Rotweine Siziliens
zusammengestellt von Bernd Handschuh



Protokoll: Dominik Ziller



Probiert wurde :

1. 2005er Terra delle Sirene von Zenner Do
2. 2004er Don Antonio aus dem Hause Morgante
3. 2002er Nerobufaleffi von Gulfi
4. 2002er Nerobaroni von Gulfi
5. 2000er Scyri von COS
6. 2001er Piano dei Cembali von Baglio die Pianetto
7. 1999er Mille e una notte von Donnafugata
8. 2002er Gerasuolo die Vittoria, Amphorenwein von COS
9. 2001er Tancredi von Donnafugata
10. 2001er Moscafratta Rosso von Agareno
11. 2001er Ceuso von Ceuso
12. 2001er Ribeca von Firrato
13. 2000er Noa von Cusumano
14. 2000er Rosso die Verzella von Benanti
15. 1998er Rovitello von Benanti
16. 2001er Burdese von Planeta
17. 2003er Corbello von Curatolo
18. 2001er Sole die Padri von Spadafora


Auf so gefährliches Terrain hat sich die Kölner Weinseilschaft selten begeben.
In diesem Monat bekamen wir es mit einer Organisation zu tun, die - zumindest laut Wikipedia - ihre Macht durch Erpressung, Gewalt und politische Einflussnahme zu festigen und auszubauen versucht.

"Das muss die KVB sein", tönt es aus der Nordkurve unserer Tafelrunde, wo die alteingesessenen Kölner hocken.
"Nee, RTL und das Dschungelcamp", fahren sofort die Medienprofis aus der Ostkurve dazwischen.
"Oder Roland Koch", schlägt die politisch engagierte Westkurve vor.
"Auf jeden Fall der Kölner Karneval", gibt schließlich die Nordkurve durchaus plausibel zu bedenken.

Falsch liegen sie alle, unser Gäste an diesem Abend waren viel harmloser als beispielsweise Sonja Zietlow, deren televisionäre Verbreitung nach mir vorliegenden Insiderinformationen aus dem Bundesjustizministerium demnächst unter das Kriegswaffenkontrollgesetz gestellt werden soll.
Bernd Handschuh hatte sich nämlich bereit erklärt, uns achtzehn Sizilianer vorzustellen. Natürlich war das ein "Angebot, das wir nicht ablehnen können", auch wenn allen klar war, dass da Mafia pur durch unsere Kehlen rinnen würde.
Immerhin gilt Sizilien als Wiege dieser "ehrenwerten" Gesellschaft, die längst auch in den anderen Regionen des italienischen Stiefels so tief verwurzelt ist, dass sich ausgewachsene Nationalspieler nicht mehr schämen, unter dem Namen Camorra-nesi aufzulaufen.
By the way - hat wirklich jemand geglaubt, dass die deutsche Nationalmannschaft bei großen Turnieren deswegen ausnahmslos gegen die Pizzakicker verliert, weil die Kohlenhydrate aus den vielen Nudeln zu überlegener Spielkunst verhelfen?
Nein, nein, da gibt es andere Gründe. Nicht umsonst führen selbst die italienischen Spielerfrauen ständig Stilettos mit sich, um ihren Argumenten Nachdruck zu verleihen.

A propos Frauen:
Die haben in der patriarchalischen Ordnung der Mafia keinen Platz. Der Zugang zur Hierarchie ist ihnen verwehrt. Insofern gilt für die Mafia wohl das, was auch für die DDR galt - es war/ist nicht alles schlecht.
Wohl deswegen hat der Kölner sich in der Vergangenheit bemüht, mafiöse Strukturen auch am Rhein anzusiedeln.
Ich denke nur an die Müll-Mafia um den Herrn Trinekens. Aber wie das in Köln so ist; nichts wird wirklich ernsthaft und mit System betrieben, außer dem Karneval vielleicht.
Und so ist auch der Herr Trinekens janz flück aufgeflogen, und der Kölner ganz schnell wieder vom Trinekens zum sehr viel vertrauteren kölnischen Imperativ Trink-ens! zurückgekehrt.

Und so hält es dann auch die Seilschaft.
Eigentlich wollten wir noch die schwierige Frage diskutieren, ob Sizilien nun eigentlich linksrheinisch oder gar rechtsrheinisch liege. Ehe wir aber Gefahr liefen, die Insel zur Schäl Sick zu rechnen und Vorurteile gegen die dortigen Weine und die ehrenwerte Gesellschaft aufzubauen, hatte Consigliere Egon schon die erste Flasche auf den Tisch gestellt:

1. 2005er Terra delle Sirene von Zenner Do,
ein reiner Nero d´Avola mit immerhin 14 Prozent Alkohol
In der Nase schöne kirschige Noten, dazu eine feine Würze, die ein wenig an Fleischextrakt erinnert.
Am Gaumen dominiert die Kirsche, untermalt von kräutrig-würzigen Aromen.
Noch recht jung, feine Säure, reichlich Tannin, das zum Glück sehr reif und überhaupt nicht grün wirkt.
Ordentliche Säure, abgepuffert von einer sehr schönen Süße, den hohen Alkohol merkt man nicht, gute Länge, sehr überzeugend.
Für rund 20 Euro ein prima Wein, der um die 15 Punkte aus der Runde bekam.

