Untermosel von Wolfgang Martin


In Chronos´ Fesseln - Untermoselprobe in der Domstadt

Romane müßte man schreiben können. Oder wenigstens Novellen, wie es unser Andreas macht. Nein - ausgewachsene Romane sollten es sein. Romane aller Art.
Science Fiction vom idealen Wein.
Den Liebesroman über den Clos de la Roche.
Die Lonesome-Raider-Saga über den ewig verschlossenen Montus.
Den Historienroman über die Mosel TBA aus meinem Geburtsjahr - vom jugendlichen Feuerwerk (Nero) zu dekadenter Fülle (Caligula) - genau wie ich.
Action-Thriller über die Piraten aus der Occetanie.
Entdeckerbeschreibungen über den Malbec aus Argentinien.
Familiengeschichten aus Margaux und Pauillac.
Mafia und Liebe in der Toscana - aber Commissario Brunetti bringt die Flasche Sassicaia aus Venedig zurück.
Sex and Crime in California, doch Lew Archer trinkt den 1982er Dominus alleine.
In Gärbottichen versoffene Winzer und in Pneumatikpressen zerdrückte Kellermeister - und der kulinarische Meisterdetektiv findet den neidischen Gastromörder beim Überraschungsmenü vor der Polizei - aber das gab es schon mal von unserem Seilschafter Carsten Henn.

Romane müßte man schreiben können. Oder vielleicht Novellen. Wenigstens eine kleine Kurzgeschichte ?
Doch nein - eisern hält Gott Chronos den Griffel fest, auf das nur geschrieben stehe, was zugetragen und geschehe.
In vinum veritas est, die Sinnsuche im Wein, verkürzt sich für den Chronisten auf die veritas vini, die önologische Wahrheit, die oft genug eine arg weinerliche Wahrheit ist.
Was er da aufschreiben muss, der Chronist: Weinbeschreibungen, die zum Weinen sind; Weinkommentare, wo sich sein Zahnfleisch wellt; Weinbewertungen, die daran zweifeln lassen, ob er im Schatten der Domtürme mit den homo sapiens degustiert oder nebenan in Düsseldorf mit dem homo neandertalensis gesoffen hat.
Da hilft nur: veritas in vinum - versenk die Wahrheit in ein weiteres Glas Wein. !

Es war noch nie angenehm, die Chronik zu schreiben und oft genug zogen die Chronisten den Zorn der Herrscher auf sich, die die Wahrheit nicht ertragen konnten.
So hat sich unsere Landeshauptstadt - nachdem sie sich schon mit Heinrich Heine schwer tat - bis heute nicht entschließen können, dem Tacitus ein Denkmal zu setzen, der da schrieb: "quis porro praeter periculum horridi et ignoti maris Asia aut Africa aut Italia relicta Dusseldorfiam peteret, informen terris, asperam caelo, tristem cultu aspectuque, nisi si patria sit ?"
Was heißt: "Wer hätte ferner, ganz abgesehen von den Gefahren des schaurig bewegten und unbekannten Meeres, Asien oder Afrika oder Italien den Rücken kehren und nach Düsseldorf ziehen wollen, das ohne Reiz im Aufbau seiner Landschaft und rauh im Klima, dessen Bearbeitungsmöglichkeit kümmerlich und dessen Gesamteindruck niederdrückend ist - es sei denn, es wäre seine Heimat ?"

Vom nachfolgenden konnte sich der aktuelle Chronist am vorigen Wochenende selber ein Bild machen.
Tacitus schreibt über den späten Abend in La Vinesse: "Affectatur praecipue asperitas soni et fractum murmur, obiectis ad os amphoris, quo plenior et gravior vox repercussu intumescat."
Das zweite vatikanische Konzil verpflichtet uns auch hier zur Übersetzung: (am Ende einer Düsseldorfer Weinprobe) "erstrebt wird vor allem Rauheit im Klang und ein stoßweise hervorgebrachtes dröhnendes Gebrüll. Sie halten dabei die Weinflaschen nahe an den Mund, um die Stimme durch den Widerhall voller und dumpfer anschwellen zu lassen." (Tacitus, Germania (wobei Germania immer auf der schäl Sick lag, der Dom (bzw. der Mithrastempel) lag bitteschön in der römischen Provinz etwas nördlich der Toscana)).

