Brunello di Montalcino
zusammengestellt von Iris Peters
Protokoll: Wolfgang Schön
Probiert wurde :
1. Brunello 2003, Talenti
2. Vigna Spuntali 2000, Val di Suga
3. Brunello 2002, Val di Suga
4. Brunello 2003, Caparzo
5. Brunello 2001, Caparzo
6. Brunello Vigna La Casa 2001, Caparzo
7. Brunello 1997, Caparzo
8. Brunello 2001, La Poderina
9. Brunello 2003, La Poderina
10. Brunello Tenuta Nuova 1997, Casanovi di Neri
11. Brunello Tenuta Nuova 2003, Casanova di Neri
12. Brunello 2003, Casanova di Neri
13. Brunello 2001, Argiano
14. Brunello 1985, Argiano
15. Brunello Riserva 1980, Argiano
16. Brunello 1977, Argiano
17. Brunello Riserva 1979, Argiano
18. Brunello 2001, Il Poggione
Von Casanova und anderen Verführern
Die Kölner Seilschaft trinkt Brunello
Wir Kölner sind schon ein bevorzugtes Volk. Der Dom, der Rhein, die fröhlichen,
lebenslustigen Menschen: Es gibt genügend Gründe, warum die Domstädter ihre Stadt
lieben.
Und da sich in diesem Jahr auch der FC anschickt, nach dem Aufstieg nicht
gleich wieder abzusteigen - und natürlich im nächsten Jahr mit Poldi um die
Champions League-Plätze mitspielen wird -, ist derzeit die Stimmung in der Stadt besonders gut.
Auch für die Weinfreunde hat sich Köln geradezu zu einem Mekka entwickelt.
Manche Proben der Kölner Seilschaft sind geradezu legendär - was ist dagegen
schon die ProWein in dem großen Dorf rheinabwärts.
Nur ach - es sind immer nur
rund ein Dutzend Auserwählte, die Zugang zum Probenraum des geliebten Frischmarkts
finden.
Inzwischen kommen die schon aus aller Welt - aus Nieder- und Oberdollendorf,
aus Zons und Rösrath, aus Mehlem und selbst aus Koblenz reisen die Logen-Mitglieder an.
Für alle anderen gibt es die Möglichkeit, über das Internet und Wein-Plus die
Erkenntnisse der Wein-Sachverständigen zu verfolgen.
Zu diesem Zweck hat die
Seilschaft einen Schreiber angestellt. Wolfgang heißt er und mit Nachnahmen Martin -
sozusagen ein Schriftgelehrter, ein Apostel des Weines.
Und weil er zu den kulturell
beschlagendsten Kölnern überhaupt gehört, funktioniert denn auch Wolfgang die
Probenprotokolle zu Zeugnissen über Kölner Kirche, Kunst und Kultur um - mit
Weinnotizen sozusagen als Anhängsel.
Was aber passiert, wenn der Hausschreiber mal nicht zur Verfügung steht?
Dann
schauen sich die Weinfreunde betreten an, werfen schüchtern die Frage auf, wer
denn diesmal protokollieren könnte, und werden anschließend ganz still.
So
geschehen auch bei der Brunello-Probe im November.
Diesmal, ich hatte es
befürchtet, lag die Lösung aber recht nah. "Du hast doch ohnehin nichts zu
tun" hieß es in Kenntnis der Tatsache, dass ich wenige Tage zuvor meinen Job
als professioneller Schreiberling aus Altersgründen aufgegeben hatte.
Und so
gibt es heute ein Protokoll, dass sich von den üblichen der Kölner Seilschaft
durchaus unterscheidet. Ihr lernt diesmal nix über Köln, Kirche und Kultur.
Dafür müsst Ihr aber auch nicht lange nach den Weinnotizen suchen - die gibt
es nämlich jetzt direkt.
"Brunello" also war das Thema der von Iris Peters vorbildlich vorbereiteten
vorletzten Probe des Jahres 2008.
Von modern bis klassisch, von jung bis gereift:
17 Weine aus renommierten Gütern sollten uns Charakteristika und Entwicklungsmöglichkeiten
dieser typischen Rebsorte der Toskana aufzeigen, sollten den Ruf dieser Weine bestätigen,
begnadete Verführer zu sein.
Wir starteten mit den jüngeren Weinen:
1. Brunello 2003, Talenti, 14 % Alkohol
Pierluigi Talenti war über Jahrzehnte Kellermeister beim Spitzengut Il Poggione und bekam
von seinen ehemaligen Arbeitgebern 2,7 ha der besten Brunello-Lagen geschenkt, um seinen
eigenen Wein machen zu können.
Der 03er ist ein moderner Vertreter mit viel neuem Holz,
weichen Tanninen und einer etwas vordergründigen Frucht.