2. 2004er Don Antonio aus dem Hause Morgante,
ebenfalls ein reiner Nero d´Avola, ebenfalls 14 Umdrehungen
Nase sehr barriquelastig.
Auch am Gaumen erscheint der Wein "gemacht", zu international, zu geleckt, zu rund - er wirkt ein wenig wie eine Merlot aus der neuen Welt.
Mit Luft tritt das Holz in den Hintergrund, die kirschige Frucht kommt besser heraus.
Richtige Begeisterung bricht aber nicht aus.
Bis heute ist ja nicht ganz klar, woher die Mafia ihren Namen hat. Eine von unzähligen etymologischen Theorien verortet den Ursprung des Begriffs im Altsizilianischen, wo "mafiusu" arrogant, selbstsicher, schön bedeutete. So ein richtiger Blender, auf diesen Wein passte das auch.
14 Punkte gab es aus der Runde. 18 Euro sind da schon viel Geld.

3. 2002er Nerobufaleffi von Gulfi,
wiederum ein Nero d´Avola, 13,5 Prozent Alkohol.
Obwohl der Wein im sechsten Lebensjahr steht, wirkt er noch sehr jung. Vor allem das Holz ist noch sehr präsent, dazu in der Nase ein wenig schwarzer Tee.
So präsentiert er sich auch am Gaumen, wo ein Hauch Salbei hinzukommt.
Mit Luft entwickelt er sich immer besser. Das Tannin ist zwar noch recht kräftig, aber fein und reif, der hohen Säure steht eine kräftige Portion Fruchtsüße gegenüber, was den Wein sehr harmonisch wirken lässt.
Für mich bei 15 Punkten und gleichauf mit dem ersten Wein, allerdings mit 36 Euro schon heftig teuer.

4. 2002er Nerobaroni von Gulfi,
noch einmal Nero d´Avola, noch einmal 13,5 Prozent Alkohol
In der Nase etwas kräftiger als der Vorgänger und stilistisch deutlich anders, erinnert ein wenig an südfranzösische Syrah/Mourvedre-Cuvees.
Auch noch recht holzgeprägt.
Am Gaumen stärker auf der Fruchtsüße, für italienische Verhältnisse erstaunlich wenig Säure.
Recht rund, ein wenig trocknend, vielleicht nicht ganz so reifes Tannin? Aber sehr fein, vielschichtig und wunderbar lang!
Manche meinen ja, "Mafia" leite sich vom arabischen Verbum miafa "Schutz bieten" ab.
Das kann dieser Wein, er wärmt in den kalten sizilianischen Winternächsten und taut einen aus den Schneewächten des Aetna frei.
16 Punkte, 37 Euro.

5. 2000er Scyri von COS,
ein weiterer Nero d´Avola, 13,5 Prozent Alkohol
Die Nase strengt an! Schweißig, fast brettig, sonst ist da nicht viel.
Das setzt sich leider auch ein wenig am Gaumen fort, zum Glück aber begleitet von einer sehr schönen schwarzen Johannisbeere und einer unglaublichen Fruchtsüße.
Sehr lang, im Abgang aber recht schlank. Gewinnt mit Luft immer weiter und legt den Schweiß fast ganz ab.
Schon sehr reif.
14 Punkte, wenn man den Schweißton nicht zu negativ anrechnet. 25 Euro sind natürlich schon ein Wort.

6. 2001er Piano dei Cembali von Baglio die Pianetto,
Nero d´Avola, 14,5 Prozent Alkohol
Sehr holzbetonte Nase, das erschlägt die Frucht völlig.
Am Gaumen weniger holzdominiert, aber viel zu simpel für den starken Holzeinsatz.
Wirkt auf mich wie ein Pizzawein. Leider sind auch die Tannine etwas grün, was ihn etwas austrocknend werden lässt.
Nicht sehr schmeichelnd, eindimensional, wenig Süße, auch die Säure ist eher knapp.
24 Euro sind mir viel zu viel. 12 Punkte von mir, etwas mehr aus der Runde.