Man sieht, der nur der Wahrheit verpflichtete Chronist schwebt in höchster Lebensgefahr !

Aber diesmal sollte es anders sein in der Domstadt. Die Wahrheit wird der Chronik angepaßt. Die Chronik bestimmt nicht mehr, was wahr und was falsch ist, sondern schafft die Tatsachen, über die sie berichten muss, einfach selbst.
Wir legen die Seilschaft in Chronos Fesseln - sprich, der Chronist organisiert die Probe.

Damit erreichen wir den rührendsten Moment in der zweitausendjährigen Geschichte der Kölner Chronik:
DER CHRONIST DANKT DEM CHRONISTEN FÜR DIE AUSRICHTUNG DES ZU BERICHTENDEN ! CHRONOS FEIERT SICH SELBER !

Die Untermosel hatte sich der Chronist zum Thema gesetzt und damit begann die erste Schwierigkeit der Vermittlung.
Sieht doch ein jeder auf einer Landkarte, dass die Untermosel auf derselben oben ist.
Um also dummen Fragen nach der Berechtigung von Unter- und Obermoselbegrifflichkeiten zu entgehen (nur die Mittelmosel erklärt sich auf dieser Ebene von selbst), kippte der Chronist jedem Teilnehmer zu Beginn der Probe eine Flasche Wasser über den Kopf und zeigte damit, dass Wasser von oben nach unten fließt und die Untermosel etwa vom A... bis zum Fußboden reicht.
So was nennt man Erlebnispädagogik und wird demnächst in deutschen Schulen eingeführt, damit wir in PISA ganz weit nach vorne kommen.
In den Schulranzen jedes deutschen Schülers gehört in Zukunft also ein Handtuch - das die Eltern sowieso übrig haben, da sie es nicht mehr für die Liegestühle in Mallorca benötigen, die wir uns nicht mehr leisten können, seitdem wir 10 Euro beim Arzt abdrücken müssen.
Das ist kein Zufall ! Das ist abgestimmt zwischen Frau Schmidt und Frau Buhlmann nach einem Machtwort unseres Kanzlers. Nur hat der Müntefering das mal wieder nicht vermitteln können.

Um den erlebnispädagogischen Horizont überschreitend auch vertiefend die Grenzen der Untermosel diskutieren zu können, hatte der Chronist ein Papier verfasst, dass er nun langsam anfing vorzulesen.
Selbst dem Hein war nach zwei Sätzen klar, wo die Untermosel aufhört: am Deutschen Eck nämlich, wo die Mosel aufhört rumzumoseln und einfach rheinfließt.
Anders der Beginn der Untermosel, war doch auch die erlebnispädagogische Analogie nur durch den Begriff Unterleib zu untermauern. Der Chronist stellte also die Ortschaften Reil, Burg, Pünderich, Briedel, Zell und Zell-Merl zur Diskussion und begann seine zehnseitige Ausarbeitung darüber zu referieren.

Weniger die leisen Schnarchgeräusche unseres Heins, als vielmehr der sehnsuchtsvolle Blick von Wera Kreutzer auf das leere Weinglas bewogen den Chronisten, dabei die ersten Flaschen herumgehen zu lassen.
Diese waren morgens um halb elf geöffnet und händisch wieder verkorkt ins Kühlhaus gestellt worden. Bei Beginn der Probe wurden alle Korken entfernt, so dass die später getrunkenen, hochwertigeren Weine einige Stunden Luft in der Flasche bekamen.
Es versteht sich im folgenden von selbst, dass es sich hier nur um Rieslinge handelt.

