Chilenische Premium Weine

Von Wolfgang Faßbender:

Was sind feminine Weine? Was haben chilenische Cabernets mit Pommes frites zu tun? Die Chile-Verkostung des Kölner Weinforums warf viele Fragen auf.
Auch jene nach der Reihenfolge.

Denn die meisten Weinproben folgen einer simplen Dramaturgie. Einfache Weine zuerst, die ordentlichen in der Mitte, die Spitzen ganz am Schluss. Nichts da, dachte sich Dr. Friedhelm Mühleib anlässlich des Chile-Events des Kölner Weinforums. Die absoluten Kultweine gab's in der Mitte, danach die "gestandene Betriebe", vorab einige der "Aufsteiger". Eine Reihenfolge, die auf angenehme Weise aus der Notenfalle befreite: verstärktes Nachdenken war angesagt, es ging nicht automatisch höher mit den Punkten.

Am Schluss waren alle hoch zufrieden bis begeistert von der Qualität der chilenischen Weine. Dr. Mühleib, mit seiner PR-Agentur für chilenischen Wein zuständig, wies allerdings darauf hin, dass die vorgestellten Tropfen die ganze Breite des chilenischen Sortiments repräsentieren. Viel mehr gebe es nicht, suche man die Spitze des Landes. Nie zuvor in der Geschichte des Kölner Weinforums konnte man also in vier Stunden einen so kompletten Überblick über ein ganzes Weinland gewinnen.

Der Überblick verlief übrigens in seltener Eintracht, was nach Mutmaßungen einiger Teilnehmer an der Abwesenheit des etatmäßigen Weinforums-Chronisten lag. Abweichende Meinungen waren die Ausnahme, in den meisten Fällen nickten die Teilnehmer einträchtig die einmal genannten Noten ab. Doch die Medaille der Einmütigkeit hat auch eine Rückseite: Einige der vorgestellten Weine lösten Diskussionen hinsichtlich des Erinnerungswertes aus. Echte Individualisten waren die Ausnahmen, mancher Teilnehmer der Probe konstatierte Mainstream - allerdings auf sehr hohem Niveau!


Teil eins: die Aufsteiger

Chile ist eher ein Rotwein- als ein Weißweinland. Weshalb es zum Auftakt der Verkostung auch nur einen einzigen Weißwein gab.

2002er Montes Alpha Chardonnay
Mit 14,5 Alkoholprozenten ein Kracher vorweg. "Buttrige Nase", "Bananen" oder "tropische Früchte" wurden erkannt, mancher mochte das "kräftige Holz" oder die "leichten Bitternoten" nicht, die "schöne Säure" aber wurde einträchtig gelobt. Punkte lagen zwischen 12 und 14,5. der Preis von etwa 17 Euro löste Missfallen aus.

1999er Assemblage, J. Bouchon
Cabernet Sauvignon plus etwas Malbec, Merlot, Carmenère. Üppige Frucht, Duft nach Johannisbeersaft stand "eine leichte Gumminote". Würzig, saftig - aber "mit etwas bitterem" und "flachem Nachklang". "Zum Wegschlabbern", aber "es fehlt der Kick". Sogar der umstrittene Begriff "lecker" kam zur Sprache. Die Noten lagen zwischen 14,5 (Dominik) und 15. Einigkeit bestand beim Preis - ca. 30 Euro entsprachen in keiner Weise dem Gebotenen.

2000er Aliara, Odfjell
Eine Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Carmenère - zum großen Teil in neuen Barriques ausgebaut. Tieffarbig, mit Noten von dunklen Beeren, Schokolade, Leder, mit Würze und "schöner Säure". Gelobt wurde die "Eleganz", der "leichte Bitterton" missfiel nur wenig. Aber war das ein New-World-Wine? "Blind kaum nach Chile einzuordnen", hieß es. Trotzdem (oder gerade deshalb) kam der Wein an. 16 bis 16,5 Punkte. Und auch der Preis gefiel: 22,50 Euro!

1999er Domus Aurea, Quebrada Macul
Diesmal kein Carmenère, sondern 95 Prozent CS plus ein Schuss Cabernet franc. Tiefes Schwarzrot, duftet nach säuerlichen Beeren, frischer Minze, Johannisbeersaft - die Minze kommt immer stärker heraus. Straffe Frucht, schöne Länge. Ob das der Neuen Welt entsprach, wurde nicht einheitlich beurteilt. Oliver fand ehr nicht, Dominik eher schon. Die 94 Punkte des Wine Enthusiast wurden von keinem Anwesenden geteilt: Gepunktet wurde zwischen 15,5 (Dominik) und 17 Punkte. Der Chronist traut dem Wein noch Entwicklungspotenzial zu und wertet 16+. Den Preis von ca. 50 Euro wollte er auch nicht zahlen.

2000er Ninquén, MontGras
Erste Begeisterungsstürme brachen aus. Eine wunderschöne Fruchtnase (schwarze Kirschen, Brombeeren, Röstnoten), eindrucksvolle Struktur, attraktive Säure und straffes Tannin. "Schön lang" war er auch. "E schee Steffsche", meinte der aus Rheinhessen stammende Moderator. Auf jeden Fall ein reinsortiger Cabernet Sauvignon aus dem Bilderbuch. Alle waren sich einig: lockere 17,5 Punkte und ein sympathischer Preis von 29 Euro.

