1985er Bordeaux
zusammengestellt von Dominik Ziller
Protokoll Wolfgang Martin



Diese Weine wurden verkostet :


1985er Château de la Rivière aus Fronsac
1985er Château Batailly, Pauillac 5eme Cru
1985er Lafite-Rothschild, Pauillac 1er Cru
1985er Mouton-Rothschild, Pauillac 1er Cru
1985er Pichon de Longueville Comtesse de Lalande, Pauillac 2eme Cru
1985er Latour, Pauillac 1er Cru
1985er Leoville-las-Cases, 2eme Cru
1985er Château Gloria, St. Julien Cru bourgeois
1985er Leoville-Barton, St. Julien 2eme Cru
1985er Ducru-Beaucaillou, St, Julien 2eme Cru
1985er Sociando Mallet, Haut Médoc
1985er Vega Sicilia Unico, Ribeira del Duero (Pirat)
1985er Cos d´Estournel, St. Estèphe 2eme Cru
1985er Canon la Gaffelière, Saint Emilion Grand Cru Classé
1985er Haut Brion, Pessac-Leognan 1er Cru
1985er Pavillon Rouge, Château Margaux, Margaux
1988er Rausan-Segla, Margaux 2eme Cru
1985er Palmer, Margaux 3eme Cru
1985er Château Margaux


Protokoll :

Trau keiner über 20 - Koeln gedenkt Chuck Berry mit Bordeaux


Wir wollen es ja nicht verschweigen. Wir können es wahrscheinlich auch nicht mehr verschweigen, denn dazu sind wir zu bekannt. Also wollen wir uns dazu bekennen: ein Großteil der Kölner Seilschaft ist ganz schön alt. Den Jahren nach zumindest und auch der Haarpracht nach, die sich bei unserem Hein schlagartig nach dem versehentlichen Genuß einer Flasche Ortega x Domina Auslese Rosé halbtrocken vom Strohgelbe ins Aschweiße wandelte.

Ja, wir sind alt geworden. Im Herzen aber jung geblieben! Wir können uns an unsere Jugend noch genau erinnern. Na ja, vielleicht nicht mehr daran, was wir da getrunken haben (eine Aufzählung würde die mail als off-topic erscheinen lassen).
Aber wie wir uns gefühlt haben: so WILD, so wie die Aromen eines guten Südfranzosen, nur marmeladig eigentlich nie.
Und Chuck Berry gehört. Und so RADIKAL - macht kaputt, was euch kaputt macht! Haben wir den Blauen Engel eben heruntergekippt und die Rothhändle einfach weggequalmt. Und vor allem:
TRAU KEINEM ÜBER DREIßIG !

Verfolgt man die Geschichte unseres heutigen Außenministers, so erkennt man, wie kurz die Umziehzeit vom Turnschuh zum Armani-Anzug und wie klein die Distanz vom Anti-Imperialisten an den mütterlichen Busen Margarete Albrights sein kann.
Der Schlingel, der... (Nur bei den Frauen ist er treu geblieben - sich: sweet little sixteen !)

Wir aber - die Kölner Seilschafter - sind nicht nur wild GEBLIEBEN, sondern noch viel radikaler GEWORDEN.
Nachdem Beethoven overgerollt und Bach nett verbrandenburgert war, nachdem nicht nur Robert und Freund Johannes sondern auch uns Clara Schumann abhanden gekommen ist (die einzig wirklich schlimme Gegebenheit bei der Einführung dieses neuen Bauingenieur-Geldes), haben sich unsere Trinkgesänge mit musique concrète beginnend (meist einem einfühlsamen "plopp") zu einer furiosen Melange in Anlehnung an Luigi Nono und Mauricio Kagel weiterentwickelt.
Wir Kinder von Mao und Coca-Cola haben weniger dem Mao (der uns einfach weggestorben ist) als vielmehr der Coca-Cola abgeschworen.
Vor allem aber - "Trau keinem über dreißig" haben wir resolut zu "TRAU KEINER ÜBER ZWANZIG!" weiterentwickelt.