Es sollten einfache trockene Weine sein in dieser Runde, aber aus der folgenden Lage ist eine trockene Spätlese das einfachste, was zu bekommen ist.
Die Lage ist mit 3 ha auch die kleinste des Abends. Im Weinführer ist Sam vom Wein recht angetan und vergibt 87 Punkte:
1.. 2002er Merler Königslay-Terrassen Spätlese trocken, Albert Kallfelz,
12,0% vol.Alk., 8,60 Euro.
Recht dichte gelbe Farbe. Attraktiver Duft nach Pfirsichschale, im Mund fruchtiger nach dem gleichen Obst. Mehr als nur ein Spaßwein, aber doch etwas einfach.
Wir werten mit 13,5 - 15,0 etwas niedriger als Sam.

Uli Stein hat es nicht nötig, seine Weine von Herrn Hofschuster oder den Herren Diel, Payne und Eichelmann bewerten zu lassen. Selbst Robert Parker kann ihm gestohlen bleiben, nicht aber Charlie Parker - denn er verkauft seine Weine haupsächlich an Künstler. BAP trinkt Stein, die Fööss trinken Stein und heute tranken Stein auch wir.
2.. 2002er Neefer Frauenberg QbA trocken, Uli Stein,
11,0% vol.Alk., 5,00 Euro.
Strohgelb. Blumiges Mirabellenbukett. Am Gaumen kommen Zitrustöne und mineralische Noten hinzu. Ein süffiger lebendiger Wein, der einer Minderheit zu ruppig ist (12,5 Punkte) vom Rest aber zwischen 13,0 und 14,0 Punkte als dem Preise entsprechend gewürdigt wird.

Hinter dem Frauenberg liegt der Calmont und hierher kam der nächsten Wein. Der Sam findet ihn nur ordentlich (77 Punkte).
3.. 2002er Bremmer Calmont QbA trocken, R. Franzen,
12,0% vol.Alk., 8,50 Euro.
Strohgelb und etwas Kohlensäure im Glas. Verschlossene, aber durchaus attraktive Nase nach steiniger Mineralik. Im Mund gesellen sich Mirabellen hinzu und ein leichter Bitterton. Ein voller, kerniger Wein, sehr fest. Er polarisiert wegen des Bittertons, der von einigen als störend (13 Punkte) von der anderen Hälfte aber als pikant (14,0-15,0 Punkte) empfunden wird.

Zwei Piraten waren angekündigt. Fünf wurden es.

Der erste der sozusagen eingeschmuggelten Piraten trat uns jetzt entgegen (da Sam mit Schmugglern und Freibeutern nichts zu tun hat, wollten wir auch nicht nachgucken, wie er ihn bewertet hat):
3.a 2002er Felsterrassen QbA trocken, Richard Richter (Winningen),
12,5% vol.Alk, ca. 7,- Euro.
Gelbgold.Kräftiges Bukett nach gelben Früchten, würzige Pfirsich im Mund. Der Wein wirkt erstaunlich gereift, besitzt aber viel Frucht.
Gefällt der Runde, die recht einheitlich 14,0 - 15,0 Punkte vergibt.

4. 2002er Koberner Uhlen QbA trocken, von Schleinitz,
7,- Euro.
Strohgelb. Schweflige Nase. Rote Früchte und Mineralik am Gaumen, dazu etwas rauher Alkohol. Wein ist o.k., süffig, feinwürzig, aber arg schwefelbetont.
13,0 - 14,0 Punkte.

Den nächsten unangekündigten Piraten hatte der Chronisten zwei Wochen zuvor erworben. Der Valwiger Hang liegt perfekt in Südlage, besitzt den Gesteinsmix der anderen großen Hänge. Dort sollte einfach guter Wein zu machen sein, nach allem was man über die Mosel weiß:
4.a 2001er Valwiger Herrenberg Selection, Josef Thielmann,
12,6 % vol.Alk., 8,50 Euro.
Grüngelb. Blumiges Bukett nach Steinen und Pfirsich, was sich auch am Gaumen wiederfindet. Süffiger Wein einfacher Machart, der im Versuch, Frucht und Mineralik zu verbinden, irgendwie unentschlossen wirkt. Vielleicht der Versuch, einen Mittelmoselwein zu machen, dem von der Grauwacke der Untermosel ein mehr mineralisch betonter Ausbau besser getan hätte.
Einer meint nur einen Riesling einfachster Art vor sich zu haben (12,0 Punkte), der Rest ist mit 13,0-13,5 Punkte etwas gnädiger.

