Totgesagte melden sich - Internetkompatible Rieslinge

Liebes Forum,
Koelner Chronik im Jahr des Herrn 2003. (Der Vorschlag einiger Speichellecker eine neue Zeitrechnung für im Jahre des Hein 003 einzuführen, wurde nicht nur durch unseren Erzbischof Joachim sondern auch von der gläubigen Mehrheit der Seilschaft entrüstet abgelehnt).

Also: Kölner Chronik im Jahre des Herrn 2003 zu Mittsommer: "die Stadtmauern liegen unter schwerem Beschuß der vereinten Truppen der Württemberge, schwäbischen und bayrischen Schwaben. Auch vom Niederrhein her fliegen giftige Pfeile gen Domhügel. Die wackeren Zecher der Stadt treffen sich im Schatten der Kathedrale um unter dem Banner der Heiligen Drei Könige und im Gedenken der elftausend Jungfrauen mit einem beherzten Ausfall für die Ehre der kölschen Trinkerschaft zu streiten".

Auslöser war wie bekannt der sogenannte Südtiroler Eklat, d.h. ein Fuder Wein vom Etsch, dass den Hiesigen mitnichten so munden wollte wie den Diesigen.

Seitdem war Funkstille aus der Domstadt, keine Kunde drang ins Internet der Welt und langsam schleicht sich Unruhe ins Forum: waren es zuviel der Feinde, dass die Ehre jetzt ins Feld gefallen und als Denkmal für den letzten Zecher still beweint von Trinkermüttern in Köln-Ehrenfeld dem Wein absagend klagend ein Glas Kölsch abfüllen ?

Vermissen tun Sie uns im Forum ! Sie fragen sich, wo sind wir denn? Leben wir noch ? Trinken wir noch ? Proben wir noch ? Und vor allem ­ werden wir es wagen, noch ein Protokoll zu schreiben ?

Gemach, gemach, liebe Mitbacchanten. Zwar war uns nicht ein Sieg vergönnt, doch konnten dem Gemetzel wir entkommen und sahīn die fremden Truppen in die Heimat ziehīn. Die Tore stehen offen wieder und gar eifrig Treiben schafft den Rebsaft aus 2002 in die Keller, damit auch fürderhin uns nicht ereile, was das schlimmste für das kölsch Gemüt: der jroße Doosch !

Und warum schwiegen dann Pretiosa und Speciosa, die Angelus- und auch das kleine Ave-Glöckchen, gar nicht zu reden vom decken Pitter ?

Es war so heiß, ihr Mitbacchanten, und der Chronist ist auch nicht dieser Allerjüngsten einer ­ schließlich braucht es Zeit, dass Teutsch in Wort und Schrift geraten wohl zu setzen. So verzeiht dem alten Manne, der gegen seine Zipperlein und den großen Doosch doch häufig ein Glas gutgekühlten Rüßlings becherte und dann, wenn doch den Federkiel gespitzt ins Fass getaucht fü r die Chronik wird übrigens nur Vega Sicilia Unico Tinto verwendet), nur zwei, drei Worte wohlgestaltet auf das Pergament verbrachte.

Denn es geschah natürlich so wie immer, dass in den Katakomben unseres frischen Marktes die Seilschaft sich zusammenraufte, um ein Weinchen hier, ein Schlückchen da zu schwenken, gurgeln, spucken oder schlucken, um je nachdem dann Daumen oder Augenbrauen hoch zu heben.

Na ja, das Kämpfen hatte doch Tribut gekostet und Feige hatten unsīre Schar verlassen. So trafen sich nur 12 der Zecher, die an Trinkkraft aber gegen hundert stünden und beim letzten Weine, dessen Flasche etwas klein geraten, durchaus mit dem Schicksal nicht zu hadern dachten. Nur ein Recke wurd aufs Schmerzlichste vermisst: der Herr der Katakomben hatte direkt nach einer Jahrgangsprobe bei Egon Müller am Fest der Kanzemer freiwilligen Feuerwehr teilgenommen und war ob der Bandbreite der Güte des Saarweins in schlimmste Leberdepressionen verfallen, die eine zweiwöchige absolute Abstinenz verlangte, bevor mit dem Buchstaben "W" beginnend langsam die Erinnerung, wie Wein zu schmecken hat, neu zu erlernen ist. Doch hat er uns sein Beutegut aus alter Zeit gelassen, die Königin des Weins im Orte (dazumals), die heute neben und über ihn und die Katakomben wacht.