7. 1999er Mille e una notte von Donnafugata,
Nero d´Avola mit 14,5 Prozent
Wie das oft so ist - je toller und phantasievoller der Name, desto weniger spannend der Wein.
Wer kennt sie nicht die lieben Freunde aus Italien, die uns mit treuherzigem Augenaufschlag versichern:
"Dottore, iste gansse besondere Weine, hatte noch der Nonno gemachte. Verkaufe isch eigentlisch gar nischte, aber sind Sie so simpatico und so gute Kunde, dasse könne kaufe Sie ausnahmeweise eine Kiste zu sondere Preis von fünfeßig Euro."
Pro Flasche, versteht sich! Und dann investiert man dreihundert Euro für sechs Pullen, die zur Sicherheit alle Kork haben.
Wie dieser Wein aus dem Hause Donnafugata. Ob die Donna in die Flucht geschlagen wurde, ist mir nicht bekannt, wie gesagt, Frauen haben in der Mafia ohnehin nichts verloren.
Uns trieb das TCA hier jedenfalls dazu an, die Gläser schnell in die Spuckeimer zu leeren.

8. 2002er Gerasuolo die Vittoria, Amphorenwein von COS,
Cuvee aus Nero d´Avola und Frappato, 13 Prozent Alkohol
Lieber Leser, wenn Dir in Italien jemand Wein anbietet, den er in Amphoren ausgebaut hat, sei gewiss, es ist ein Angebot, dass Du ablehnen kannst.
Leider fehlte auf dieser Flasche ein Warnhinweis auf den darin lagernden chemischen Kampfstoff.
Der Winzer wird demnächst von unserem Seilschaftscapo Bernd maßangefertigte Betonschuhe verpasst bekommen und dann zu einem kleinen Badeausflug ins Mittelmeer geladen werden.
9,2 Punkte auf der nach unten offenen Ungarn-Skala der Kölner Seilschaft. 15 Euro, die man ebensogut an Tickets für die Volksverdummung bei "The next Uri Geller" hätte verschwenden können...

9. 2001er Tancredi von Donnafugata,
Cuvee aus Nero d´Avola und Cabernet Sauvignon, 13,5 Prozent Alkohol
Sehr würzige Nase, etwas Liebstöckel, am Gaumen schöne Süße, kraftige Fleischwürze, nur hinten macht er leider ein wenig zu und ist dann rapp-zapp weg.
Physiologisch vielleicht nicht ganz reif, deswegen nicht der extrakreichste.
Erinnert ein wenig an deutsche 2003er. Sehr kurz.
Einige Etymologen wollen die Wurzeln des Begriffs Mafia im Piemontesischen verortet wissen, wo "Mafiun" der Kleinwüchsige, der Kurze heißt.
Auf diesen Wein passt das jedenfalls wie der Kopfstoß auf den Mittelfeldspieler.
13,5 Punkte, 20 selbstbewusste Euro.

10. 2001er Moscafratta Rosso von Agareno,
Cuvee aus Nero d´Avola, Merlot und Cabernet Sauvignon, 13,5 Prozent Alkohol
Sehr kirschsaftige Nase, auch am Gaumen unglaublich fruchtig, sehr schöne Harmonie von Fruchtsüße, Säure und Alkohol, dabei aber recht eindimensional.
22 Euro sind schon ein Wort.
14 Punkte.

11. 2001er Ceuso von Ceuso,
Cuvee aus Nero d´Avola, Cabernet Sauvignon und Merlot, 14 Prozent Alkohol
In der Nase Holunder und etwas kräutrige Würze, am Gaumen sehr schöne Mineralik, kühle schwarze Frucht, recht üppig, schöne Kräuterwürze, gute Länge, dabei sehr elegant und nachhaltig.
15,75 Punkte, das Ganze gibt es für ein Schutzgeld von nur 17 Euro, ein gutes Geschäft.

12. 2001er Ribeca von Firrato,
Cuvee aus Nero d´Avola, Merlot und Cabernet Sauvignon, 15 Prozent Alkohol
Feine Nase, viel dunkle Frucht, am Gaumen kräftige Mineralik, Brombeeren, Heidelbeeren, rund, harmonisch, saftig und zugleich samtig, mit mehr Luft kommt eine immer kräftigere Fruchtsüße heraus, die den Gaumen fast streichelt.
Nur im Abgang ein wenig schlank.
Dennoch sticht der sehr hohe Alkohol zu keinem Zeitpunkt hervor.
15,5 Punkte, 20 Euro, den würden auch Falcones Erben gerne dingfest machen.

