Es begab sich aber zu der Zeit - Rhône Weine am Rhein

Liebes Forum,

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzet würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zu der Zeit, da Cyrenius Landpfleger in Syrien war.....

Stopp, stopp ! Falsche Seite der Kölner Chronik. Viel zu weit vorne und nicht vom jetzigen Chronisten verfaßt sondern von einem Stadtschreiber, der als griechischer Arzt auf der Durchreise in unserer Stadt was zu berichten hatte. So ungefähr vor zweitausend Jahren, als unser Städtchen zugegebenermaßen noch eher ein Feldlager des Germanicus denn ein stolzes Kurfürsten-Erzbistum war und an Stelle des Domes noch ein Tempel des Midias stand. Was sich einerseits durch die ehelichen Tätigkeiten des Germanicus (in Bezug auf die Stadtrechte, die wir seiner Tochter Agrippina, der Gemahlin des Kaisers Claudius und Mutter des liebenswerten und über seine Mama echt kölschen Jungs Nero, verdanken) und andererseits durch die Begebenheit hinter dem Bericht des griechischen Landarztes (in Bezug auf den Tempel und den Dom) schnell ändern sollte.

Off - topic ist dieser alte Teil der Chronik allerdings in keinster Weise und sollte Utz sie jetzt gelöscht haben, wird ihm der Widerspruch aller Weineinzel-, Weinfach- und Weingroßhändler gewiß sein und auch die Weinabteilung eines bekannten deutschen Discounters, der ganz vorne im Alphabet steht, wird Protest einlegen. Zittern diese Herren und jene Damen doch vor jedem Jahrestag der augustinischen Schätzung um ihren Jahresumsatz, der sich just im Zeitraum vom Beginn der Volkszählung bis zum Gedenken an den Kindermord des Herodes entscheidet, wenn Oma Müller die Ortega-Beerenauslese aus Rheinhessen, Papa Müller die Portugieser-Spätlese von der Ahr und Lieschen Müller echten Schampanjer (vom bekannten deutschen Discounter) öffnen, selbst Knalli beim Saufen den Notizzettel weglegt und als einsame Wacht nur der Werner nach zwei korkenden Flaschen hoch zufrieden höchstens 78 Punkte für die von Diel / Payne hochgelobte Auslese vergeben mag.

Ach ja, und auch die Kölner Seilschaft nimmt sich das Ereignis vor zweitausend Jahren zum Anlass, um besonders tief in die Tasche zu greifen und festzustellen, dass überteuerte Weine halt manchmal überteuert sind und veranstaltet eine Weihnachtsprobe (nein, keine Weinnachtsprobe ­ wir treffen uns nachmittags !).

Also von vorne...

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Gebietshein ausging, dass wieder Wein geschätzet würde. Und diese Schätzung war mitnichten die allererste und geschah zu der Zeit, da Werner Kistenbrügge Weinbergspfleger in Oberkassel war.....

Anwesend war die übliche Mischpoke, dazu fast vom Südpol der Rudi und aus dem fernen Morgenlande der Norbert Kreuzer, der aber kein König (die liegen bei uns im Dom) sondern nur ein besonders netter Weinfreund war. Wir tagten in den Katakomben unseres geliebten Frischmarktes, denn wir hatten keinen anderen Raum in der Herberge (langer Samstag und über uns suchten die Müllers verzweifelt nach ihrem Heilig-Abend-Weinen ­ die Ortega-Beerenauslesen für 1,99 sind arg gut versteckt).

Verantwortlich für die Weine zeichneten die Reblaus und Fritz und sie hatten sich für Rhône entschieden. Eine Probe ohne Riesling ! Rhône eben: Rh(ein)ôhne (Riesling). Da täten sich ja die Mundwinkel des Chronisten zum Schmollemündchen verziehen, wäre er im Vorfeld nicht durch eben diese Herrschaften langsam an die Thematik herangeführt worden ­ ein Weinchen von der schönen Burg der Ketzerpäpste hier, ein wenig Guigals Lagengewächse von der Côte Rotie da, da muss auch der Moselfreak neidlos eine gewisse Ebenbürtigkeit mit Saar-Spätburgundern anerkennen. Bei Licht betrachtet gab es eigentlich seit Oktober nichts anderes mehr als Rhône zu trinken - Manipulation der Geschmackspapillen mag nur der Böswillige unterstellen, wir nennen es geschickte Regie (und der heimliche Schluck Riesling zu Hause aus der Besenkammer half auch über vieles hinweg). Außerdem sollte es Weihnachten ja auch nur wirklich Gutes von der Rhône zu trinken geben.

