Koelner Weinforum Protokoll: Roter Boden an der Mittelmosel -<br> Weine vom roten Boden zum blauen Schiefer

Roter Boden an der Mittelmosel -
Weine vom roten Boden zum blauen Schiefer
zusammengestellt von Wolfgang Martin



Protokoll: Wolfgang Martin




Probiert wurde :

1. 2005er Rivenicher Niederberg, Spätlese trocken, Mertes-Schönhofen
2. 2001er Schweicher Annaberg Spätlese trocken, Heinz Schmitt
3. 2002er Longuicher Maximiner Herrenberg, Kabinett halbtrocken, Heinz Schmitt
4. 2004er Erdener Treppchen Spätlese trocken, Mönchshof Eymael
5. 2005er Ürziger Würzgarten Alte Reben, QbA trocken, Dr. Loosen
6. 2004er Vom Roten Schiefer , QbA, Clemens Busch
7. 2005er Vom Roten Schiefer, QbA, Clemens Busch
8. 2005er Pündericher Marienburg "Fahrlay" (vom blauen Schiefer), Spätlese, Clemens Busch
9. 2005er Pündericher Marienburg "Falkenlay" (vom grauen Schiefer), Spätlese, Clemens Busch
10. 2005er Pündericher Marienburg "Weissenberg" (vom roten Schiefer), Spätlese, Clemens Busch
11. 2005er Ürziger Würzgarten Kabinett, J.J. Christoffel
12. 2005er Erdener Treppchen Kabinett, J.J. Christoffel
13. 2002er Ürziger Würzgarten, Spätlese Fuder 18, Alfred Merkelbach
14. 2002er Erdener Treppchen, Spätlese Fuder 22, Alfred Merkelbach
15. 2000er Schweicher Annaberg Spätlese, Heinz Schmitt
16. 2000er Longuicher Maximiner Herrenberg Spätlese, Heinz Schmitt
17. 2003er Rivenicher Niederberg Auslese, Mertes-Schönhofer
18. 1999er Rivenicher Niederberg Auslese, Mertes-Schönhofer
19. 1997er Klüsserather Bruderschaft Auslese (ohne Botrytis) , Heinz Schmitt
20. 1997er Klüsserather Bruderschaft Auslese (mit Botrytis), Heinz Schmitt
21. 2004er Erdener Prälät Auslese, Mönchshof Eymael
22. 2002er Ürziger Würzgarten Eiswein, Alfred Merkelbach
23. 2005er Schweicher Annaberg Beerenauslese, Heinz Schmitt
24. 2005er Longuicher Maximiner Herrenberg Beerenauslese, Heinz Schmitt


Von rotem und von blauem Schiefer - Ripuarier in den Katakomben Koelns


Außer uns Kölnern selber weiß das fast keiner, aber es ist so: der Kölner an sich ist kein Germane.
Weil hier nämlich einst die Eburonen wohnten und die Eburonen waren Kelten, also Gallier, also Franzosen. Und als quasi Franzosen waren sie natürlich feiner Lebensart und gut gemachter Speis und Trank sehr zugetan.

Als nun Cäsar meinte, Gallien erobern zu müssen, tat er das im Sommer. Der Winter war ihm viel zu kalt und den verbrachte er in Rom, während seine Truppen im eroberten Gallien 3 Winterlager beziehen mussten.
Natürlich mit der üblichen Verpflegung des römischen Heeres, die zumindest ab Zenturio aufwärts das Feiern manch gehaltvoller Orgie am Wochenende und auch sonst langem Winterabend möglich machte.

Eines dieser Lager lag gerade bei Monschau übern Berg in den belgischen Ardennen.
Als unsere Eburonen am Wilden Mann zum Schlittenfahren Winterurlaub machten und in unmittelbarer Nachbarschaft der schmatzenden und schlemmenden Römer Gewahr wurden, mussten sie diesen natürlich einen Höflichkeitsbesuch abstatten, was beinahe zur vollständigen Vernichtung dieses Lagers führte.
Insbesonders war aber die Speisekammer der Lagerkommandatur nach dem Besuch arg in Mitleidenschaft gezogen.

Alle Wege führten nach Rom in diesen Tagen, aber die Wege waren staubig und trocken.
Als Cäsar nun im Frühling wieder zum Kriegspielen in Gallien eintraf, hatte er, was auch der Kölner an sich am meisten fürchtet - jroßen Doosch.
Weil durch den oben geschilderten Besuch unserer rheinischen Vorfahren nun aber der Weinkeller des Lagers bis auf die letzte Flasche geplündert war, packte ihn eine furchtbare Wut (furor teutonicus) und er zog dorthin, wo einst der Dom seine Türme in den Himmel strecken würde, erschlug sämtliche Mannsbilder und führte die Weiber und Kinder in die Sklaverei.