Wobei es dabei natürlich gewisse Unterschiede in der Rigorosität gibt. Während der Herr der Katakomben beispielsweise hier den linksextremen Flügel vertritt, wird der Chronist des öfteren doch mit ältlichen Damen ertappt, die er allerdings immer misstrauisch beschnüffelt und beleckt, bevor er sie zu Tisch geleitet.
So war klar, dass sich der harte Kern der Seilschaft vor Weihnachten zur 68er Probe (kostete 68 Euro) treffen würde und dass dabei keine Flasche über zwanzig Jahre alt sein durfte.
Andererseits zählen wir aber auch einen Angestellten der Regierung zu unserer Truppe und dieser warnte uns vor der Einführung des Mann Acts, den Otto Schily gerade vorbereitet und der in der Förderalismus-Kommission verhandelt werden soll.

Das sagt den jungen Hüpfern natürlich gar nichts und darauf setzt unser Innenminister ja auch.
Woher sollten die fleischgewordenen Popperlocken Kuch, Pulff und Dauerwelle auch die Vita von Chuck Berry und Charlie Chaplin kennen. Also für alle unsere Nachkommen und jungen Ministerpräsidenten:

Der Mann Act wurde 1910 in den USA erfunden, um den Föderalismus auszuschalten ohne ihn abschaffen zu müssen. Was die Moral minderjähriger Mädchen anging zumindest.
Da die Definition von Mißbrauch, sexuellen Handlungen, Verführung, Minderjährigkeit, Moral und Mädchen Ländersache war, wurde der Transport von Mädchen aus Bundesstaat A nach Bundesstaat B unter Strafe gestellt, wenn er zum Zwecke erfolgte, mit dem Mädchen im Bundesstaat B etwas zu machen, was dort erlaubt in A aber verboten war.
Das fiel dann unter die Transportgesetze und war damit Bundesrecht und durch das FBI zu verfolgen.
Welch eine Steilvorlage für Otto Schily, der auf diese Weise alle und jeden von seinem Bundeskriminalamt gewaltmonopolisieren lassen könnte, sobald dieser oder jener eine Bundesstraße oder Bundesautobahn benutzt!
Wegen Verkehrsdelikten sozusagen.

Einer der Angeklagten nach dem Mann Act war 1942 Charlie Chaplin, der die süße Jean Barry eben von einem Bundesstaat, wo etwas verboten war mit Jean Barry zu machen, in einen anderen Bundesstaat transportiert hatte, wo er in der schmutzigen Phantasie der männlichen Ankläger (deshalb Mann Act) etwas mit ihr vor hatte, dass sie auch gerne mit ihr gemacht hätten, aber das Kleingeld nicht aufbringen wollten, ihr dafür den Bus zu bezahlen.
Charlie Chaplin kam eben noch mit einem blauen Auge davon und konnte deshalb erst später als gefährlicher Kommunist vor dem McCarthy - Ausschuss fertig gemacht werden.

Schlechter erging es da unserem Chuck Berry. Als er seinen Song "Sweet little Sixteen" im Duckwalk über die Bühnen stahlsaitengitarrte, stahlen so viele süße Sechszehnjährige ihren Müttern das Haushaltsgeld und transportierten sich damit von allen möglichen Bundesstaaten in den Bundesstaat, wo Chuck gerade auftrat, dass alle Transportgesetze gänzlich außer Kraft gerieten.
Da in einem dieser Bundesstaaten auch das Abspielen von Musik als Verführung Minderjähriger gebrandmarkt wurde, musste natürlich das FBI einschreiten und Chuck wurde von einem Richter, dessen Frau Maybellene gerade davon gelaufen war, zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.
Er kam nur deshalb schon nach zwei Jahren wieder frei, weil er den Gefängnisdirektor - einen Freund klassischer Musik - durch unermüdliches Absingen seines Hits "Roll over Beethoven" an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte.

Wir alten Kommunisten und Rock´n Roller erkannten die Falle natürlich sofort und deshalb lautete die Devise: keine über zwanzig aber alle älter als sechszehn.
Da die siebzehnjährigen nicht ganz so viel taugten, die achtzehnjährigen nicht zu bezahlen waren, einigten wir uns also auf die neunzehnjährigen.
Womit wir auch noch ein gutes Werk beginnen - die werden ganz sicher keine zwanzig Jahre mehr !

Sweet little nineteen - wir tranken 1985er Bordeaux.