Das Versehen mit der Chronik sei dem Chronisten nachgesehen, denn eigentlich hätte er gar keine Chronik zu schreiben brauchen. Die Veranstalter bewarfen jeden Probanden mit einem mehrbändigen Kompendium zu den zu leerenden Weinen, in denen die Gedichte eines dem Forum wohlbekannten saarländischen Weinhändlers (der auch das Forum kennt) neben den Romanen eines dem Forum wohlbekannten Rechtsanwalts aus Wisconsin (der allerdings das Forum nicht kennt) direkt unter den Interpretationen der einzigen im Forum frei laufengelassenen Reblaus zitiert wurden.
Da der Norbert mittlerweile ja auch die Bewertungen beigesteuert hat, bleibt für den Chronisten eigentlich nicht mehr übrig, als den Tacker zu nehmen und beide Texte in das Buch der Bücher zu tackern, um umgehend zu seinen geliebten Möselchen zurückzukehren.

.....

..... (war da leiser Protest ?) ....

..... ??? .....

Ha ! Habt ihr euch aber nur gedacht, ihr Kurzsicht-Wenigleser, Keine-Zeit-Haben-Keuchende, Fast-Wine-Schluckiduhs, Kurzbeschreibungsfetischisten, Weinadvokaten-Punkte-Lister, Halbe-Flaschen-Weinenthusiasten! Denn die Chronik wird immer noch vom Chronisten geschrieben !
Ihr könnt ihn kreuzigen, enthaupten oder wegklicken, den Chronisten, aber keine Chronik ist neben ihm sondern nur durch ihn !

Also von vorne.....

Es begab sich also zu der Zeit, dass der Gebietshein Fünfzig wurde und die Reblaus einen Sekt von Theo Grumbach auf den Tisch stellte. Der war als 99er schön gereift und dem Anlass angemessen ­ war ja auch ein Riesling und von der Mosel zudem. "Das darf aber nicht einreißen, sonst kommen wir aus dem Feiern nicht mehr heraus" meinte der Hein, schließlich wird er in zehn Jahren sechzig. Seine Agilität bewies der neue graue Panther mit einer wahren Innovation in unserem Kreise, dem 0,05 l. Messbecher, Typ Jägermeisterglas. Das sollte ihn wohl davor bewahren, von den Leckereien auf dem Tisch nur einen Seniorenteller zu bekommen. "Wir sind 14, da bekommt jeder ein Stamperl und ich zwei," rechnete er vor.

Mit dem leisen Protest des Chronisten gegen diese schnöde Quantifizierung der menschlichen Qualität des miteinander Teilens ausgerechnet vor dem Fest der Liebe zeichnete sich bereits jetzt am Horizont der Katakomben der Grundkonflikt des Abends ab: der Aufstand der Entrechteten der Nordkurve gegen das Establishment der Südkurve. Hatte sich der Chronist doch entgegen seiner Gewohnheit an die nördliche Seite des Tisches verirrt und konnte so die unterdrückte Stimme des Volkes vernehmen und sie den Kommentaren des Hein ("Schreib er das, Schreiberling, dieser Wein ist rot !") entgegenstellen.
Natürlich verlor die Nordkurve wie immer und unter Argumenten wie: "spontan vergorene Weine bedürfen des spontanen Dekantierens durch einfaches Umschütten" oder " durch das Umschütten werden in den unfiltrierten Weinen die Sedimente gleichmäßiger verteilt" wurde der Messbecher in den Kreis eingeführt.

Am Anfang war also der Riesling und der Riesling war beim Hein und der Hein trank Riesling. "Jetzt aber (Rh)ôhne", befand die Regie und also von vorne...

Es begab sich nach einiger Zeit, dass ein Gebot ausging vom Hein, den ersten Rhônewein auf den Tisch zu bringen. Und der Fritz griff hinter sich in die Kühlkammer und holte den ersten Eiswein hervor. Das lag aber nicht an der Kühlkammer sondern am kurz zuvor erfolgten Transport durch die sibirische Kälte der Vorgebirgstaiga. Die 5 Weißen waren durch die Bank zu kalt, aber wofür hatten wir unsere Hände. Und gegen die innere Kälte half der Alkohol ­ unter 13,5% vol. hatte keiner davon.