Nur die Flaschen, die er eigentlich suchte, hat er nicht gefunden.
Es geht die Sage, dass der Weinkeller des Cativolcus, eines der beiden Anführer beim Sturm auf das Winterlager, noch immer im Vorgebirge vergraben liegt. Wir glauben das aber nicht, weil sein Kumpel Ambiorix dem Gemetzel Cäsars entkommen konnte und sich aller Wahrscheinlichkeit nach später in London als Weinhändler selbstständig gemacht und dabei die Bestände seines geschlachteten Freundes mit versilbert hat.
Auf alle Fälle sind alle Grabungen Kölner Seilschafter nach dem sagenhaften Keller nicht fündig geworden und so denken wir, dass Ambiorix wirklich der Gründer von Christié´s war und seine Tochter Sosebine sich später ebenfalls selbstständig machte.

Auch wenn Cäsar die Eburonen fälschlicherweise als Germanen bezeichnete und Köln ab Domitian als Hauptstadt der römischen Provinz Germania Inferior firmierte, müssen wir doch festhalten, dass unsere schöne Stadt auf menschenleerem keltischen Gebiet gegründet wurde.
Es war erst Vipsanius Agrippa, der 16 Jahre nach dem Cäsareischen Gemetzel den - nun wirklich - germanischen Stamm der Ubier in das menschenleere Gebiet führte und dort das oppidum ubiorum zusammen mit einem römischen Zwei-Legionenlager (1. und 20. Legion) sowie der kaiserlich-römischen Rheinschifffahrtsgesellschaft ziemlich genau da gründete, wo später die Heiligen Drei Könige ihre letzte Ruhestätte finden und die Kölner Seilschaft manch gute Flasche ihrer letztendlichen Bestimmung zuführen würden.

Franzosen, Ostdeutsche (aus Neuwied) und das Völkergemisch des cäsareischen Heeres und der augustinischen Marine gründeten unsere Stadt. Als die Enkelin von Vipsanius Agrippa schließlich Köln zur Colonia ausrufen ließ (also ein Ort für römische Rentner - sowas wie Mallorca heute, nur dass es keine Eburonen mehr gab, die sich darüber hätten beschweren können) - war der Stammbaum von uns Kölschen besiegelt:
Der Kölner an sich ist kein Germane, sondern von Anfang an - ein Immi !

Die Germanen wohnten wie auch heute überwiegend auf der schäl sick - auf der anderen Seite vom Rhein.
Man zog nach Köln, wenn man gut müffele und gut süffele wollte, damals wie heute. Denn die Römer brachten alles mit, was die Germanen nicht hatten , und was die Römer nicht hatten, übernahmen sie von den Galliern - haute couture, haute cuisine und haut brion, die Römer brachten es an den Rhein.
Und an die Mosel brachten sie vitis vinifera, die Edelreben, die dort so gut gediehen, dass Ambiorix Zeltinger Sonnenuhr auf die Weinkarte der britannischen Provinzpräfektin unterbringen konnte und die Weine eines Müllers von der Saar (Egon -XXV) Jahr für Jahr Rekordpreise erzielten.

Die Germanen indes teilten sich in zwei Lager - einerseits die Schlaumeier wie unsere Ubier, die schnell den Vorzügen von Gucchi, Gnocchi und Sassiscaia erlagen und es sich in der Colonia Claudia Ara Agrippinensis gut gehen ließen.
Sie hatten begriffen, dass Tierhäute viel besser zum Handtäschchen geeignet sind als um den Po geschlungen zu werden. Sie verfeinerten ihren Geschmack aufs höchste und konnten bald ihre römischen Lehrmeister mit eigenständigen Gerichten begeistern, indem sie etwa ausgediente Schlachtrösser eine Woche in Essig und Rotwein einlegten und dann auftischten, was bald dazu führte, dass der in Köln stationierte Legionär ein Fusssoldat und kein Reitersmann mehr war.
Als wenige hundert Jahre später die Reiterarmeen Attilas Europa überrannten, lernten sie in Köln den rheinischen Sauerbraten kennen, nahmen die Sitten der Besiegten an und wurden als Fußvolk auf den katalaunischen Feldern kurz hinter der Domstadt vom tapferen Aetius vernichtend geschlagen.