Nun kam der offizielle Pirat, also der, für den die Seilschafter löhnen mußten.
Ausgewählt, weil er ähnliche Alkoholwerte und Kraft mitbringt wie die Untermoselaner. Blind kam er, aber siehe da, nach einigem Hin und Her wurde sogar der Erzeuger geraten - ein Hoch dem Weinverstand der Seilschaft:
5. 2002er Wiltinger Braunfels QbA trocken, von Volxem, Saar,
9,90 Euro.
Gelbgold. Gelbe Äpfel und würziger Schiefer in der Nase, Äpfel und Aprikose im Mund. Barocke Frucht, eher halbtrocken wirkend.
Vom festen, dichten Wein ist die Runde recht angetan und wertet 14,0 - 15,0 Punkte.

Der Erfolg der ersten Runde als Begleitung zum Vortrag war recht zwiespältig. Waren durch die sieben Weine einerseits alle diejenigen befriedet, die durch die Entscheidung, die Pündericher Marienburg als letzte große Lage der Mittelmosel aus der Untermoselprobe auszuschließen, den Verlust von Leerstoff fürchteten, konnte andererseits das Niveau des Vortrages nicht mehr gehalten werden.
So wurde es z.B. unmöglich, den phänomenologischen Unterschied zwischen Mittel- und Untermosel zu erklären, weil für die geschmeidige Aussprache des Wortes phänomenologisch zwar mindestens 3 Weine notwendig aber nicht mehr als 5 gestattet sind - sonst wird das Wort zu lang und unverständlich.
Die Probe - soweit keine Piraten - war bewußt auf die 5 bekanntesten Lagen der Untermosel beschränkt und hier auch auf die Spitzenerzeuger, flankiert jeweils von einem Winzer aus der zweiten Reihe.
Weiterhin sollten bei den trockenen Weinen möglichst auch der Jahrgang gleich sein. Es ging somit um Weine, die einen Terroirvergleich erlauben könnten.
Nach dem Einstieg mit einfacheren Weinen konnte man gespannt sein, ob sich die herausgeschmeckten Eigenschaften bei den hochwertigen Weinen verdichten würden und damit als charakteristisch für die Lage gelten könnten.

6. 2001er Merler Königslay-Terrassen Auslese trocken, Albert Kallfelz,
12,0% vol. Alk. , 11,50 Euro. Gelbe Farbe. Kräfiges und noch etwas hefiges Bukett nach Pfirsich. Diese Frucht mit Zitrus- und mineralischen Tönen findet sich auch am Gaumen. Der Wein ist rund, saftig und geschmeidig, besitzt aber noch weiteres Reifevermögen. Frucht und Säuren sind schön eingebunden.
Die Runde wertet recht einheitlich 15,0 - 16,0 Punkte und kann damit Sams 88 Punkte nachvollziehen.

7. 2002er Neefer Frauenberg QbA trocken Goldkapsel, Reinhold Franzen,
16,50 Euro.
Grüngelb. Attraktive Nase nach Steinen und Mirabellen. Am Gaumen tritt die Frucht gegenüber der Mineralität etwas mehr hervor und ein leichter Bitterton gesellt sich hinzu. Trotzdem kein fruchtiger Wein. Es besticht eher die feste, dichte Struktur und die Kraft, die trotzdem Eleganz aufweist.
Der Bitterton stört die einen (15,0 Punkte), die anderen nicht (16,0 Punkte). Das Sam hier nur 82 Punkte vergeben mag, finden alle saturnmäßig geizig geil.