Er wirkt gefällig, fast süffig,
büßt aber durch den relativ kurzen Abgang bei einigen Probenteilnehmern an Sympathie etwas
ein.
Für einen schönen Abend zu zweit ist er aber durchaus geeignet.
Die Noten lagen
zwischen 14 und 15,5 Punkten.
2. Vigna Spuntali 2000, Val di Suga, 14,5 %
Schon recht gereifte Farbe, leicht bräunliche Reflexe.
Hinter der leicht stalligen Nase
verbirgt sich dann ein sehr gut strukturierter, mineralischer Wein mit herzhafter Säure,
Kirschtönen und bemerkenswerter Dichte.
Sicher schon ziemlich weit entwickelt, aber in
diesem Stadium gefällt er allgemein.
Die Runde zückt recht einheitlich 16 bis 16,5 Punkte.
3. Brunello 2002, Val di Suga, 14,5 %
Wirkt noch ein wenig verschlossen, zeigt eine betonte Säure und die für den schwierigen
Jahrgang häufig anzutreffenden Bitternoten, die allerdings nicht sonderlich stören.
Kräftig, nicht gerade komplex, aber nett zu trinken.
Steht deutlich hinter dem
Vorgänger zurück, weshalb er von der Gruppe lediglich einheitliche 14,5 Punkte
bekommt.
Für einen romantischen Abend müsste da schon mehr kommen.
4. Brunello 2003, Caparzo, 14 %
Der aktuelle Jahrgang von Caparzo. Saftig mit schöner Frucht (Schattenmorellen),
Kräutern und Lakritz.
Zurückhaltender Holzeinsatz, nur leicht vanillig.
Ein Brunello,
der in die klassische Richtung geht und sicher in diesem Stadium noch keine optimale
Genussreife hat.
Etwas alkoholisches Finale.
Die Bewertung von 14 bis 15,5 Punkte tut ihm
vielleicht ein wenig unrecht.
Aber wir bewerten den aktuellen Zustand, nicht das mögliche Potenzial.
5. Brunello 2001, Caparzo, 13,5 %
Hier der Brunello dieses renommierten Gutes aus einem sehr guten Jahrgang.
Das merkt
man ihm aber nicht an: In der Nase Kräuter, im Mund eine dominierende Säure, wenig
Frucht, wenig komplex.
Fehlt Charme; da hilft der gute Abgang auch nicht mehr viel.
Unsere Erwartungen lagen deutlich höher als die vergebenen 14 bis 14,5 Punkte.
6. Brunello Vigna La Casa 2001, Caparzo, 13,5 %
Der Top-Brunello des Gutes aus der Einzellage in der Ortschaft La Casa.
Und das ist
nun doch schon ein Quantensprung:
Kühle, sehr ausgeprägte Kirschfrucht, große
Komplexität, die eine wunderschöne Mineralität einschließt, viel Druck und Extrakt.
Der Wein ist rund und lang und hat alles, was man von einem erstklassigen Brunello
erwartet.
Der mit Abstand beste Wein bisher und eine lohnende Investition für die
Dame des Herzens: 16 bis 17 Punkte.
7. Brunello 1997, Caparzo, 13,5 %
Der Abschluss des Caparzo-Flights und erstmals ein etwas reiferer Brunello aus einem
überragenden Jahr.
Die Nase ist dominiert von Röstaromen, die sich mit Kirschfrucht,
Mineralität und Teernoten auch im Mund wieder finden.
Frucht und Holz sind sehr schön
ausbalanciert.
Der 97er ist tief, doch fehlt ihm ein wenig der Druck des Vorgängers.
Leicht und fein ist er deutlich auf der eleganten Seite und hat gewiss noch Potenzial.
16 bis 16,5 Punkte.
8. Brunello 2001, La Poderina, 14 %
La Poderina ist eines der höchstbewerteten Güter in Montalcino, und die beiden nächsten
Weine beweisen, warum:
Saftige Kirschfrucht verbunden mit Röstaromen und Mineralität,
gut eingebundene Tannine, viel Druck und Fülle mit angenehmer Säure.
Der Körperreichtum
und die betörende Süße machen den 01er im besten Sinn zu einem gefälligen Wein, der erst
am Anfang seiner Entwicklung steht.
Heute jedenfalls ist er everybody´s darling:
17 bis 17,5 Punkte.
9. Brunello 2003, La Poderina, 14,5 %
Wie beim 01er auch hier Mineralität, Röstnoten und viel Druck.
Noch ausgeprägtere Frucht,
wunderschöne Fruchtsüße.
Der Wein kommt weich und opulent daher, allerdings auch etwas
breit und alkoholisch.
Die Mehrheit der Runde billigt diesem Jahrgang noch mehr Potenzial
zu als dem Vorgänger.
An dessen Bewertung kommt der 03er aber (noch) nicht ganz heran:
16 bis 17 Punkte.