Desweiteren gelang dem Völkergemisch in unserer Stadt auch manch raffinierte Verfeinerung der römichen Küche.
So brachten sie etwa die Treverer an der Mosel dazu, einen besonders leichten Wein mit dienender Restsüße und belebender Säure zu keltern, der als Riesling Kabinett halbtrocken bald in allen Sternelokalen des Kaiserreiches zum Begleiter des römischen Klassikers schlechthin - Nachtigallenzungen an Safranfäden - reüssierte.

Der andere Zweig der Germanen dagegen blieb uneinsichtig, wohnte weiterhin in dunklen Wäldern, trank Wasser aus sumpfigen Lachen, verzehrte verkochten Emmertbrei in den Sonntags ein Auerochsenhuf mit gegart wurde und genoss als schönsten Zeitvertreib eine ausgewachsene Prügelei.
So etwa 9 nach Christus, als sie hinter dem Teutoburger Wald den Varus massakrierten anstatt mit ihm eine Blindprobe von Spätburgunder gegen Sangiovese zu organisieren.

Aber - welcher Barbar kann auf die Dauer den Gerüchen einer guten Küche widerstehen?
Schon bei der Hochzeit unserer Agrippina mit Domitius Ahenobarbus - der gesegneten Ehe, der Söhnchen Nero entsprang, der später Rom mit einem Pizzaofen verwechseln sollte - breiteten sich die Wohlgerüche des Buffets und das Klingen der Diatret-Gläser weit ins rechtsrheinische Barbarenland hinein.
Da der Wind in unseren Breiten meist von Westen weht und die Restaurants in der Colonia wegen des schönen Blicks bevorzugt an der Rheinfront lagen, zogen unter dem Germanicus die Düfte von gebratenem Giraffenhals, unter Traian der Geruch geräucherten Kuheuters, unter Postumus die Schwaden nubischer Elefantenschwanzsuppe gen Osten.

Zuerst in Vingst, dann auch in Buchforst, Kalk, Mülheim, Humbold-Gremberghoven und Porz bildeten Gruppen von Germanen, die in den Westwind schnüffelten und von besseren Welten träumten, ihre Siedlungen.
Da ihre Träume stets in Bergen von Schäl-, Schweine- und Lammrippchen endeten und sie schon damals gewisse Überheblichskeitsrituale pflegten, nannte man diese Bewohner der schäl Sick schließlich Ripuarier oder ripuarische Franken.

Nach genau 313 Jahren waren sie dann weichgekocht. Als der Leibkoch des Maximinius Singdrosselbrüstchen an getrüffelten Dinkelkernplätzchen servierte, stürzten sich die gremberghovener Ripuarier in den Rhein, um am Festmahl teilzunehmen.
Da sie auf eine geschlossene Gesellschaft trafen, zogen sie weiter an die Mosel und eroberten im Jahre 275 zum ersten Mal die Kaiserstadt Trier.
Seitdem gehörte es zum Ritual dieser Menschen, mindestens einmal im Jahr die ihnen gesetzten Grenzen zu überschreiten und den Limes zu überqueren.

Damit sie dabei nicht immer so furchtbar nass wurden, baute ihnen Kaiser Konstantin eine eigene Brücke über den Fluss und forderte sie auf, in Abendkleidung und gegen einige Sesterzen das linke Ufer zu einem gesitteten Restaurantbesuch zu nutzen.

Doch alle Versuche diese Barbaren zu zivilisieren schlugen fehl. 355 besetzte schließlich eine Gang aus Kalk den Domhügel und hinterließ in den anliegenden Weinläden einen reinen Scherbenhaufen.
Gennobaudes, Markomer und Sunno hießen die Schlingel von der schäl Sick, die immer wieder römische Rentner überfielen, kölsche Mädchen anmachten und kleinen Lateinschülern die Mailänder Designerklamotten auszogen.
Auch als Kaiser Julian persönlich den Missetätern die Ohren lang zog, Günther Arbogast den Markomer stante pede nach Vingst abschieben ließ, Otto Stilicho für jeden Brückenbenutzer eine biometrische Zeichnung seiner Kopfform anfertigen und in Ton brennen ließ, konnte der Vandalismus der Ripuarier nicht aufhalten werden.

Mordend , plündernd und brennend zogen sie durch die Germania Inferior. Sie ermordeten Weinhändler, weil sie zu wenig Sesterzen hatten, sie plünderten die Weinfachgeschäfte, weil sie Durst hatten.- alles Taten, die dem wahren Weinfreund zumindest gedanklich nicht ganz fremd sind.
Was sie wirklich unterschied von uns war das Brennen. Nicht zufrieden mit dem Dröhnfaktor des erbeuteten Weines, kippten sie Petrus in Scharzhofberger, Sassiscaia in Romanée Vivant, hielten den Kessel übers Feuer, fingen den Dampf auf und machten daraus, was ihrem Münsterländer Korn am nächsten kam: Weinbrand.