Beim ersten Wein hatte das Kompendium eine ganze Seite beizusteuern, aus der wir erfahren, dass der Wein von einem charismatischen Weinfanatiker gemacht wurde, der zu den seltenen Menschen gehört, dem keine Bitte abgeschlagen werden kann ­ auf Kölsch: der Mann kann kötten ! Dies habe ihm nur einmal eine attraktive Frau (Fronkreisch, Fronkreisch!), aber jedes Jahr die besten Trauben der Region eingebracht. Reblaus fasst das weiter Wissenswerte aus dem Lebenslauf als "saufender Chaffeur" zusammen: einst in der Staatskarossenfahrbereitschaft der Grand Nation hatte der heutige Weinerzeuger, während die Herren Präsidenten gerade über den Weltkrieg und die Frauen Präsidenten gerade über den neuen Duft von Chanel stritten, mitnichten das Wienern des Fahrzeugs im Sinn, sondern besuchte die Winzer in der Umgebung. Was das alte Vorurteil über Frankreich bestätigte: leicht schmuddelig, aber gute Getränke. Wahrscheinlich war es Maggie Thatcher, die ihn veranlaßte, den Wagen einfach stehen zu lassen und in die Weinbereitung zu gehen, als sie darauf bestand, über den Weltkrieg zu streiten und ihr Mann das neue Parfüm von Boss kritisierte:

1.. 2001er Condrieu, Viognier, Tardieu-Laurent, 14,0% vol. Alk., 37,70 Euro:
etwas hochfarbiges Gelbgold, florale Nase nach Flieder, Birne, Eierpflaume. Birne und (zu) viel Alkohol am Gaumen. Dichte Struktur, aber durch den Alkohol recht grob. Kein typischer Viognier, läßt Frucht vermissen. Vielleicht braucht der Wein Essen. Wir geben 13,5 ­ 14,0 Punkte und sind somit bei diesem Wein nicht der Meinung, dass er "angesichts der gebotenen Qualitäten jeden geforderten Cent wert" gewesen ist.


Der nächste Erzeuger hat laut Kompendium (diesmal der andere Autor) zwar anscheinend keine attraktive Frau aber immerhin einen charmanten Sohn. Er selber ist aber ein "stämmiger Mann mit kantigem Kiefer" und meistens kämpft er wie ein Löwe für den Ruf des Condrieu. Wobei das mit dem Charme oder dem kantigen Löwenkiefer für die Qualität des Weines anscheinend nicht so wichtig ist, denn mittlerweile macht der Sohn den Wein auf dem gleichen Niveau wie der Vater. Ansonsten vergibt der Autor für diesen Wein noch 91 P-Pünktchen, was bei uns eine 17,0 wäre. Wollen sehen:

2.. 2001er Les Chaillées dŽEnfer, Viognier, Georges Vernay, Condrieu, 14,0% vol. Alk., 45,- Euro:
Strohgelb. Pfeffer, Birne und Apfel in der Nase. Blüten, Birnen, Zitrus, etwas Alkohol und ein nicht unangenehmer Bitterton im Mund. Wirkt frischer als die Nr.1 wahrscheinlich durch geringeren Holzeinsatz, erfreut durch florale und fruchtige Art. 15,0 ­ 16,0 Punkte


Der dritte Erzeuger hat anscheinend keine besonderen körperlichen Auffälligkeiten in der Familie sondern gehört nur zu den zwei oder drei Besten von Condrieu (würde sich in Deutschland also irgendwo zwischen Adenauer, Luther und Karl Marx wiederfinden):

3.. 2002er Les Chaillets, Viognier, Yves Cuilleron, Condrieu, 14,0% vol. Alk., 26,- Euro:
Gelbgold. Recht attraktives Bukett nach Birne, Vanille und im Hintergrund Blüten. Am Gaumen dazu etwas Bittermandel. Hat nicht die Rasse des Vorgängers sondern wirkt etwas eindimensional und breit. 13,5 ­ 14,0 Punkte

4.. 2001er Les Ayguets, Viognier, Yves Cuilleron, Condrieu, 13,5% vol.Alk., 31,- Euro:
brillante, satte Tabakfarbe. Feines Bukett nach Botrytis und Tabak. Honig, Tabak und Dörrobst am Gaumen. Dichter, delikater, vollmundiger Wein und der erste, der richtig Spaß macht ­ wir sind halt Naschkatzen ! "Leicht süßlich" nennt Herr Parker den Wein, für uns ist das eine ausgewachsene Auslese Goldkapsel. 16,0 ­ 17,0 Punkte und trotz der 0,5 Liter der erste Wein des Abends, der sein Geld wert sein könnte.

Der letzte Wein rettet die Appellation Condrieu an diesem Abend, denn sonst ? Gut, die Weine haben einiges mehr an Alkohol wie ein Riesling aber für die Preise bekommt man auch zwei Rieslinge von mindestens gleicher Qualität und mehr Spaß bereiten sie auch. Und eigentlich hätte jedem der Weine 1 % Alkohol weniger besser gestanden.