8. 2001er Calidus Mons, QbA halbtrocken, Reinhold Franzen,
12,5 vol.Alk., 25,00 Euro.
Der trockene Spitzenwein des Erzeugers vom Bremmer Calmont, dem Sam auch nur 85 Punkte gibt.
Gelbe Farbe. Verschlossenes, aber durchaus anziehendes Bukett nach Mirabellen und Steinen. Am Gaumen viel Fruchtsüße, rote Früchte und steinige Mineralität. Ein voller Wein mit festen Säuern, Tiefe, Kraft und Harmonie.
Die Runde ist sehr angetan und vergibt 16,0 - 17,0 Punkte.

Der Chronist war jetzt genervt über die undifferenzierten Beschreibungen der Mineralität der Weine. Immer nur "mineralische Töne" oder Steine konnten ihn nicht zufriedenstellen.
So verteilte er, was er am Wochenende zuvor im Valwiger Herrenberg gefunden hatte: blauer feinschichtigen Schiefer in Mittelmoselart, grauen grobschichtigen Schiefer als Grauwackebeispiel, weißen Quarzit und rötlich eisenhaltigen Schiefer.
Seiner Aufforderung zur vollständig organoleptischen Degustation dieser Mineralien wurde aber nur unvollständig Folge geleistet, obwohl er vormachte, wie man durch Lecken, Beißen und am Gaumen wenden den Mund mit Mienralaromen tapeziert.
Schon Wera Kreutzer neben dem Chronisten mochte die ausgespuckten Proben (man will schließlich nüchtern bleiben und außerdem gab es von jeder Sorte nur eine) nur mehr visuell und vorsichtig olfaktorisch (aus weiter Ferne) probieren und verweigerte sich der haptischen und geschmacklichen Prüfung und so hielten es die übrigen Probanden.
So entging ihnen natürlich die gesamte retronasale Aromatik der Untermoselgesteine und sie mußten sich weiterhin mit den oben genannten Allgemeinplätzen begnügen.
Da der besonders auf dem roten Schiefer vergnüglich kauende Chronist leider nur die Chronik zu schreiben hat, kann er auch im folgenden eine differenzierte Betrachtungsweise der mineralischen Töne nur in dem Maße wiedergeben, wie sie (s)einer Einzelaussage in einer Chronik angemessen erscheinen.
So entgehen dem verehrten Publikum Aussagen wie: "obwohl in der Mehrheit auf Grauwacke gewachsen gibt doch der rote Schiefer das bestimmende Element, wobei etwa 5% Quarzit mineralische Kühle und 3% blauer Devonschiefer fein-elegante Stilistik beisteuern".

Wie dem auch sei, es ging weiter zum Uhlen. Die Lage liegt in den Gemeinden Kobern und Winningen und darf beide Ortsnamen tragen. Obwohl in Kobern sogar der größere Teil liegt, werden die meisten Weine aber als Winninger verkauft - weil der Winzer daher kommt. Nur der Schleinitz aus Kobern verwendet stolz den eigenen Ortsnamen.

9. 2002er Koberner Uhlen "Cara", Selektion, von Schleinitz,
13,5% vol.Alk., 11,00 Euro.
Gelbe Farbe. Ziemlich viel Schwefel in der Nase - dazu gesellen sich Gemüsetöne. Am Gaumen kommt ein Bitterton hinzu. Alles nicht unbedingt störend, aber auch nicht richtig gut.
13,0 - 14,0 Punkte.

"Gott würfelt nicht", hielt Einstein den Erfindern der Quantenmechanik entgegen und hatte damit Unrecht. Hätte er mehr Untermoselwein getrunken, hätte er es besser gewußt.
Ursprünglich mal das seichte Küstengewässer eines Ozeans hat Gott mit ein bißchen Hebung von Eifel und Hunsrück und einigen kräftigen Vulkanausbrüchen (Laacher See und die heutigen Maare) die geologischen Formationen der Untermoselhänge so durcheinander gewürfelt, dass kein Stein mehr auf dem anderen blieb.
So zählt man alleine im 15 ha großen Uhlen 6 geologische Schichten. Beneidenswert, wer soviel Besitz in der Lage hat wie Heymann-Löwenstein, dass er sich erlauben kann, drei Parzellen getrennt auszubauen und so 3 Bodenarten einzeln vorzustellen.
Die Blaufüßerlay ist von blauem Schiefer geprägt.
Laubach heißt eine Schicht, die neben grauem Schiefer die Sedimente des alten Meeres und damit einen recht hohen Kalkanteil enthält.
Die Roth-Lay aus dem Herzstück des Uhlens besitzt roten, eisenhaltigen Schiefer mit Quarziteinschlüssen.
Der Winzer nennt seine 3 Weine nach dem Parzellen B, L und R.