Dem Roland Aetius wäre es vielleicht noch gelungen, den Gang der Geschichte in kultiviertere Bahnen zu lenken, als er gesonderte Straflager für alle Jugendlichen mit rechtsrheinischem Migrationshintergrund vorschlug.
Damals war es nicht Frau Ypsilanti sondern Kaiser Valentinian, der ihm den Dolchstoß versetzte, kurz darauf selber umgebracht wurde, seine Frau Licinia Eudoxia an den 45 Tage Kaiser Petronius Maximus verlor und mit der Plünderung Roms durch den Vandalismus der Vandalen das Ende des weströmischen Reiches gekommen war.

Das wär uns Kölschen ja ziemlich egal gewesen, aber zwei Jahre später traf es im Jahr 457 auch uns - die Ripuarier besetzten unsere Stadt für immer.
Nun war es Childebert, der am Heumarkt die Vorräte von Fegers und Berts minimierte. Sigibert soff an einem Abend den Kölner Weinkeller leer, wonach er nie wieder gerade gehen konnte und als Sigibert der Lahme in die Stadtanalen einging.
Sein Sohn Chloderich trank sich im Kölner Weindepot den Mut für den Vatermord an und auch den Merowinger Chlodwig verschlug es nach der Erschlagung des Chloderichs in den Keller der Weinhandlung Les Amis.

Auch heute noch wird der Weinkonsum in unserer Stadt strikt von einem Ripuarier dominiert.
In den Katakomben unseres Frischmarktes regiert bei allen Seilschaftstreffen der Hein aus dem Münsterland, der nicht nur aufgrund seiner früher einmal blonden Haarpracht seine Abstammung von den Childe- und Sigiberts, den Hermanns und Gennobaudes nicht verbergen kann.
Im Laufe von 1500 Jahren ist es allerdings gelungen, dem Ripuarierstamm eine Tünche von Kultur zu verpassen. Die monatlichen Weintreffen beginnen als hochintelektuelle Degustationen und nehmen erst am Ende Ähnlichkeit mit den Trinkgewohnheiten der Chloderichs und Chlodwigs an.

Zu einem dieser Treffen war der Chronist beauftragt, dass zur Probe zu stellen, was die Römer als bestes dem Völkergemisch an Rhein und seinen Nebenflüssen vererbt hatten - den Saft der vitis vinifera in seiner edelsten Form, den Riesling.

Die Nachtigallenzungenpastete der Orgie vom vorletzten Wochenende noch am Gaumen, entschied sich der Chronist für die Region direkt hinter der Augusta Treverorum, wo auf mancherlei Schiefergestein die feinsten und vornehmsten Exemplare dieser Spezies zu finden sind, so zart wie die Wangen der Kleopatra, so ätherisch leicht wie die Sandalen des Mercurius und so hintergründig komplex wie die Staatskunst des Diokletian, dem die Augusta Treverorum ihre Kaiserwürde verdankt.

Leider hatte der Chronist vergessen, dass er diese Probe einer Rotte von Ripuariern kredenzen sollte!

So stellte er denn den Weinen vom blauen Schiefer die Weine vom roten Schiefer gegenüber.
Während der blaue Schiefer das Anbaugebiet dominiert, kann man in nur 4 Lagen der Mittelmosel roten Schiefer finden.
Der Boden des Schweicher Annaberg besteht aus ausgewaschenem Tonschiefer, dessen hoher Eisenteil zu seiner Rotfärbung führt. Demgegenüber bestehen die Böden des Ürziger Würzgarten und des Rivenicher Niederbergs aus Rotliegendem, einer Mischung aus Windsedimenten, Tuff vulkanischer Herkunft und dem älteren Blau- und Grauschiefergestein.
Während der Ürziger Würzgarten eine der bekanntesten Lagen des Anbaugebiets ist, liegt Rivenich salmaufwärts einige Kilometer von Klüsserath an der Mosel entfernt in der Eifel und ist eher durch die Erfolglosigkeit seiner Bundesligatrainer als durch seine Weine bekannt.
Schließlich gibt es in Pünderich am äußersten Ende des Anbaugebiets die Marienburg, die Parzellen mit Grau- und Blauschiefer, aber eben auch mit Rotliegendem besitzt.