Leider vermag auch der letzte Weiße der Probe uns nicht das Riesling-Verlangen auszutreiben. Als trockener Châteauneuf hat er es zugegebenermaßen nach dem edelsüßen Vorgänger schwer, aber das Produkt eines "Leuchtturmweingutes" dem Herr Parker 90 Punkte vergibt, können wir ebensowenig nachvollziehen wie wir einen "charmanten, feinen Klassiker" finden können.

5.. 2000er Châteauneuf-du-Pape blanc, Château Beaurenard 14,0% vol. Alkohol, Preis ?? da gestiftet:
strohgelb, ziemlich starker Uhuton in der Nase, dazu Birnen und andere Früchte. Im Mund recht bitter. Manche halten ihm zu Gute, dass er gegen den Vorgänger nicht untergeht (15,0 Punkte), aber für die meisten ist er kein Traumerlebnis 12,5 ­ 14,0 Punkte.
Wobei ­ wir meckern, dem Anlass entsprechend, auf hohem Niveau.

Trotzdem freuen wir uns auf die Roten und fangen mit einem ganz einfachen an. Herr Parker meint, der Önologe aus Cornas sei sehr umstritten, aber es sei ihm gelungen, einige Winzer zu einer grundlegenden Umstellung ihrer Produktion zu überreden. Ob dies ein Fluch oder Segen ist, werden wir laut Reblaus bei diesem einfachen Wein kaum merken, aber dies ­ und besonders die Sache mit der striktesten Kellerhygiene ­ können wir dann bei Wein 16 und 17 weiter diskutieren:

6.. 2001er Les Abeilles, Côtes du Rhône, Jean-Luc Colombo, 13,0% vol.Alk., 5,- Euro:
Purpurschwarz. Ein Korb roter Früchte in der Nase und der spontane Ausruf: Grenache! Rote und schwarze Beeren im Mund. Ein süffiger, artiger Schoppen der besseren Art, der den Hein an seine lang vergangene Jugend erinnert: bei den einfachen Weinen war die Rhône schon immer Spitze. 13,0-13,5 Punkte


Etwas teurer ist der zweite Gebietswein, wird dafür aber a) in einer alten Römerstadt (als ob da unten nicht alles alte Römerstadt wäre) und b) nicht von einem umstrittenen, sondern einem "genialen" Weinerzeuger erzeugt. So verspricht uns unser Weinhändler einen "Überflieger in seiner Preisklasse" und auch Herr Parker vergibt 89 Punkte:

7.. 2001er Cuvée Sommelongue, Grenache / Syrah, Côtes du Rhône, Domaine Brunel, Orange, 13,5% vol.Alk, 6,90 Euro:
Purpurkleid, attraktives Bukett nach Schlehen und süßliches Holz. Schwarze Früchte am Gaumen. Der Wein polarisiert die Runde. Einfach gebaut finden ihn alle, aber die einen dabei ganz lecker (13,5 ­ 14,0 Punkte), die anderen finden die Konzentration eher belastend als erfreulich (12,0 Punkte)

Nun hatte auch der letzte Farbenblinde in unserem Kreise gemerkt, dass wir mittlerweile bei den Roten angekommen waren und die Regie griff zu höherpreisigen Weinen. Wie immer begleitet vom Lobgesang des Kompendiums, diesmal wieder von Herrn Parker komponiert, der uns den "konzentriertesten und magischsten" Wein der Appellation Gigondas ankündigte und das in zwei Jahrgängen:

8.. 1999er Les Hauts de Montmirail, AC Gigondas, Domaine Brusset, Cairanne, 13,0% vol.Alk., 16,- Euro:
schwärzliches Purpur. Brombeer und etwas Uhuton in der Nase, der am Gaumen aber nicht spürbar ist. Dafür etwas Holunder. Die Tannine scheinen noch recht hart, trotzdem viel Frucht dahinter schmeckbar. Unser Hein fasst zusammen: "Du mußt am Tisch bleiben und darfst nicht aufhören zu trinken!" Damit wollte er zum Ausdruck bringen, dass der Wein etwas Gewöhnung bedarf ­ aber alle, die ihn kennen, wissen, dass dies sowieso sein Lebensmotto ist, schließlich läuft er zu Hause mit einem T-Shirt herum: Born to Drink Wine !. Parker vergab 87 Punkte, wir 14,5 ­ 15,5 Punkte