Als "Damenwein" aber bestimmt bestens zu gebrauchen.
10. Brunello Tenuta Nuova 1997, Casanovi di Neri, 14 %
Die sehr verführerische Nase nach Kirschen, Pflaumen, Teer und Gewürzen lässt einiges
erwarten.
Ganz einlösen kann dieser Lagen-Brunello dies nicht:
die starke Säure, die
ihm einerseits einen langen Abgang verleiht, macht ihn aber auch ein wenig unharmonisch.
Die Runde ist sich einig:
Der eher elegante als füllige Wein sollte bald getrunken werden;
besser wird er sicher nicht mehr.
Wie sagte doch ein Teilnehmer treffend: "Einen Casanova
hätte ich mir potenter vorgestellt."
Für 15 bis 16,5 Punkte hat es aber immerhin gelangt.
11. Brunello Tenuta Nuova 2003, Casanova di Neri, 14,5 %
Der 2003 geborene Casanova polarisiert:
die einen bemängeln seine undifferenzierte Frucht
und finden nur wenig Charakter, die anderen loben gerade die prägnante Kirschfrucht und
die ausgeprägte Mineralität.
Unbestritten war, dass der 03er etwas breit und alkoholisch
auftritt und in jedem Fall zu jung ist - sozusagen ein Muskelprotz in den Flegeljahren,
der die wahre Verführungskunst noch lernen muss.
15,5 bis 16,5 Punkte.
12. Brunello 2003, Casanova di Neri, 14 %
Im Gegensatz zu dem Tenuto Nuova wird der "normale" Brunello der Kellerei ganz
traditionell im großen Holzfass ausgebaut.
Im Jahr 2003 führte das zu einer deutlich
geringeren Komplexibilität.
Der Wein ist leicht, weich, nicht allzu lang.
Die hübsche
Fruchtsüße und die Kräuternoten verhalfen aber immerhin zu 14 bis 16 Punkten.
13. Brunello 2001, Argiano, 14 %
"Kraft trotz Eleganz": Das war ein Kernsatz bei der Beurteilung dieses 01er, der mit
seinen weichen Tanninen schon sehr gut trinkbar, ja fast reif wirkte.
Mokka,
Fleischextrakt, Mineralität, Würze und Fruchtsüße gingen hier eine harmonische
Verbindung ein, die allgemein gefiel - trotz des etwas alkoholischen Abgangs.
16 bis 16,5 Punkte waren eine sehr einheitliche Bewertung und ein guter Start
in den kommenden Argiano-Flight.
14. Brunello 1985, Argiano, 14 %
Schon in der Nase ausgeprägte, aber sehr angenehme Reifetöne.
Im Mund wieder Gewürz
und Fleischextrakt, dazu Marzipan und Sherry.
Etwas reduzierte Frucht, dafür
interessante Sekundäraromen. Etwas austrocknend im Abgang.
Für das Alter aber
noch verblüffend lebendig. Sollte allerdings getrunken werden.
15 bis 16 Punkte.
15. Brunello Riserva 1980, Argiano, 13 %
Elegant und rund kommt er anfangs daher, aber mit zunehmender Luft wird klar,
dass der 80er kein aufregender Verführer mehr ist.
Todessüße, über den Punkt,
hinüber, so die Kommentare.
Nicht untrinkbar, aber doch ein Fall von schleichender
Impotenz.
Gerade noch 13,5 bis 14,5 Punkte.
16. Brunello 1977, Argiano, 13 %
Wo hat Iris nur die alten Argianos aufgetrieben?
Interessant - und besser als
der 80er - ist dieser hier auf jeden Fall.
Relative Frische und eine lebhafte
Säure sind erhalten geblieben, die Frucht ist allerdings reduziert und der Körper
zum guten Teil weg.
Liebhaber von Altweinen finden aber immer noch schöne Reifenoten.
14 bis 14,5 Punkte sind für diesen Brunello kurz vor der Rente noch ein ordentliches Resultat.
17. Brunello Riserva 1979, Argiano
Kork!
Schade, machte noch einen vielversprechenden Eindruck.
18. Brunello 2001, Il Poggione, 14 %
Da wir uns auf 17 Weine geeinigt hatten musste ein Ersatz her - und der ist
im Keller unseres Frischmarktes ja nicht schwer zu finden.
Wirkt anfangs ein
wenig alkoholisch, zeigt dann aber, was er kann:
schöne Fruchtsüße, rund, einfach
lecker.
Die Flasche war schnell getrunken.
Und alle waren sich einig: Das ist ein
richtiger "Loverboy".
Fazit:
Nicht alles, was serviert wurde, war wirklich verführerisch.
Es waren Blender
dabei und auch Langweiler - eben wie im richtigen Leben.
Und für ihre Dienste war das
Honorar bei einigen Seelentröstern doch entschieden zu hoch, meint
Wolfgang