Beauftragt mit dem Zusammenführen der Probe wurde Dominik Ziller, da einer der jüngsten und gerade noch rüstig genug, volle Kisten mit Spinnweben umzuschichten um zu gucken, ob sich darunter noch irgendwelche 1985er verbergen.
Und Dominik wollte die Probe blind halten.
Nun sieht der Chronist seit einiger Zeit schon nicht mehr allzu gut - aber so doof ist er doch noch nicht.
Dominik und blinde Proben - das ist so, als würde Werner demnächst auf seinem Gut St. Antony Rebläuse an die wurzelechten Stecklinge setzen um so durch extreme Ertragsminimierung Trockenbeerenauslesen zu erzeugen.
Tetrapak-Weine und mit Rote-Beete-Saft eingefärbte Moselrieslinge wären das Mindeste, was man bei so einer Bordeaux-Blindprobe zu befürchten hätte.

Trau keinem über dreißig - und obwohl so jung und schön, hat unsere Reblaus doch auch diesen Wendepunkt des Lebens bei weitem überschritten.
Also ließ der Hein auf Betreiben des Chronisten den Ausrichter der Probe eine eidesstattliche Erklärung unterschreiben, dass er für alle geschmacklichen Defizite, Korkschmecker und untypische Alterungstöne (sollte der Wein also älter als 19 Jahre schmecken) persönlich haftbar zu machen sei.
Womit wir händereibend dachten, die Garantie für lauter 100 Punkte Weine eingekauft zu haben.

Was uns der studierte Winkeladvokat am Vorabend der Probe allerdings unter die Nase hielt, war ein Gutachten, dass nach EU- und preußischem Landrecht die Erwartung an hundert Punkte bei einer Flasche Wein ebenso unsittlich erklärte wie die Erwartung einer ähnlichen Leistung bei gewissen Damen, die für den baren Gegenwert dieser Leistung zwar zur Erbringung der Steuerlast, nicht aber zur Erbringung der Leistung selber verklagt werden können.
Wir einigten uns schließlich darauf, dass Plörre möglichst vermieden werden sollte.

Trau keinem über dreißig - und alle wie sie da saßen, ob Kernseilschafter oder Wiener oder Oberhausener, waren über die Dreißig.
Und nur eine Flasche von jeder Sorte.
Unser Hein startete den zweiten Versuch, dieses Problem technisch zu lösen.
Nach dem missglückten Versuch mit dem Jägermeisterglas im Jahr zuvor, hatte er diesmal zusammen mit dem Herrn der Katakomben ein unergründliches Wunderwerk der Schankkunst ausgegraben - einen Ausgießer, der nach genau 0,02 Litern Schluss macht.
Man kippt die Flasche, es läuft dunkelrot ins Glas - und hört dann einfach auf ! Total unanständig !! Man denkt das Schlimmste - die Flasche sei leer ! Furchtbar !! Man will die Flasche schütteln und traut sich nicht, weil man befürchtet, der Korken fliege heraus und dann - wusch -der ganze Flascheninhalt hinterher.
Nein - man muss die Flasche wieder gerade stellen und dann erneut herunterkippen. Wieder ergießt sich der feurige Strom ins Glas - und wieder hört er abrupt auf.
15 total verunsicherte Weinfreunde sahen sich an, lobten die mit dem Hin- und Herkippen erzielte gerechte Verteilung des Depots an alle und versicherten sich der größten gegenseitigen Nächstenliebe und Rücksichtsnahme so kurz vor dem Fest der Liebe, wenn nur dieses Monstrum wieder abgeschafft und die Flaschen wie gehabt einmal links und einmal rechts herum die Runde machen dürften.

Für Gerechtigkeit sorgte von ganz alleine die Blindprobe.
Denn wer will sich schon der Lächerlichkeit preisgeben, wenn er vom Tetrapak-Wein das Glas sich vollgeschüttet hat und es jetzt mit hochrotem Kopf entsorgen muß ?
Wer will andererseits vom 85er Petrus auch nur einen Tropfen zuwenig abbekommen haben ?
Also hilft nur genauestes Taxieren des Glasstandes auf die gerade genehmigte Menge.
Und siehe da, bis etwa zum 10. Wein hielten sich auch alle dran und erst dann musste ob der beginnenden Taxierungsschwierigkeiten der jeweils letzte bei den ersten kötten gehen, um seinen Kaffeesatz mit etwas Wein befeuchten zu dürfen.
Beatus est in medium sedat !

