch auf 2000.
So jung war er dann doch nicht, das zeigt aber nur, wie verschlossen er auch nach 11 Jahren noch ist.
Die Wertungen wiesen dementsprechend viele Pluszeichen auf, im Schnitt kamen wir auf 94 bis 95 Punkte, bei einem Ausreißer auf 91 und einem auf 96. Von mir eine glatte 95.

Es folgte der fünfte Flight, der mit dem 1999er zunächst nicht so wirklich mithalten konnte:

17. Palmer 1998
In der Nase vor allem Kaffee, dazu interessante aber sehr zarte mineralische Anklänge und eine kleine Prise Stall.
So auch am Gaumen, dort etwas mehr Mineralik, etwas weniger Kaffee und wieder das Häuchlein von Stall. Wird mit Luft zum Glück etwas voller und vor allem margauxtypischer, der Kaffee wird stärker, Kakao kommt hinzu, er wird auch kräftiger, bis auf das Niveau eines soliden Mittelgewichts.
Leider bleibt er dabei spröde und uncharmant.
Mehrheitlich 85 Punkte, einer zückte die 86, ein Ausreißer gar die 89.
Der Jahrgang wurde einmal erkannt, einmal wurde auch 2001 vermutet, einige sahen ihn als Piraten.

18. Palmer 2001
Seltsam verbrannte, leicht laktische Nase, eher unschön.
Am Gaumen Karamell, viel Säure, dabei auch recht verschlossen, leicht grüne Tannine.
Durchaus nicht ohne Kraft, vielleicht kann er auch noch zulegen, derzeit aber erstaunlich schwierig und für mich ohne große Perspektive.
Die 90 bis 92 Punkte von Parker kann ich nicht finden.
Im Schnitt gab es 87 Punkte, allerdings nur wenn man die zwei Ausreißer auf 83 herausrechnet (Karl Bajano und ich). Der Jahrgang wurde nicht erkannt.

19. Palmer 2002
Sehr kaffeebetonte Nase, dazu prachtvolle Mineralik.
Am Gaumen Power pur aber noch sehr unzugänglich. Allerdings auch ganz leicht gemüsig und ein ganz kleiner Hauch Lösungsmittel.
Ich hoffe, das legt sich noch bzw. entpuppt sich als Flaschenfehler.
Auch im Abgang eine leichte Schärfe. Das klingt jetzt kritischer als der Wein ankam, denn vor allem war er unglaublich voll, mit fast schon brachialer Kraft am Gaumen und großartiger Länge.
Wenn er noch harmonischer wird oder es sich beim Fehlton um einen Ausreißer handeln sollte, sicher ein Wein der das Zeug zu den 94 Punkten haben mag, die Parker verteilt.
In der Verfassung, in der wir ihn vorfanden wegen der Abzüge in der B-Note von mir aber nur 88 Punkte. Damit lag ich mit einem Gesinnungsgenossen wieder an der Untergrenze der Wertungen, je einmal gab es auch die 89, die 90 und die 91 – und dann begann das Schisma mit zahlreichen Wertungen von 93 und sogar einer 94.
Den Jahrgang hat wieder keiner erraten.

20. Palmer 2003
Mein Lieblingsjahrgang :-) Auch im Bordelais leider sehr schwierig.
Das merkt man auch am Palmer.
Nase weitgehend neutral, etwas Menthol, etwas Eukalyptus, leicht wurzelholzig.
Am Gaumen kühles Cassis, eindimensional, dann verwaschen und hier leider mit der Bitterkeit des grünen Wurzelholzes.
Es fehlt auch der Druck, verschwimmt im Abgang, zu viel Karamell und Toast, ist dem Holzeinsatz kaum gewachsen, trocknet hinten ins Grüne hinein. Schade, der war als Fassprobe deutlich besser – es war aber bei diesem Jahrgang eigentlich kaum anderes zu erwarten.
Parker hat es einigermaßen erfasst und gibt 89 Punkte, Gabriel ist bei utopischen 19. Wir gaben im Schnitt knapp 83 Punkte – wohlgemerkt in blinder Verkostung.
Ich war auch hier am unteren Ende und begnügte mich mit 80 Punkten. Ich mag den Stil von 2003 einfach nicht. Einer hat den Jahrgang erkannt.

21. Palmer 2004
Pechschwarz – und so riecht er auch, asphaltig, schwarzfruchtig, noch sehr verschlossene Nase.
Am Gaumen geniale Mineralität, wunderbare Fülle, viel Kaffee, sehr mürbe Tannine.
Leckerschmecker mit kühler Mineralität und ganz kleinem Bitterl am Ende des Abgangs.
Sehr einheitlich 90 bis 91 Punkte, mit Potenzial zu mehr.

22. Palmer 2000
Nicht umsonst hatten ich den ans Ende der Probe gestellt: Extrem vielschichtige Nase, sehr mineralisch einerseits, dann aber auch dichtgepackte warme Frucht.
So auch am Gaumen, Heidelbeere, Cassis, fast schon überreife Beerenfrucht, viel Druck, viel Würze, leider noch sehr verschlossen, aber mit weichen Tanninen unterwegs, der braucht einfach nur Zeit.
Unendlich lang, wunderbar tiefschürfend, sollte sich extrem gut entwickeln!
Für die meisten der beste Wein des Abends, Zweimal wurde die 97 gezückt, auch von mir, mehrfach 95+, einmal 95 ohne Pluszeichen, einmal 94++, zweimal 94, nur einer fiel mit einer 92 aus dem Rahmen. Im Schnitt eine gute 95.
Der beste Wein des Abends, knapp vor dem 1999er.

Insgesamt war es eine hochinteressante Probe – und sicher nicht das letzte Mal, dass wir uns in der Seilschaft mit Palmer beschäftigt haben, die weitere Entwicklung von 1983, 1986, 1989, 1999 und 2000 müssen wir doch wissenschaftlich begleiten!