1.. 2002er Winninger Uhlen B, QbA trocken Erste Lage, Heymann-Löwenstein,
13,0% vol.Alk., 19,50 Euro.
Sattes Goldgelb. Viel Mineralik in der Nase. Am Gaumen die rauhe Schale roter Pfirsiche. Junger Wein mit langem Nachhall. Viel Fleisch, barocke Struktur, feste Säure. "Schwarzenegger-Wein" . Hervorragend !
Die Runde vergibt 16,0 - 17,0 Punkte.

2.. 2002er Winninger Uhlen L, QbA trocken Erste Lage, Heymann-Löwenstein,
13,0% vol.Alk., 21,00 Euro.
Sattes Gold. Attraktive gelbe Frucht in der Nase und am Gaumen, dazu steinige Mineralik. Langer Abgang, fleischige Frucht, runder Wein. Nuanciertheit und Reichtum. Eine Minderheit findet den Wein noch sehr verschlossen, alle denken aber, dass der Wein noch besser als der B ist. Obwohl einige den B jetzt gefälliger finden.
Die Runde wertet 16,0 - 17,5 Punkte.

3.. 2002er Winninger Uhlen R, QbA trocken Erste Lage, Heymann-Löwenstein,
13,0% vol.Alk., 24,50 Euro.
Sattes Goldgelb. Mineralik und Stachelbeere in der Nase, dazu Pfirsich und ein nicht störender Bitterton am Gaumen. Lebendig feste Säuren, langer Nachhall, voller Körper. Sehr harmonisch. Nuancenreichtum und Eleganz lassen den Wein bei aller Üppigkeit sehr fein wirken.
Wie beim Vorgänger wertet die Runde 16,0 - 17,5 Punkte.

Nach diesen drei fulminanten Rieslingen veranstalteten wir eine kleine Abstimmung, welcher denn der bevorzugte sei.
Das Ergebnis: 3 Stimmen für den B, 6 für den L und 3 für den R.
Das ist Terroir: wenn die Charakteristika bei gleicher Qualität so hervorstechend sind, dass jeder nach seinem Geschmack wertet. Der Sam hatte die Weine übrigens bei 89, 95 und 93 Punkten und outet sich damit als Mainstreamdegustator.

Für den nächsten Wein vergibt er 91 Punkte.

4.. 2002er Winninger Röttgen, QbA trocken Erste Lage, Heymann-Löwenstein,
13,0% vol.Alk., 17,50 Euro.
Gelbgolden. Attraktives Bukett nach Pfirsich, Birnen und Mineralik, die sich so auch im Mund wiederfinden. Langer Nachhall, voller Saft, Eleganz, Harmonie und Delikatesse.
Die Runde denkt den moseltypischsten Wein der bisherigen vor sich zu haben (und meint damit natürlich die Mittelmosel) und vergibt auch hier 16,0 - 17,5 Punkte.

Und nun kam der offizielle Pirat, verdeckt. Vom Jahrgang, Rebsorte, Preis und vom Alkohol den Vorgängern gleich, nur die Mineralik ist hier Urgestein-Granit.
Der Chronist war auf diesen Gedanken gekommen, als er von Koal Bajanos Begeisterung für die Franzen Weine vom Calmont nachdachte und das logisch fand.
Im Laufe des Rätselspiels wurde nur verraten, dass der Vorgängerjahrgang bei einer Seilschaftsprobe mal mit als bester Wein abgeschnitten hatte. Geraten hat ihn trotzdem keiner.