13. 2000er Noa von Cusumano,
Cuvee von Nero d´Avola, Cabernet Sauvignon und Merlot, 14,5 Prozent Alkohol
In der Nase zunächst ein kräftiger Schub von dieser Peperonikonfitüre, die man bei Olli Wirtz kaufen kann.
Mit Luft gibt sich das, dann geht es mehr in Richtung Fleischextrakt.
Am Gaumen eine leichte aber sehr angenehme Schärfe - Paprika, der Cabernet bringt sogar einen kleinen Hauch Pfeffer mit.
Sehr lang und voll, bleibt lange sehr differenziert.
Manche wollen den Begriff Mafia bekanntlich vom arabischen "Maha", die Höhle abgeleitet wissen. In diese Noa-Höhle würde ich mich gerne zurückziehen, der wärmt mindestens so sehr wie die Lieder der israelischen Sängerin gleichen Namens.
30 Euro Schutzgeld, immerhin, dafür aber auch der beste Wein der Probe, mit gut 16 Punkten.

14. 2000er Rosso die Verzella von Benanti,
Cuvee aus Nerello Mascalese und Nerello Cappuccio, 13,5 Prozent Alkohol
Eher knappe Nase von der mineralischen Fraktion.
Am Gaumen zwar harmonisch aber ebenfalls nicht der ausladendste, ziemlich eindimensional.
Erinnert ein wenig an Nebbiolo, viel Würze, dafür zurückhaltend in der Frucht.
Mittlere Länge.
14 Punkte.
Mit 10 Euro einer der günstigsten Sizilianer in unserer Probe. So einen leichteren Tropfen trinkt Lucky Luciano wenn seine Jungs mal keine Bank, sondern nur einen Zigarettenautomaten geknackt haben.

15. 1998er Rovitello von Benanti,
Cuvee aus Nerello Mascalese und Nerello Cappuccio, 13,5 Prozent Alkohol
Dem Vorgänger sehr ähnlich nur weniger mineralisch, bratenwürzigere Nase.
Gute, fleischige Würze auch am Gaumen, dazu eine erstaunliche Fruchtsüße, sehr gut gealtert, schöne Säure, harmonische Tannine, nur die Frucht ist schon ein wenig verblasst.
So erzielt er 14,75 Punkte, 17 Euro.

16. 2001er Burdese von Planeta,
70 Prozent Cabernet Sauvignon, 30 Prozent Cabernet Franc, 14,5 Prozent Alkohol (macht zusammen 114,5 Prozent!)
Kraftvolle schwarze Frucht in der Nase und am Gaumen.
Wunderbar harmonisch, elegant, jetzt optimal zu trinken, gute Länge.
Dennoch als reiner Cabernet nicht ganz so charaktervoll wie der Noa und deswegen für mich eine Spur darunter anzusiedeln.
Einige böse Zungen behaupten ja, M.A.F.I.A. sei eigentlich eine Abkürzung und bedeute "Morte Alla Francia Italia Anlea", also "Italien ersehnt sich den Tod/Untergang Frankreichs".
Mit diesem Wein wird sich das noch nicht machen lassen, das Potenzial der Cabernets kommt im Bordelais dann doch noch etwas besser zur Geltung.
25 Euro und 15,75 Punkte.

17. 2003er Corbello von Curatolo,
reiner Syrah, 13,5 Prozent Alkohol
Sehr wenig Nase.
Am Gaumen eher Brot und Butter-Wein als Albatrüffel.
Zwar rund und ausgewogen, auch recht kräftig, aber dann doch so eindimensional wie es der Preis von 8 Euro vermuten ließe.
Im Altflorentinischen heißt "Mafia" bekanntlich "Armut", das passt, denn so ein wenig blutleer kommt dieser Mafioso schon daher.
Dennoch 13,5 Punkte.

18. 2001er Sole die Padri von Spadafora,
reiner Syrah, 14,5 Prozent Alkohol
Nase und Gaumen sehr massiv, ein Wucht-Wein!
Sehr sättigend, weil druckvoll und sehr reich.
Viel Extrakt, fleischig und würzig, das auch extrem lang.
Mir fehlte allerdings etwas die Frucht und die Fruchtsüße, was ihn spätestens auf den dritten Schluck ein wenig anstrengend macht.
33 Euro sind natürlich auch schon eine Hausnummer.
Gut 15,5 Punkte ist er mir wert.

Fazit:
Sizilien hat oenologisch doch einiges mehr zu bieten, als den meisten von uns bewusst war.
Besonderer Dank gebührt Capo Bernd auch dafür, dass er die gereiften Weine aus seinem Keller angestellt hat, so dass wir uns ausschließlich mit Weinen im trinkreifen Stadium beschäftigen durften.
Das Gebiet Sizilien werden wir uns wohl bald wieder zu "unserer Sache" (italienisch "cosa nostra") machen müssen.
Immerhin meinen einige ja auch, den Begriff Mafia vom arabischen "Mahfil" ableiten zu können. Was nichts anderes als "Versammlung" heißt. Oder vielleicht gar Seilschaft?