Ach ja, alle Flaschen kamen mit Alu-Ummantelung auf den Tisch; als Wärmedämmung vor den heißen Blicken der Probanden.
Nach jeder Probe wurde aufgedeckt, wenn die Punkte vergeben waren.
Außer der Reblaus, die manchmal aber auch den Überblick verlor über die eigene Probenreihenfolge, wussten so nur die Herren Parker und Gabriel, was sie da bewerteten.
Dafür durften sie aber nicht mittrinken, sondern konnten ihre Meinung nur im Kompendium äußern, dass nach dem Aufdecken für jeden Wein herumgereicht wurde.

Wir begannen mit dem Wein Nr.0, den Norbert Kreuzer mitgebracht hatte:

0. bräunliches Purpur. Kräftige, nicht unangenehme Nase nach alten Rosen und Pflaumen.
Süße Pflaumen am Gaumen, dazu Alterstöne, die zeigen, dass der Wein jetzt dringendst getrunken sein will.
Er hat aber noch Saft und Harmonie.
Die Runde vergibt 14,0 - 15,5 Punkte, wobei die Mehrheit bei 14,5 liegt.
Es war ein 1985er Château de la Rivière aus Fronsac

Nun der erste von der Reblaus angestellte Wein, also vermutlich ein Tetrapack

1. Feuriges Granatrot. Reiches Bukett nach schwarzen Beeren und Maggi (Liebstöckl).
Am Gaumen etwa die Reihenfolge: schwarze Beeren, Tannine, Kaffee. Vom Charakter Cabernet geprägt. Recht elegant und delikat, wenn auch nicht allzu komplex.
Einer vergibt nur 14,5 Punkte, der Rest ist mit H. Parker und H. Gabriel konform und vergibt 15,5 - 16,5 Punkte.
Es war der 1985er Château Batailly, Pauillac 5eme Cru.

2. Arg bräunliche Farbe, aber attraktive Nase nach Kräutern und Brombeeren.
Im Mund reif und nach schwarzen Beeren. Langer Nachhall, saftiger, runder Wein, elegant und mit einiger Tiefe.
15,0 - 16,5 Punkte, wobei die Mehrheit in der Mitte lag.
Es war der 1985er Lafite-Rothschild, Pauillac 1er Cru,
dem Parker auch nur 87 Punkte, Herr Gabriel aber 19 von 20 gegeben hatte.
Norbert suchte auf dem Etikett, ob Lafite auch wirklich mit nur einem "t" geschrieben wurde.

3. Bräunlich. Sehr kräftiges Bukett nach Pferdestall, schwarzen Beeren und verwelkten Rosen.
Schwarze Beeren, süße Tannine und Schokolade am Gaumen.
Langer Nachhall, Kraft und Fülle.
Eine Minderheit denkt, der Wein sei etwas über den Höhepunkt und wertet 14,5-15,5 Punkte. Die Mehrheit bescheinigt dem Wein Charme und noch etwas Entwicklungspotential und vergibt 16,5 Punkte.
Als Tipps gehen rum: Cos, Las Cases, Latour, "alles nur kein Latour".
Die letzte Äußerung war die einzig richtige, aber auch der hätte das nicht gedacht:
1985er Mouton-Rothschild, Pauillac 1er Cru.
Bei Parker übrigens mit 90+ und bei Gabriel mit 19 Punkten bedacht.

4. Dichtes Granatrot. Schwarze Beeren, Kaffee und etwas Uhu-Klebstoff in der Nase.
Am Mund nur die Beeren und der Kaffee. Ein saftiger runder Wein mit Charme und Delikatesse, den allerdings eine Minderheit zu einfach gestrickt sieht (15,5 Punkte).
Für die Mehrheit übertrifft er seinen Vorgänger: 16,0-17,0 Punkte.
Beim Aufdecken staunte der Chronist, der sich auf die Minderheitenseite geschlagen hatte, Bauklötze, kam doch hier eins seiner Lieblingschâteau zutage:
1985er Pichon de Longueville Comtesse de Lalande, Pauillac 2eme Cru,
Parker und Herrn Gabriel 90 bzw. 17 Punkte wert.

5. Purpurschwarz. Kräftige, aber irgendwie verschlossene Nase nach welken Blüten und Kräutern.
Paprika, Pfeffer, Tannine, Malz und ein Bitterton im Mund.
Cabernetbetont. Langer Abgang, aber nicht allzu harmonisch und nicht allzu komplex.
Die Runde wertet einheitlich zwischen 15,5 und 16,0 Punkten.
Und wieder erstaunte Blicke beim Aufdecken:
1985er Latour, Pauillac 1er Cru,
für den die nicht am Tisch befindlichen Weinfreunde aus Maryland und der Schweiz einst 88 bzw. 18 Punkte notierten.
Wir fragen uns, ob wir den Wein nicht unterschätzen und er sich noch weiter entwickeln wird.