5.. 2002er Dürnsteiner Kellerberg Smaragd, Emmerich Knoll,
13,0% vol.Alk., 25,00 Euro.
Gelbgold. Attraktive Aromen nach Steinen und exotischen Früchten in der Nase. Rote Früchte und viel Mineralik am Gaumen. Ein kraftvoller Wein mit festen Säuren, dicht und rund.
Wird mit dem B verglichen, aber statt Schwarzenegger tritt uns hier Sachsen-Paule oder Günter Jauch gegenüber - meinen einige, die den DJ Ötzi nicht erkennen.
Ziemlich einheitliche 16,0 Punkte.

Diese Runde war der Höhepunkt der Probe, aber für uns Leckermäulchen mußte es natürlich auch was Süßes sein.
Die vorsichtig dahin führende feinherbe Spätlese vom Calmont wischte uns durch ihren Korkgeschmack alle bisher genossene Mineralik vom Gaumen und so ging es gleich weiter zu richtig süßen Weinen.

6.. 2002er Winninger Röttgen Alte Reben Spätlese, B. und R. Knebel,
7,5% vol.Alk., 13,00 Euro.
Strohgelb, viel Schwefel in der Nase. Pfirsich, verspielte Säure und etwas Schwefel am Gaumen - der Wein ist noch sehr jung.
Lebendige Säuren, süffiger Saft und Delikatesse.
Manche fragten sich, ob der Wein ein wenig zu gefällig gemacht sei, gaben aber wie die anderen 15,0 - 16,0 Punkte.

7.. 2001er Winninger Röttgen Auslese, Heymann-Löwenstein,
10,5% vol.Alk., 0,375 l. für 16,50 Euro.
Sattes Gold. Honig und Mineralien in der Nase, Pfirsich und Schiefer dazu am Gaumen. Langer Nachhall. Runder saftiger Wein mit viel Delikatesse, der doch ein Stück über den Vorgänger gestellt wird:
15,5 - 17,0 Punkte.

Hatte sich die Seilschaft bisher wohl auch wegen der Anwesenheit von Wera gesittet und anständig benommen, konnten es gewisse subversive Kräfte (die sich erst neulich mit dem Schlachtruf "Champagner für alle" als Anarcho-Syndikalisten auf dem langen Marsch zu Heidi und dem Alm-Öhi geoutet haben) nicht lassen, doch noch zum inzwischen üblichen Kölner Schisma zu blasen (etwa das dreiundzwanzigste).
Als Vorwand nahmen sie einen reifen Alten vom steilsten Weinberg Europas.

8.. 1997er Bremmer Calmont Auslese Versteigerungswein, R. Franzen,
9,0% vol.Alk., 23,50 Euro.
So grüngelb in der Farbe, wie die Früchte in Nase und Mund. Kompakte Mineralität, Komplexität und Festigkeit konstatiert die Fraktion, die 16,0 Punkte vergibt.
Problematischer Wein mit unsauberer Nase meint die andere Fraktion, die wohl im Zug gesessen hat und ein verrotztes Riechorgan ihr eigen nannte und vergibt 13,0 Punkte.
Den alleinigen Oberschismatiker mit seinen 11,5 Punkte hätten wir in den guten alten Zeiten vor dem Luther einfach auf den Scheiterhaufen gestellt und keiner weiteren Erwähnung wert befunden.
Aber so ist es nun mal im Informationszeitalter - alles will berichtet werden, auch wenn es purer Unsinn ist !

Wie immer wurde das Schisma aber einfach mit einem weiteren Wein zugegossen und so der Frust in Wohlsein ertränkt.

9.. 2001er Merler Königslay-Terrassen Beerenauslese, Albert Kallfelz,
8,0% vol.Alk., 0,5 l für 20,20 Euro.
Sattes Gold. Reiches Bukett mit viel Honig. Dazu saftige Aprikosen im Mund. Langer Nachhall, Eleganz und Delikatesse, ein recht reicher Wein.
Quatschköppe sehen in ihm den rechten Wein zum Partnertausch.
Einheitlich vergeben wir aber 16,0 - 16,5 Punkte.