9.. 2000er Les Hauts de Montmirail, AC Gigondas, Domaine Brusset, Cairanne, 13,0% vol.Alk., 16,- Euro:
Sattes Purpur. Attrakives Bukett nach wilden Brombeeren, die sich auch im langen Abgang im Mund wiederfinden. Runder, geschmeidiger, dichter Wein. Unser Hein hat Brett, aber er hat es alleine. Parker vergibt 88-90 Punkte. Unsere Runde wertet in allen Abstufungen 14,0 ­ 16,0 Punkte

Nach den magischen kommt jetzt ein "intensiver, bemerkenswerter, ja spektakulärer Wein, die Antwort von Gigondas auf das Château Le Pin in Pomerol" (!!??!!). Meint Herr Parker und vergibt 92 Punkte. Mag ja sein, denn die wenigstens von uns kennen Le Pin. Glücklicherweise liegt der Preis aber noch eher bei Château Poujeaux:

10.. 1998er Cuvée Valbelle, Gigondas, Château Saint Cosme, 14,0% vol.Alk., 20,- Euro:
Schwarzgranat. Würziges Bukett nach Pfeffer und schwarzen Oliven. Viel Fruchtsüße und Schokotöne im Mund, der anfangs etwas scharfe Alkohol mildert sich. Eine Maulvoll Wein, die trotzdem auch Delikatesse und Eleganz zeigt. Wir werten recht einheitlich 16,0 ­ 16,5 Punkte. (Man könnte also auch mal einen Le Pin probieren !).

Mit dem Ansehen der Appellation steigt auch die Lyrik, scheint es. War André Brunel beim Côtes du Rhône noch ein einfach genialer Weinmacher, zitiert beim Châteauneuf der eine Zitierte den anderen Zitierten so, dass aus ihm jetzt eine der "intellektuellsten Winzerpersönlichkeiten von Châteauneuf-du-Pape" wird und uns ein Wein "himmlisch, wie aus einer anderen Welt stammend" versprochen wird. Himmlisches Moseltröpfchen von der Rhône ?

11.. 2000er Les Cailloux, Châteauneuf-du-Pape, Domaine Brunel, 14,0% vol.Alk., 20,83 Euro:
Rubinrot, etwas bräunlich, aber keine Alterstöne. In der Nase Erdbeer, nasses Laub, Holz. Fruchtsüße und pikante Lakritznoten am Gaumen, aber der Wein wirkt noch etwas verschlossen. Die Tannine sind vielleicht etwas grün. Trotzdem sehr guter Wein, der wohl noch schöner wird. Jetzt 15,0 ­ 16,0 Punkte

Das Zitieren nimmt kein Ende. Diesmal zitiert Herr Parker. Allerdings nicht unseren saarländischen Weinhändlerfreund sondern einen Dichter Frédéric Mistral. So lernt man doch immer wieder hinzu; hatte der Chronist den Mistral bisher doch nur für ein gar nicht so laues Lüftchen gehalten. Die Liebe zum Wein und der Zugang zum Internet beschert ihm jetzt die Kenntnis von einem Literaturnobelpreisträger (1904), der in provenzalischer Sprache den Südosten Frankreichs besang. Und zum Weingut ließ er einen lauten Donnerhall, eben ein richtiger Mistral, heraus, als er es als "königlich, kaiserlich und päpstlich zugleich" nannte. Ob er dafür den Nobelpreis erhalten hat ? Aber dass Bobby sowas kennt, nä ?
Uns war aber noch mehr Vorfreude, dass wir diesen Wein vor zwei Jahren einmal als Sieger der Monatsweinaktion auserkoren und 300 Forumsfreunden zugemutet hatten:

12.. 1998er Châteauneuf-du-Pape (rouge générique), Château La Nerthe, 14,0% vol.Alk., ca. 20,- Euro:
purpurrot. Attraktive Nase nach Unterholz, Pilzen, Malz und Karamell. Malzige Töne und Brombeer im Mund, langer Nachhall. Der saftige Wein ist ausgereift und rund, besitzt Tiefe und Eleganz. Es wird behauptet, diese Probeflaschen von damals seien besser als die spätere Lieferung gewesen. Auf alle Fälle, der Wein kam gut an. Parker vergab 90 Punkte, wir 16,0-17,0 Punkte

Und weil Weihnachten war, die Spitzencuvée, der Parker 93 Punkte gibt, gleich hinterher:

13.. 2000er Cuvée Les Cadettes, Châteauneuf-du-Pape, Château La Nerthe, 14,0% vol.Alk., 57,95 Euro:
sattes Schwarz. Kräftige Nase nach dunklen Beeren und rohem Fleisch. Ein Korb vollsaftiger schwarzer Beeren am Gaumen, langer Nachhall, feine Tannine. Der Wein hat Eleganz und Finesse. Mit dem vereinzelten Ausruf eines Anonymus: "Mit einem Spitzenburgunder kriegt man keine Frau ins Bett ­ mit diesem Wein doch!" kann allerdings die gesamte Runde nichts anfangen. (allein deshalb: wer serviert einer Frau, auf die er es abgesehen hat, schon Spitzenburgunder ­ man könnte am Wein hängenbleiben!). Die Runde vergibt fröhliche 16,5-18,0 Punkte

Beim nächsten Wein dürfen wir uns auf "wollüstige Konsistenz" und eine "Orgie von Frucht" gefasst machen. Leider schien dies zur Folge zu haben, dass in der Südkurve eine äußerst angeregte Diskussion über Handelsorganisationen und ­ wege bekannter Weingüter entbrannte, so dass die nachstehend beschriebene polarisierte Wertung eigentlich nur zwischen je zwei Vertretern der Nordkurve zustande kam:

14.. 2001er Cuvée Les Quartz, , Châteauneuf-du-Pape, Domaine Clos du Caillou, 14,5% vol. Alk., ca. 60,- Euro:
Schwarzlila. Schwarze Beeren, Holz, Liebstöckel und Lakritz in der Nase. Schwarze Beeren und viel Extraktsüße im Mund, dazu recht deutlich Alkohol. Sehr konzentrierter Wein, dem die einen mit Parker (92-95 Punkte) mehr Druck, Frucht und Opulenz als seinem Vorgänger bescheinigen (17,5 ­ 18,0 Punkte), die anderen kritisieren den Alkohol und würden ihn zumindest in der heutigen Verfassung eher unter dem La Nerthe ansiedeln (16,0-16,5 Punkte)

Den letzten Châteauneuf beschreibt Parker schlicht als "im neuen Stil, trotzdem grandios". Ob das in unsere Probe passt ? Immerhin vergibt er 90 Punkte:

15.. 1999er Cuvée Boisrenard rouge, Châteauneuf-du-Pape, Château Beaurenard, 14,0% vol.Alk., 35,- Euro:
schwärzlich. Reiches Bukett nach Maulbeeren und schwarzen Früchten. Am Gaumen verschlossen, aber langer Nachhall nach schwarzen Beeren. Der Wein hat viel Potential, aber wir vergeben Gegenwartspunkte: 15,5 ­ 16,5 Punkte.


Soweit ­ so gut !

Nie hatte er so recht, der Herr Parker, als wenn er Jean-Luc Colombo aus Cornas als "sehr umstrittenen Önologen" bezeichnet !

Herrschte bisher friedvolle Stimmung in unserem Kreise und hatte das adventliches Warten auf das, was da kommen sollte, bei den Châteauneufs schon schöne Erfüllung gefunden, so ereignete sich mit dem Umschwenken auf die Roten der nördlichen Rhône etwas bis dahin in der Seilschaft Unerhörtes. Gestritten wurde immer schon und wie in jenem kleinen Dorf an der Küste Armoricaes pflegen unsere Proben ­ wenn sie denn gut waren ­ auch immer mit einer lustigen Prügelei zu enden, wobei der Fritz den Schmied und die Reblaus den Fischhändler gibt und zum Schluß der Chronist (nach 20 Weinen seinen Friedensgesang anstimmend) ans Weinregal gefesselt wird. Doch dieses Mal wurde es ernst. Es kam zum


              1. Kölner Schisma

Nordkurve und Südkurve hätten sich unversöhnlich gegenüber gestanden, wenn wir denn noch hätten stehen können. So saßen wir uns also unversöhnlich gegenüber und einer zweifelte an des anderen (nicht nur Wein-) Verstand. Da es ­ wie vorne berichtet ­ den Chronisten dieses Mal in die Nordkurve verschlagen hatte, war er auch nicht mit Knebelung ans Weinregal mundtot zu machen und konnte mit Werner (Kistenbrügge) und Wilfried (Schmitz) diesem Wein die Ehre antun, die ihm gebührte. Klar, hier war Volkes Stimme. Die Schickeria in der Südkurve dagegen faselte erst von Brett und mußte sich dann aus dem Kompendium daran erinnern lassen, dass Jean-Luc Colombo "strikteste Kellerhygiene" einführte, was von der Reblaus mit "i.e. keine Brettanomyces" (!) kommentiert worden war. Also einigte man sich auf "klaren Flaschenfehler", womit man wohl meinte, dass die Flasche fälschlicherweise anstatt von einer Weinflaschenabfüllanlage durch eine Kuh und nicht mit Milch gefüllt wurde. So ist das halt, wenn man als Schicki-Micki nur noch verfeinerte Säftchen und keinen wurzelechten Saft mehr gewohnt ist.