Der Chronist gedachte nun mit der Gegenüberstellung von Weinen aus diesen 4 Lagen gegen Weine aus ihrer unmittelbaren Nachbarlage mit dem vorherrschenden Blauschiefer eine olfaktorisch hochwissenschaftliche Diskussion über den Einfluss des Bodencharakters auf Blume, Bukett und sonstige Aromatik anzustoßen.
Weiterhin wollte er die schon zu Agrippinas Zeiten diskutierte Frage, ob die Rotschieferweine besser zu den Zungen der männlichen Nachtigallen (mit Safranfäden aus Marokko natürlich) passen während Blauschieferlagen besser die Zungen weiblicher Nachtigallen (mit Safranfäden aus Spanien) unterstützen, einer endgültigen Klärung zu zuführen.
Meist von gleichen Erzeugern wurden deshalb Weine vom Longuicher Maximiner Herrenberg, der Klüsserather Bruderschaft, dem Erdener Treppchen und eben den Blau- und Grauschieferparzellen der Pündericher Marienburg den Rotschieferlagen gegenübergestellt.

Nur wie gesagt - der Chronist hatte leider vergessen, dass die Katakomben von Köln seit 457 von Ripuariern besetzt sind. Hört selbst:

1. 2005er Rivenicher Niederberg, Spätlese trocken, Mertes-Schönhofen,
3,60 Euro
hellgelb. Rote Pfirsich und Blüten in der Nase; rote Früchte und ein Bitterton im Mund.
Für 3,60 Euro sehr o.k. aber kein großer Wein.
12,0 - 12,5 Punkte.

Die zivilisatorische Tünche der Ripuarier äußert sich in geziemender Höflichkeit.

2. 2001er Schweicher Annaberg Spätlese trocken, Heinz Schmitt,
9,- Euro
satte, hochfarbige Goldfarbe. Petrol und Pfirsich im Bukett.
Eine stramme Säure und Pfirsichtöne am Gaumen.
Für eine Mehrheit wird der Wein nur noch von Firne und Säure getragen. Eine Minderheit um den Chronisten findet den Wein noch lange nicht am Ende und attestiert Frucht unter einem straff gewirkten Wein.
So entweder unbewertbar oder mit 14,5 Punkte gewertet.

3. 2002er Longuicher Maximiner Herrenberg, Kabinett halbtrocken, Heinz Schmitt,
7,- Euro
gelbgoldene Farbe. Gummi, Restschwefel und gelbe Früchte werden für die Nase konstatiert, würzige Kräuter und Teenoten für den Geschmack.
Der Wein wirkt deutlich frischer als der Vorgänger, wozu sicher auch die Restsüße beiträgt.
Die Mehrheit bescheinigt dem Wein ein wenig Langeweile und vergibt 13,0 Punkte.
Der Chronist liegt bei 14,5 Punkten.

Wie gesagt, die Germanen teilen sich in zwei Lager!

4. 2004er Erdener Treppchen Spätlese trocken, Mönchshof Eymael,
11,80 Euro
gelbe Farbe. Gelbe Pfirsich in Nase und Mund, am Gaumen dazu würzige Kräuternoten und ein kleiner Bitterton.
Recht eleganter, mittelsaftiger Wein, dessen Kräuterton jedem gefällt.
Hat vielleicht noch die Bitternote aus 2003 (das Treppchen ist eine der flachgründigsten Lagen an der Mittelmosel und hatte 2003 extrem unter Trockenstress zu leiden).
13,5 - 14,5 Punkte

5. 2005er Ürziger Würzgarten Alte Reben, QbA trocken, Dr. Loosen,
19,- Euro
gelbe Farbe. Tee, Bergamotte, rote Pfirsich, Ananas und Aprikose im Bukett.
Teenoten und rote Pfirsiche am Gaumen.
Ein voller runder und dichter Wein, der allen gefällt.
Wertung 14,5 - 16,0 Punkte.

Der zweite Wein kann auch das Maul eines Ripuariers füllen.

6. 2004er Vom Roten Schiefer , QbA, Clemens Busch,
8,90 Euro
etwas hochfarbig gelbgolden. Attraktive rote Früchte in der Nase, zusammen mit gelben Früchten auch am Gaumen.
Halbtrocken im Geschmack. Üppig saftig und geschmeidig, rund und einfach lecker.
"Endlich ein Riesling". Schallt es aus der Runde.
Eine Minderheit wertet 14,0 - 14,5 Punkte, eine Mehrheit 15,5 - 16,0 Punkte, der Chronist mit 15,0 dazwischen.

7. 2005er Vom Roten Schiefer, QbA, Clemens Busch,
9,80 Euro
dichtes Gold. Attraktives Bukett nach Orangen und roten Früchten.
Üppiger roter Pfirsich am Gaumen. Halbtrocken im Geschmack.
Noch voller als der Vorgänger, rund und dicht.
Die Wahrnehmung der Probanden ist unterschiedlich: "klassische Schiefernase" bis "wenig Mineralik", aber einheitliche Wertung mit 15,5 - 16,5 Punkten.