Eigentlich hätte es das gewesen sein sollen, aber der Norbert zog noch einen Flachmann aus der Tasche.

10.. 2002er Winninger Röttgen Auslese, von Heddesdorf,
0,375 l. für 11,00 Euro.
Strohgelb. Attraktive Pfirsichschale in der Nase, reife Pfirsich am Gaumen. Saftiger, runder Wein, den die Runde bisher für den für Kleinkinder am trinkbarsten Wein findet.
Auch wir mögen solche Schnullerlis und vergeben 15,5 - 16,0 Punkte.

Aus die Maus ! Ab nach Haus ! Chronos löst die Fesseln und übergibt die Runde an den Sandmann.
Rieb sich doch mancher schon die Äugelein, ob aus Müdigkeit oder ob der unerwartet hohen Qualität der früher so geschmähten Untermoselaner sei dahingestellt.

Fünf Lagen wollten wir vergleichen. Fünf Lagen haben wir verglichen mit ihren Spitzenerzeugern.

Die Königslay-Terrassen gefielen jedem, schöne Frucht über schöner Mineralik, sehr gefällig im positiven Sinn. Gut das es einen Erzeuger wie Albert Kallfelz gibt, der immer durch ein hervorragendes Preis-Leistungsverhältnis besticht. Selbst Sam wertet ziemlich hoch.

Bremmer Calmont und Neefer Frauenberg polarisieren viel mehr. Die geballte Mineralik, zu der die Frucht nur den Hintergrund gibt, scheidet in Freund und Feind. Sam ist nicht sehr angetan, einige Seilschafter auch nicht. Die Mehrheit ist aber von der Festigkeit und Kraft der Weine beeindruckt, schätzt den eigenwilligen Charakter und stellt die trockenen eigentlich über die Merler. Wobei der Franzen schon ein Klasse für sich ist. Schade nur, dass die Unterschiede zwischen dem feminineren Frauenberg und dem maskulinen Calmont bei dieser Probe nicht so richtig zum Ausdruck kam.

Winningen - der Uhlen mit seiner Vielfalt, in der auch der Röttgen fast nur als ein weitere Parzelle erscheint. Die großen Weine von Heymann-Löwenstein. Vielleicht gewöhnungsbedürftig, wie Norbert ein Beispiel gibt. Aber ohne Frage immer groß. Halt mit so viel Charakter, dass es den persönlichen Geschmack auf höchstem Niveau trifft. Terroir eben.

Eine Bemerkung sei aber erlaubt.
Die Untermosel entwickelt ihre Typizität und ihren Terroircharakter hauptsächlich bei den trockenen Weinen. Im immer gegenwärtigen Vergleich mit der berühmten Mittelmosel können die restsüßen und edelsüßen Weine durchaus bestehen, sind aber viel weniger unterscheidbar als die trockenen.
Und den Kampf zwischen Mineralität und Frucht sollte an der Untermosel zugunsten der Mineralität entschieden werden - hier liegen die Stärken und unverwechselbaren Charakteristika des Anbaugebiets.
Der Versuch, Weine auf Mittelmoselart zu machen, wie es mein Valwiger Winzer versuchte, führt zu Unentschlossenheit und Mittelmaß.
Mit mehr Mut zur Eigenständigkeit könnten im Anbaugebiet sicherlich einige Dutzend Winzer mehr zur Spitze aufschließen.

Das Resümee war aber nur Gemurmel des Chronos in seinen Bart ohne irgendwelche Anteilnahme der Seilschafter. Was Chronos nun kann, da er Probe und Chronik selbst organisiert.
Somit lösten wir die Seilschaft aus Chronos Fesseln und ließen sie laufen - sie hatten natürlich nichts besseres vor als gleich einzukaufen - und schmatzend und schlürfend Puffbrause zu saufen.

konstatiert der Chronist

Wolfgang