2001er Viu 1, Viu Manent
Jetzt ging's Schlag auf Schlag. Obwohl sich die Rebsorten nicht klären ließen. Cabernet. Carmenère, vielleicht auch Syrah? Jedenfalls sehr dunkles Schwarzviolett, Heidelbeeren, dunkle Schokolade, später auch etwas Speck, Räuchernoten, ein wenig laktisch; würzig und saftig, geprägt vom edlen, eleganten Tannin. "Kann schön werden" hieß es, "vielschichtig und super interessant". Sicherlich "ein ganz anderer Stil als der Vorgänge". 16,5 bis 17,5 Punkte wurden verteilt, der Preis von knapp 43 Euro löste allerdings leichte Bedenken aus.

2001er Montes Alpha Cabernet Sauvignon
Ein echter Klassiker beschloss den ersten Teil der Verkostung - und tat sich etwas schwer. "Eher eindimensionale Nase", gute Struktur, "fällt ab". Dominik wertete 12 Punkte, ansonsten wurden 15-15,5 vergeben.


Nach der Pause kamen die Kultweine:

2000er Seņa
Ein femininer Wein? Jedenfalls ein eleganter - von der Nase (ledrig, rote Beeren, Holunder) bis zum langen Schluss. Doch ein Preis von 59 Euro? "Ich muss das nicht zweimal trinken", kommentierte Dominik beleidigt. Eine "Mischung aus Alter und Neuer Welt" mit "schmelzigem Charme". Das Urteil war teilweise hart: "nicht das Format eines Kultweins". Noten von 15 bis 17 Punkte: Die höchste Bewertung kam von einer Frau!

2000er Don Maximino, Errazuriz
"Weltklasse", schreibt Weinautor René Gabriel. Und auch die Kölner Runde war angetan. Üppige Frucht, Schokotrüffel, getrockenete Beeren, saftig und üppig. "Vielschichtig", "wenn da erst die Bittertöne zurückgehen". Derzeit 17 bis 17,5 Punkte für diesen hundertprozentigen Cabernet Sauvignon - mit Potenzial nach oben!!! (49 Euro)

1999er Casa Real, Santa Rita
Wieder Cabernet Sauvignon, aber ganz anders. Noten von Leder, Tabak, Cassis, eine dichte, reife, fast cremige Frucht mit dunklen Noten und Mokkanoten im Nachklang. "Klasse" oder "jetzt schön zu trinken". Die meisten Teilnehmer trauten allerdings dem Vorgänger potenziell mehr zu. Für 60 Euro wurden 18 bis 18,5 Punkte vergeben.

2001er Almaviva, Rothschild-Concha y Toro
Kein Wein für jeden Tag! "Ich kann auch nicht täglich Pommes essen", meinte der Gebietshein und löste mit seinem Quasi-Vergleich Pommes und Almaviva Widerspruch aus. Die Mischung aus Cabernet Sauvignon, - franc und Carmenère beeindruckte mit Aromen von gekochten Pflaumen, Tabak, viel Frucht, beeindruckender Säure und "noch etwas kantigem Tannin". "Viel Potenzial", "echte Klasse". Für 85 Euro gab es 18-18,5 Punkte, mit Potenzial.


Der dritte Teil der Verkostung brachte aus den Weltklasse-Höhen auf den Boden zurück - doch Enttäuschungen blieben aus.

2000er Valette Fontaine, El Principal
Hundert Prozent Cabernet Sauvignon - und ein Wein, der wie kein anderer für Dissenz sorgte. Üppige Fruchtnoten, Cassis, aber auch Teer und Rosinen. Deutliche dunkle Fruchtnoten, "spezieller Charakter". Kann man mögen oder eben nicht - die Noten reichten von 15 bis "fast 18" Punkten. Für 37,90 Euro!

1999er Alejandro Hernandez, Portal del Alto
Hier machte sich de Reife bemerkbar. Üppige Fruchtsaftnote, aber schon "leicht rosinige Noten". Saftig, schöne Frucht, "im Abgang wieder Rosinen". Bleibt "relativ eindimensional". Aber "wir klagen auf hohem Niveau". Für 15,5 bis 16,5 Punkte reichte es trotzdem. Preis: ca. 25 Euro.

1999er Laura Hartwig Gran Reserva, Santa Laura
"Der Wein widerspricht sich", meinte ein Teilnehmer fast philosphisch. Reife Pflaumennote, schöne Frucht und Säure, ein "traditioneller Stil". Erinnerte manchen an spanische Rote der Rioja-Fraktion, manche fanden ihn "müde bei präsenten Tanninen" und "bereits gezehrt". 15 bis 16,5 Punkte waren dennoch drin - für 22,90 Euro.

2002er Carmenère, Portal del Alto
Ein 12-13-Euro-Wein mit beeindruckender Frucht! "Sehr, sehr schöner Alltagswein", freute sich der Gebietshein. Saftig, mit Würze und angenehmer Säure. Zum Glück "wenig Barriqueeinfluss". Ein "sehr eigenständiger Wein", der allerdings teilweise auf Ablehnung stieß: "Ich mag ich nicht". 14,5 bis 15 Punkte!

2001er Quatro, MontGras
Cabernet Sauvignon, Malbec, Carmenère und Merlot. Dafür gab's zum Abschluss einen Preis-Leistungs-Knaller für 8,95 Euro. Schöne Frucht, "frische Säure". "Eher bitter als sauer" und "gute Länge". Ein "gut gemachter Mainstream" zum "Nebenbei-Pitschen".