8. 2005er Pündericher Marienburg "Fahrlay" (vom blauen Schiefer), Spätlese, Clemens Busch,
15,- Euro
Gelbgold mit grünen Reflexen. Attraktive Zitrusnoten und getoastetes Brot in der Nase.
Gelbe Pfirsich, Brotwürze und etwas Alkohol am Gaumen.
Halbtrockene Art. Noch recht jung polarisiert der Wein ein wenig: einigen ist er nicht lang genug und durch den Alkohol etwas breit angelegt (15,0 Punkte), andere loben die schöne Schiefernase und vergeben 16,0 Punkte.

9. 2005er Pündericher Marienburg "Falkenlay" (vom grauen Schiefer), Spätlese, Clemens Busch,
17,50 Euro
dichtes Gold. Etwas verhaltene Nase mit Zitrus und Nektarinenaromen.
Pfirsichschale, Alkohol und ein kleiner Bitterton im Mund.
Halbtrockene Art. Üppiger dichter Wein, der auf hohem Niveau polarisiert: zu breit, zu süß, gar "Gewürztraminer-Art" von den einen (14,5 - 15,0 Punkten), über den Chronisten (15,5 Punkte) und superspannende große Viskosität von den anderen (16,5-17,0 Punkten.

10. 2005er Pündericher Marienburg "Weissenberg" (vom roten Schiefer), Spätlese, Clemens Busch,
19,- Euro
Sattes wunderschönes Gold. Attraktive Noten vom roten Apfel und Orangen im Bukett, rote Nektarine und Orangen am Gaumen.
Geschmacklich an der oberen Grenze von Halbtrocken. Schön eingebundene Säuren, Eleganz und Delikatesse.
Ein schöner Stoff, wenn man die etwas süßliche Art mag.
Recht einheitliche 16,0 - 16,5 Punkte.

Das mögen Ripuarierzungen. Da ist Kraft und Fülle und einem echten Ripuarier ist es dann ziemlich egal, ob das dann mal blau, grau oder rot geschienen hat.
Für ihn ist viel wichtiger, dass der halb so teure Vom Roten Schiefer nicht weit hinter die 3 Spätlesen zurückfällt und deshalb flugs auf die neugermanisch sogenannte Best-Buy Liste gesetzt wird.

Nun wird es süß. Hatte sich der Chronist so ausgedacht, weil das eigentlich die berühmteren Weine der Region sind.
Leider hatte er vergessen, dass er eine Runde von Ripuariern vor sich hatte und süß an der Mosel auch immer geringer Alkoholgehalt heißt - sozusagen kalter Entzug für einen gerade aufgeheizten Ripuarier.

11. 2005er Ürziger Würzgarten Kabinett, J.J. Christoffel,
9,0% vol. Alk., 8,60 Euro
helles Gelb. Verhaltene rote Pfirsich in Nase und Mund, süffig und geschmeidig.
Klassischer Moselkabinett.
Die Mehrheit findet ihn eher langweilig (12,0-13,0 Punkte), eine Minderheit wertet wegen der feinen Art höher (14,0 Punkte).

12. 2005er Erdener Treppchen Kabinett, J.J. Christoffel,
8,60 Euro
strohgelb. Schwefel und Pfirsich in der Nase, gelbe Pfirsich am Gaumen.
Kohlensäure zeigt, dass der Wein noch jung ist. Die Süße dominiert.
Wegen der Schwefelnase 12,5 Punkte, später wohl 13,0 Punkte.

13. 2002er Ürziger Würzgarten, Spätlese Fuder 18, Alfred Merkelbach,
5,50 Euro
strohgelb. Streichhölzer und Pfirsich in der Nase.
Gelbe und rote Pfirsiche am Gaumen.
Von der Dichte her eine Spätlese alter Art (sprich: im Rahmen der gesetzlichen Oechsle-Grade).
Polarisiert: "stinkt wie Sau" (12,0 Punkte) gegen "typisch im alten Holz ausgebaut" (13,5 Punkte).

14. 2002er Erdener Treppchen, Spätlese Fuder 22, Alfred Merkelbach,
4,50 Euro
gelbe Farbe. Pfirsich und Petrolton im Bukett, gelbe Pfirsich im Mund.
Milde Säuren, süffig runde Art.
Die Mehrheit findet den Wein überaltert (11,0 Punkte), die Minderheit findet normale Alterungstöne (13,5 Punkte).