Das war es aus Pauillac. Das erstaunlichste wohl, wie gut der niedrig klassifizierte Batailly in diesem Jahr 1985 mit den Premier und Super-Deuxième mithalten konnte.

6. Sattes Granatrot. Reiches Bukett nach Pflaumenkompott und Schokolade.
Bitterschokolode und die Konfitüre schwarzer Beeren im Mund.
Noch Entwicklungpotential. Langer Nachhall, kernige Struktur, Tiefe, Eleganz und Kraft.
Bester Wein der Probe bisher: 16,5-17,5 Punkte
Aus St. Julien kam dieser vorläufige Siegerwein:
1985er Leoville-las-Cases, 2eme Cru
und den beiden bekannten Herren 94 bzw. 19 Punkte wert.

7. Bräunliches Rot, Malz und Stall in der Nase, aber nicht unangenehm.
Malz und rote Früchte am Gaumen.
Der Wein ist reif, nicht allzu voll und hat es gegen den großartigen Vorgänger sichtlich schwer:
einheitlich 14,0-14,5 Punkte
Der Klassenunterschied zum Vorgänger ist auch amtlich:
1985er Château Gloria, St. Julien Cru bourgeois
und Herrn Parker 86 Punkte, Herrn Gabriel 16 Punkte wert.

8. Granatrot mit Orangetönen. Kräftige Nase nach Minze.
Am Gaumen frische Cassis und Zitronenmelisse.
Eher schlank und elegant, aber dabei doch gehörige Kraft.
Nicht ganz so voll wie der Las Cases.
Die Runde vergibt 16,0-16,5 Punkte, eine kleine Minderheit auch 17,0 Punkte
Es war ein Verwandter des las Cases:
1985er Leoville-Barton, St. Julien 2eme Cru.
Die Reblaus hatte keine Zeit mehr gefunden, die Meinung unserer alpenländischen und überseeischen Spezialisten einzuholen, aber ein Anruf in Maryland
("Hi Bob", Hai Wulfgäng, "how do you do", fein änd ju, "me too. We´ve a problem Bob" sehr Ahr männi problemms in se wörld, "ha,ha, what do you think about 1985 Leoville?" Las Kas ? "No, Barton" ah Batong, nott äs gutt äs Las Kas, bat nott Bett, nein-ti-du peunts)
ergab weitgehende Übereinstimmung.

9. Sattes Granatrot. Paprika und Rauch in der Nase,
Cassis und etwas harte Tannine am Gaumen.
Eher schlank, aber süffig rund und auch etwas Tiefe.
Fällt aber trotzdem gegenüber dem Vorgänger ab.
Einheitliche 14,5 - 15,0 Punkte.
Folgt man der Logik der bisherigen Probe, war klar, dass jetzt der
1985er Ducru-Beaucaillou, St, Julien 2eme Cru,
an der Reihe gewesen war.
Für alle Fans dieses Château aber eine kleine Enttäuschung, wobei Parker 92 und Gabriel 18 Punkte vergeben hatten.

Saint Julien hält auf dieser Probe der 1985er mit Pauillac mit, was den Leovilles zu danken ist. Diese sind in der Entwicklung eher langlebiger als die Pauillacs.

Nach diesen zwei wohlstrukturierten Runden der beiden Appellationen Pauillac und Saint Julien mit allen der meistbekannten Weinen und jeweils 1 Außenseiter dazu, sollte jetzt ein Sammelsurium von Weinen kommen, die bei den Probanden mal mehr und mal weniger Freude auslösten.
Das war uns natürlich zum Zeitpunkt der Probe noch nicht so bekannt, wie es jetzt durch die Chronik der verehrten Leserschar im Voraus verraten wird.