Das Schisma besteht bis hierher darin, dass die Chronik nur die Wertung der Nordkurve niederschreibt, da die Südkurve ja keine hatte (die Beschreibung Norberts von der Westgeraden, der sich als verstörter Gast erst neutral verhalten ("kein Flaschenfehler, aber mag ich nicht"), aber mittlerweile als Parteigänger der Südkurve geoutet hat, mag in seiner mail nachgelesen werden):

16.. 1995er Les Ruchets, Cornas, Jean-Luc Colombo, 12,5% vol.Alk., 40,- Euro:
purpurschwarze Farbe mit leicht bräunlichem Rand. Herrlich wilde Aromen in der Nase, nach Beeren, Wild und auch etwas Kuhstall. Im Mund animalische Töne neben Maulbeeren. Kräftige Tannine. Ein dichter, saftiger und würziger Wein. 15,0 ­ 16,0 Punkte.

Herr Parker beschreibt den Wein übrigens: "der außergewöhnlich gute Les Ruchets 1995 ... weist überwältigende Aromen von wilden Heidelbeeren, Cassis, Erde und Vanille auf" und vergibt 91 Punkte.

Der unerwartete Aufstand der Nordkurve ließ die Südkurve beim nächsten Wein vorsichtiger sein. Und da auch der Wein der Allgemeinheit entgegen kam (was die Nordkurve etwas abwerten ließ, der Südkurve dagegen die Möglichkeit eröffnete, wegen geringerer ungeliebter Aromen keinen neuen Flaschenfehler konstatieren zu müssen), konnte sozusagen ein vorläufiger Waffenstillstand vereinbart werden.

17.. 1997er La Louvée, Cornas, Jean-Luc Colombo, 12,5% vol.Alk., 42,- Euro:
schwärzliche Farbe, kräftige Nase nach Rauch und wilden Früchten, Brombeeren und Lakritzpastillen am Gaumen. Saftiger Wein mit lebendigen Säuren. 15,0 ­ 15,5 Punkte

Kaum hatte sich die Südkurve an die Appellation Cornas zu gewöhnen begonnen, schon ging es weiter an die Côte Rôtie. Laut Herrn Parker können wir uns jetzt auf einen Erzeuger freuen, der "duftige, sinnliche und subtile Weine, die die Quintessenz von Eleganz darstellen" bereitet und auf Weine, die "nach etwa 7 bis 10 Jahren Lagerung auf dem Höhepunkt" sind. Er gibt dem nächsten Wein 88-90 Punkte. Also beste Voraussetzungen für den

18.. 1996er Côte Rôtie Rouge , Michel Ogier 12,0% vol.Alk., 30,- Euro:
purpurfarben mit etwas bräunlichem Rand. In der Nase kräftiger Pferdestall. Am Gaumen dagegen saftige rote Früchte und Mokka. Ein runder, geschmeidiger Wein mit lebendigen, aber milden Säuren und Tiefe. 15,0 ­ 15,5 Punkte.

Es sei nur am Rande erwähnt, dass die Südkurve diesen Wein als "ausgezehrt und nicht lecker" bezeichnete und bei höchstens 13,5 ­ 14,5 Punkte sah. Durch das Schisma unzweifelhaft entzweit, müssen die sich dafür ihre eigene Chronik schreiben. Wobei der Chronist bei solch Ignoranz bestimmt mit Recht seine Zweifel am Alphabetisierungsgrad der Abweichler hegen darf.

Für den weiteren Bestand der Kölner Seilschaft kam es hiermit zu einem Patt. Einerseits war die Nordkurve jetzt durchaus gewillt, einen eigenen Hein zu wählen und damit das Schisma auch organisatorisch zu vollziehen (es meldete sich die erste mutige Stimme: "hier stehe ich und kann nichts anders!"). Andererseits saß die Südkurve immer noch an der Quelle, soll heißen an den Flaschen, die noch zu trinken waren und die der Nordkurve so gut mundeten. Es wurde also beschlossen, erst einmal abzuwarten und zu schauen, ob die Südkurve lernfähig wäre. Es gab schließlich nur noch Côte Rôtie.