Nach diesen 4 Weinen wurde dem Chronisten endgültig klar, dass seit eintausendfünfhundert-einundfünzig Jahren die Colonia Agrippina von den Ripuariern besetzt ist.

15. 2000er Schweicher Annaberg Spätlese, Heinz Schmitt,
9,- Euro
Korken war durchnässt, säuerlicher Abgang, Flaschenfehler, keine Wertung.

16. 2000er Longuicher Maximiner Herrenberg Spätlese, Heinz Schmitt,
9,- Euro
sattes Gelbgold. Verhaltene Nase nach reifen gelben Früchten.
Gelbe Früchte auch am Gaumen. Der Wein ist reif.
Die Mehrheit findet den Wein zu alt und nur einen Tick besser als den fehlerhaften Vorgänger (12,5 Punkte), eine Minderheit wertet 13,0 - 14,0 Punkte, der Chronist 15,0 Punkte.
Alle bestätigen, dass der Wein von der in diesem schwierigen Jahrgang oft vorherrschenden Sauerfäule frei ist.

Allein unter Ripuariern !

17. 2003er Rivenicher Niederberg Auslese, Mertes-Schönhofer,
5,90 Euro
gelbe Farbe. Minze und etwas Petrol in der Nase.
Kräuter und Pfefferminze am Gaumen. Ein reifer, süffiger Wein, der für eine Auslese im gehobenen Segment allerdings nicht genügend Konzentration hat.
Wohlwollend wird angemerkt, dass der Wein keine der Unarten des Jahrgangs aufweist, vielleicht muss man in solchen Jahren wirklich auf die Nebentäler ausweichen.
Einheitliche 13,0 - 14,0 Punkte.

18. 1999er Rivenicher Niederberg Auslese, Mertes-Schönhofer,
5,90 Euro
gelb im Glas. Petrol und Minze in der Nase, Kräuter der deutschen Küche im Mund.
Eine Einzelmeinung lehnt den Wein als pharmazeutisch und platt ab.
Der Rest hält den Wein für etwas müde, aber für einen einfachen Moselwinzer sauber gemacht.
13,0 - 13,5 Punkte.

Schau an, die Eifel kann die Barbarenschar milde stimmen!

19. 1997er Klüsserather Bruderschaft Auslese (ohne Botrytis) , Heinz Schmitt,
Wein war geschenkt
hochfarbig Gold. Malz und Karamelltöne in Nase und Mund.
Wirkt etwas über den Zenit hinaus.
Die Mehrheit kann mit dem Wein wenig anfangen (12,0 Punkte), die Minderheit vergibt 13,0 - 13,5, der Chronist 14,5 Punkte.

20. 1997er Klüsserather Bruderschaft Auslese (mit Botrytis), Heinz Schmitt,
Wein war geschenkt
sattes Gold.. Honig, Rosinen, Kräuter und Malz im Bukett.
Kräuter und Orangentöne am Gaumen.
Allgemein wird der Wein höher als sein Vorgänger eingeschätzt, trotzdem kommen die Noten über 12,5 - 14,0 Punkte nicht hinaus. Mit Ausnahme des Chronisten natürlich, der 15,0 Punkte vergibt.

Trotz des teutonischen Namens, dieser Erzeuger hat es bei Ripuariern schwer.

21. 2004er Erdener Prälät Auslese, Mönchshof Eymael,
18,90 Euro
gelbe Farbe. Pfirsich in der Nase.
Rotgelbe Äpfel und roter Pfirsich im Mund.
Langer Nachhall, saftiger runder Wein.
"Endlich wieder ein Riesling" klang eine Meinung durch den Raum.
Einhellige 14,5 - 15,0 Punkte.

22. 2002er Ürziger Würzgarten Eiswein, Alfred Merkelbach,
halbe Flasche 15,00 Euro
gelbe Farbe. Pfirsich in Nase und Mund, dazu Zitrustöne am Gaumen.
Der Wein ist eher wie eine Auslese gestrickt, nur die Säuren sind eisweintypisch präsent.
13,5 - 14,5 Punkte.

Ripuarier wollen halt ein Maulvoll.

23. 2005er Schweicher Annaberg Beerenauslese, Heinz Schmitt,
halbe Flasche 15,- Euro (Listenpreis 25,- Euro)
gelbgolden im Glas. Ein leichtes Stinkerl und dann rote Frucht in der Nase.
Reife Pfirsich am Gaumen. Der Wein wirkt recht verschlossen.
Einer Mehrheit ist der Wein zu breit und besitzt zu wenig Säure (14,0 - 15,0 Punkte), die Minderheit lobt im Gegenteil Saft und milde lebendige Säure und wertet 15,0-16,0 Punkte.