10. Sattes Granat. Reiches und auch komplexes Bukett nach Brombeere, Schlehe und Kaffee.
Am Gaumen Cassis und Kaffeesatz.
Noch nicht ganz am Ende seiner Entwicklung. Lebendige Säuren, runder und eleganter Wein mit Tiefe.
Die Minderheit bemängelt zuviel Säure, aber der Mehrheit gefällt es und die ganze Runde vergibt 15,5 - 16,5 Punkte.
Ab 1990 war dieses Gut bekannt dafür, trotz seinem Status als Cru bourgeois unter der ersten und zweiten Gewächsen mitmischen zu können.
Dieser Wein zeigt, dass es das auch schon früher konnte:
1985er Sociando Mallet, Haut Médoc.
90 Punkte bei Parker und nur 16 bei Herrn Gabriel.

11. Granatrot mit orange Reflexen.
Die Nase wird durch "frische Zigarettenpackung" gut beschrieben.
Im Mund Cassis und Rumtopf oder wie Mon Cherie mit Wein statt Kirsche.
Noch Entwicklungspotential.
Langer Abgang, viel Harmonie. Eleganz und Delikatesse, Saft und Tiefe. Die Runde zeigt sich etwas irritiert und die Zahlen 16,0 / 16,5 / 17,0 / 18,0 und 18,5 tauchen auf.
Auf eins hat sich die Irritation allerdings nicht bezogen:
keiner zweifelte hier, einen Bordeaux vor sich zu haben.
Es war aber keiner, nur aus 1985 war dieser Pirat:
Vega Sicilia Unico, Ribeira del Duero,
der Parker einst 93 Punkte wert war.

12. Sattes Granatrot. Kräftige Nase nach Pferd, Teer und schwarzen Beeren.
Tabak, schwarze Beeren und Paprika am Gaumen.
Mit noch jungen Tanninen ist der Wein noch nicht ganz abgerundet und wirkt recht jung.
Alle werten einheitlich 16,0 Punkte. Dieser Wein war unseren Spezialisten 92 bzw. 18 Punkte wert. Es war der
1985er Cos d´Estournel, St. Estèphe 2eme Cru.

13. Bräunliches Purpur. Kräftige Aromen nach Pferd und nassem Laub.
Im Mund findet sich altes moderndes Holz und Malz.
Der runde Wein wirkt für alle etwas fortgeschritten, aber beileibe nicht tot.
14,5 - 15,0 Punkte.
Ein halber Pirat, weil vom anderen Ufer :
1985er Canon la Gaffelière, Saint Emilion Grand Cru Classé.
Von Parker mit 85, von Gabriel mit 15 Punkten bedacht.

14. Sattes Granatrot. Die Nase erinnert an rohes Wildfleisch.
Im Mund ist ein chemischer Ton wie Deckweiß.
Der Körper nur von mittlerer Statur, der Wein ohne viele Nuancen und auch nicht sehr harmonisch.
Die einhellige Meinung: kein kleiner Wein, aber er macht überhaupt keinen Spaß.
Die Runde wertet 11,0 / 12,5 und 14,0 Punkte. Nur der Chronist lässt gnädige 14,5 gelten.
Beim Aufdecken herrschte blankes Entsetzen:
1985er Haut Brion, Pessac-Leognan 1er Cru,
von Parker und Gabriel mit 95 bzw. 19 Punkten unter die besten 95er gezählt.
Das konnte nicht sein.
Das Etikett war total verblichen und deshalb liegt der Verdacht auf unsachgemäße Lagerung nahe (Schaufenster?)
(C&D-Wein, die der Reblaus diesen Wein über ebay verkauft haben, haben sich nach Kenntnisnahme der Verkostungsnotizen zu einer Gutschrift über diesen Wein bereit erklärt, weil auch da keiner dem Haut Brion einen solchen Verfall zutraut).
Klar natürlich auch, dass der Chronist am höchsten punktete, war er doch schon auf dem Großen Treffen in Auel durch die Weigerung aufgefallen, dem 83er des gleichen Gutes die Trinkbarkeit abzusprechen.

Das war also dies und das mit einem tollen Sociando, einem erstaunlichen Piraten aus Spanien, einem schönen Cos und dem Niederschlag beim Haut Brion.
Jetzt sollte es wieder geordneter zugehen:

15. Granatrot, recht opak. Reicher Duft nach schwarzen Beeren, Kaffee und Teer.
Am Mund Johannisbeere und Kaffeearomen.
Langer Abgang, viel Eleganz und Delikatesse, harmonischer Wein mit Tiefe.
Der Wein ist noch nicht am Ende seiner Entwicklung.
Die Runde ist sehr angetan und vergibt 17,0 - 18,0 Punkte.
Es blieb ja nicht mehr viel übrig, aber auch so wären vielleicht viele auf Margaux gekommen.
Wobei die Mehrheit auch auf Château Margaux getippt hätte.
Stimmte auch, aber es war der Zweitwein ! Sicher die Überraschung des Tages !
1985er Pavillon Rouge, Château Margaux, Margaux (ohne Klassifizierung).
Herr Gabriel gab diesem Wein mal 15 Punkte und hält ihn für tot.
Falls er noch Bestände hat, werden wir sie ihm abkaufen.