19.. 1995er Côte Rôtie rouge, Jean-Paul et Jean-Luc Jamet, 25,- Euro:
sattes granatrot. Reiches, attraktives Bukett nach Lakritzen und vielen Früchten. Langer Nachhall mit Cassis und Pilzaromen. Dichter, runder Wein, saftig und lecker. Und siehe da, auch die Südkurve scheint sich gewöhnt zu haben: einheitliche 15,5 ­ 16,0 Punkte

Zur endgültigen Aufhebung des Schismas mußte der Anstoß aber von außen kommen. In unserem Falle aus dem Morgenland. Norbert entpuppte sich dann doch als ein Weiser von ebenda, indem er ein Friedensangebot in Form einer in Alufolie eingewickelten Flasche hervorholte und ausschenkte. Ins Glas floss es bräunlich rot ­ dieser Wein war alt:

20.. 1981er La Mouline, Côte Rôtie, Marcel Guigal, 1983 für wehmütige 60,- DM zu bekommen:
recht helles bräunlich rot. Kräftige, attraktive Nase nach Maulbeeren und Teeblättern. Unendlicher Nachhall mit Maulbeertönen und nicht unattraktiven Dosenerdbeeren. Voller, harmonischer, komplexer Wein mit viel Eleganz und Finesse, reif, aber mit mild lebendigen Säuren und weichen, aber spürbaren Tanninen. Wieder gibt es unterschiedliche Meinungen, aber diesmal durch alle Himmelsrichtungen und gerade Kurven bzw. krumme Geraden hindurch, dazu auf höchstem Niveau: nur feiner Wein (16,0 ­ 16,5 Punkte) oder großer Wein (17,5 ­ 18,5 Punkte).
Ach ja, Herr Parker wollte diesen Wein schon 1994 ausgetrunken wissen und vergab nur 86 Punkte. Hätte er wohl mal was warten sollen...

Wahrscheinlich hatte die Südkurve ja nur so hoch gepunktet, weil ihr die Herkunft des Weines nicht bekannt war. Pech gehabt ! So konnte sie auch beim nächsten Wein nicht zurück:

21.. 1994er La Mouline, Côte Rôtie, Marcel Guigal, 13,0% vol. Alk., heute für 175,- Euro gehandelt:
sattes Schwarz. Reiches Bukett nach Cassis und Brombeer. Wilde Himbeeren im Mund und genauso unendlich lang wie sein älterer Bruder. Schon jetzt harmonisch, tief, komplex, finessereich und unwidersprochen groß. Die Südkurve hatte sich endlich auf das Niveau der Nordkurve herauf getrunken und vergab mit dieser 18,5-19,0 Punkte (was eine der höchsten jemals in Köln vergebenen Wertungen ist).

Und wieder war der Frieden in das kleine Dorf zurückgekehrt und Fritz schüttete den Große Graben zu guter letzt mit einem Tropfen zu, der als tätige Reue die scharfen Auseinandersetzungen der Vergangenheit vergessen ließ und in das altbekannte Fest mündete:

22.. 1997er La Chapelle, Hermitage, Paul Jaboulet Ainé, 13,4% vol. Alk., ca. 100,- Euro:
satte, schwärzliche Farbe. Wilde Früchte in der Nase, Mokka, Schokolade und vollsaftige schwarze Beeren am Gaumen. Noch viel Entwicklungspotential. Langer, langer Abgang. Lebendige, aber eingebundene Säuren, Finesse, Eleganz, Tiefe, Komplexität. Ebenfalls ein großer Wein, den die meistens aber etwas unter dem Vorgänger sehen: 17,0 ­ 18,5 Punkte.

Prompt war die Seilschaft wieder bei den alten Sitten angelangt und als der Hein zu seinem 50sten einen nicht so ganz frischen Burgunder 1989 Les Beaux Brunes der Dom. Rion hervorkramte (ca. 16,0 Punkte), kam es zur üblichen lustigen Prügelei, bei der der Chronist ans Weinregal gebunden wurde und deshalb auch nicht mehr beschreiben kann, wie ­ nachdem der Großteil der Gesellschaft die Katakomben verlassen hatte ­ schlußendlich die beiden Rieslinge schmeckten, die dann doch irgendwie auf dem Tisch landeten.
Nur dass der Hein anscheinend von der Beinahe-Revolution ganz mitgenommen, beim ersten dieser Edlesüßen verstört nach einem trockenen Chardonnay verlangte !
??? Befremdlich, sehr befremdlich....

meint
Wolfgang
diesmal aus der Nordkurve

der den saarländischen Weinhändler und auch Bobby Parker um Verzeihung für die vielleicht nicht ganz angemessene Verwendung ihrer Verse bittet und betonen möchte, dass dies in keinster Weise respektlos gemeint war. Wir schätzen Eure Lyrik sehr und bitten um mehr davon, nur:
wir haben beim Weintrinken so viel Spaß !