24. 2005er Longuicher Maximiner Herrenberg Beerenauslese, Heinz Schmitt,
halbe Flasche 15,- Euro (Listenpreis 25,- Euro)
Brillantes Gold im Glas. Roter Pfirsich im attraktiven Bukett, gelber Pfirsich und Honig im langen Nachhall.
Vollsaftiger runder Wein, mit Delikatesse.
Der Wein wirkt entwickelter und offener als der Vorgänger.
Die Mehrheit wertet 15,5 Punkte, eine Minderheit hält für eine schöne, typische Beerenauslese 17,0 Punkte für angebracht.

Na, mit seinen jungen Weinen freundet sich auch eine Ripuarierschar so langsam an und der Chronist bekommt den einen oder anderen Beistand.
Somit geht er doch ein wenig getröstet nach Hause.
Wobei die Ripuarierschar zum Ergebnis kommt, dass egal ob von roten oder blauen Schiefer der Wein hauptseitig einfach nur gut sein muss.
Im Kopf des Chronisten geht dagegen die Probe noch lange im Kreis herum und wird nicht unkommentiert bleiben dürfen,

meint Wolfgang


PS:
Nachtigallenzungen an Trauben-Beerenausleseconfit: soll die Bereicherung der römischen Cusina durch die eburonisch-ubische Küche demonstrieren.
Die Mengen sind für einen normalen Gang in der typisch ca. 28 - 30 gängigen Orgie bemessen und kann je nach der Feingliedrigkeit der anschließenden Lustknaben entweder direkt vor diesen ans Ende des Essensteils oder aber in den Vorspeisenteil an vierte oder fünfte Stelle gesetzt werden.

Man nehme pro Person ca. 30 ausgesuchte Zungen vorzugsweise von männlichen Vögeln, die vom Metzger ihres Vertrauens sorgfältig auch von den kleinen Häutchen befreit worden sind. (sollte man nur Zungen von weiblichen Vögeln bekommen, achte man darauf, dass die Tiere noch recht jung sind, damit die Muskeln der Organe vom ständigen Schwätzen noch nicht so ausgeleiert sind).
Die Zungen werden kurz in ein Lager von feingestoßenem Fleur de Sel gewendet und dort ca. 10 Minuten gepökelt.
Das überflüssige Salz wird mit trockenem Riesling abgewaschen. Die Zungen werden benetzt weitere 10 Minuten der Luft ausgesetzt, bevor sie mit einem Tuch sorgfältig trockengetupft werden.
Danach werden die Zungen nebeneinander in ein Sieb gelegt und mit je einem Safranfaden belegt.

Man nehme die Reste der Vögel, hacke besonders die Markknochen klein und koche mit Lorbeerblatt, gestoßenem schwarzen Pfeffer und drei Wacholderbeeren eine kräftige Brühe.
Man streiche die Brühe durch ein Sieb und bringe sie erneut zum Kochen.
Gleichzeitig wird in einer schweren gußeisernen Pfanne bestes Olivenöl erhitzt.
Nun werden den Nachtigallenzungen nacheinander erst das Olivenöl und dann die Brühe "gezeigt", d.h. das Sieb wird kurz über die Pfanne gehalten (am besten drei Mal ca. 3 Sekunden, um die Maillard´sche Reaktion in Gang zu setzen) und dann etwas länger (ca. 20 Sekunden) über der dampfenden Brühe gedämpft.

In der Zwischenzeit wird eine halbe Flasche Beerenauslese (am besten Scharzhofberger von Egon Müller) auf etwa ein Viertel des Volumens reduziert, wobei mit geringer Hitze darauf zu achten ist, dass dem Wein nur Wasser entzogen wird (Heißkonzentration) und er nicht karamellisiert.
Weintrauben werden halbiert (man rechnet eine halbe Weintraube pro 3 Zungen, also etwa 5 ganze pro Person) und entkernt.
Nun wird die Hitze unter der Weinreduktion verstärkt und die Trauben hineingegeben, wenn die Flüssigkeit anfängt zu karamellisieren.
Unter ständigem Umrühren werden die Trauben weichgekocht (ca. 2 Minuten) und heiß neben den fächerförmig drappierten Zungen auf vorgewärmten Tellern serviert.

Zum feinwürzigen Geschmack der Zungen passt perfekt eine gereifte Auslese vom Schweicher Annaberg von Heinz Schmitt, deren feinnuancierter Rotschieferton das Spiel von Würze (Safran), Kraft (Zungenfleisch) und Süße (Confit) widerspiegelt.

Ach so, ich vergaß: ich schreibe für Ripuarier…..