Zum nächsten Wein ist eine Geschichte zu erzählen. Von der Reblaus. Aber einer sehr jungen Reblaus - sweet little sixteen oder so ähnlich.
Auf alle Fälle als Erstsemester in München und wohl noch keinen Führerschein. Er fuhr Straßenbahn.
Und hörte von diesem Wein, der beim Vorgänger vom Mövenpiek verkauft wurde. Und wollte diesen Wein. Er fuhr Straßenbahn.
Und kaufte eine ganze Kiste dieses Weins. Und fuhr Straßenbahn.
Nun kann sich jeder vorstellen, der wie ich jeden Tag KVB und Rheinbahn fährt, wie befremdlich es ist, wenn gegenüber auf dem Sitz eine Reblaus sitzt (irgendwie fängt man sich sofort an zu jucken).
Noch befremdlicher aber, wenn diese Reblaus 12 Flaschen Wein in den Händen hält und somit von nicht ganz weinerfahrenen Menschen als Penner identifiziert wird.
Könnte also Läuse haben. Womit wir dann eine Reblaus hätten, die Läuse haben könnte. Klar, dass ihr die Reaktion der Leute im Gedächtnis haften blieb....
Aber wir wollen sehen, was die Reblaus da damals in der Straßenbahn aus der OHK genommen und gesüffelt hat:

16. Dichtes Purpur. Attraktive Nase nach Karamell und dunklen Früchten.
Im Mund erst recht schlanksaftig um dann den Rachenraum mit Karamell zu füllen.
Voller Wein mit langem Abgang. Finesse und Harmonie, Eleganz reif.
Für die meisten der beste Wein des Abends: 17,5 - 18,5 Punkte.
Die Rotweinflecken auf den Sitzbezügen dieser einen Münchener Straßenbahn stammen übrigens von einem Piraten, weil nicht 1985:
1988er Rausan-Segla, Margaux 2eme Cru,
dem Parker 91 und Gabriel 18 Punkte gab.

17. Bräunliches Purpurrot. Dieselöl und Pferd in der Nase, aber nicht unangenehm.
Viel Fruchtsüße, schwarze Beeren und Malz am Gaumen.
Weiche, aber präsente Tannine. Langer Nachhall, Fülle und Harmonie.
Die Runde wertet nach dem Vorgänger sehr unterschiedlich zwischen 14,5 ( Einzelmeinung), 16,0-17,5 Punkte.
Es war dies:
1985er Palmer, Margaux 3eme Cru,
der von den Schreiberlingen 88 bzw. 19 Punkte erhalten hatte.

18. Sattes Granatrot. Schwarze Beeren in der Nase, Cassis im Mund.
Reifer Wein mit langem Nachhall. Nicht allzu voll, aber dicht und elegant.
Viel Harmonie und Delikatesse.
Die Runde vergibt recht einheitlich 17,0 - 17,5 Punkte.
Und hier war es der große,
1985er Château Margaux persönlich,
der hinter seinen kleinen Bruder fast zurücktreten musste, obwohl doch Parker (95 Punkte) und Gabriel (19 Punkte) ihn soweit größer sahen.

Eighteen times nineteen - das sind die Punkte für die Zusammenstellung der Probe mit dem Besten, was 1985 am linken Ufer zu erstehen war, die wir der Reblaus gaben.
Und keiner kann uns unter dem Mann Act anklagen:
zwar war es durchaus unsittlich, was wir den Flaschen antaten, aber minderjährig war keine mehr davon.
Pauillac hatte sogar schon ein paar Falten bekommen, während Margaux und St. Julien so gerade im richtigen Alter daherkamen.
Wobei den Rausan-Segla - den widmen wir Chuck Berry.
Und er ist ja noch nicht in Kraft, der deutsche Mann Act.
Sweet little Six-(Nine-)teen

schwärmt Wolfgang