Nach der turbulenten Vorgeschichte wollten wir dann auch in ruhiges Gewässer und mit wohlvertrautem Rüßling uns die Wunden lecken. Und nicht aus Australien, und nicht aus Kalifornien, auch nicht von der Donau sollt er sein: vom Rheine, vom Rheine, da such du Deine Weine !

Beauftragt den Leerstoff zu besorgen wurde der unsrigen einer, damit sämtliche Fettnäpfe an Ort und Stelle auf die Schlipse getreten werden konnten und dem Besorger auch die Punkte stante pede um die Ohren zu hauen waren.

Schließlich ­ um diesmal keinen Streit in diese Welt zu tragen ­ bekam die Reblaus noch Verbot unter 10,8 zu werten.

So stellt sich unsre Stadt und unsre Seilschaft dar, als was sie ist: ein Hort des Friedens und der Freude, einmütig im Lobe und barmherzig gegen kleine Fehlerlein, ist doch auch der Winzer nur ein Mensch, der uns vom großen Versucher verführt, Umkehrosmose und Enzymhefen, malo­ und kryo- raderdoll ins Glas zu bringen versucht.

Der Rösrather ward ausgeguckt, den Leerstoff zu besorgen und ihm ward aufgetragen, dabei Euch, die Chronikleser, zu bedenken. Er tat dies, als er Oestrich wählte, die Stadt, die schon zu ihren Gründerzeiten des Forums und Chronistenfrust gewahr, betreffzeilengerecht nicht Östrich sondern Oestrich schrieb. Internetkompatibilität im 16. Jahrhundert !

So ging es hier um Rieslinge aus Oestrich-Winkel, und der Kühn, der Eser vom Johannishof und der Prinz von Hessen (nein, nein nicht Roland Koch ­ der wird vielleicht Bundeskanzler aber bestimmt kein Prinz, noch nicht mal mehr im Karneval) stellten ihre Schätze auf den Tisch.

Doch so wie jeder Oper ­ und ist Wein nicht auch Musik ­ die Ouvertüre, jeder Chronik ihre Introduktion, jeder Tour de France der Prolog vorangeht, so hatte auch die Rieslingprobe ihr Vorspiel.

Was wäre Riesling, wenn es keinen Rotwein gäbe ? Dann könnte man die oft goldgelbe Flüssigkeit nicht einmal Weißwein nennen. Kein Weißwein ist weiß und viele Rote sind auch nicht rot, sondern schwarz oder violett. Rot / weiß ­ die Farben unserer Stadt: ein Kölner muss die heute gültige Einteilung der Weine geschaffen haben !

Auf alle Fälle ­ wohl auch um des Aufstiegs des EffZeh zu gedenken ­ stellte die Regie einen Roten vor die Weißen. Und unsere Reblaus, (mit starken Banden zum Effzeh, da im Fell von Hennes VI Verwandte), stellte noch einen daneben. Rot ­ weiß: wie lieb ich dich !!!

1.. 2001er Spätburgunder Barrique, QbA trocken, Prinz von Hessen, 14% vol. Alkohol, ca. 15,- Euro.:
zartes Purpurrot (!), typische Nase eines Spätburgunders aus dem Schiefergebirge: Erdbeere und Himbeere. Am Gaumen noch ein wenig Vanille aus dem Fass. Geschmeidiger, leckerer, runder Wein mit gelungenem Holzeinsatz. In großer Einstimmigkeit vergibt die Runde 14,5 ­ 15,0 Punkte

2.. 1999er PurPur, QbA trocken, P.J. Kühn, 14,0% vol. Alk., 15,- Euro:
angekündigt hatte ihn der Rösrather als Cuvée Spätburgunder / Dunkelfelder. Nix Purpur, sattes Schwarzlila ! Verhaltene Nase nach Sauerkirsche, im Mund kommen Blaubeeren dazu. Dichter, kraftvoller, runder Wein. Sehr Dunkelfelder dominiert, meint die Runde, die den Spätburgunder vergeblich sucht. Es gelingt, den Rösrather so zu verunsichern, dass er seinen Lieblingsrotwein aus dem Rheingau flugs in Frühburgunder / Dunkelfelder umbenennt. Das verstand nun jeder und es wurde notiert: typische Noten von Dunkelfelder und Frühburgunder. Im Gegensatz zum vorhergehenden gefälligeren Wein polarisierte dieser ein wenig mehr: 13,5 ­ 15,0 Punkte. Typisch frühburgunderhaft eben. Leider erreichte den Chronisten dann eine Botschaft des Rösrathers, dass der Wein doch eine Spätburgunder Cuvée sei. Nur, wo war er denn, der Späte ? Später kommen kann er nicht mehr, denn der Wein ist reif. Und wenn er früher da war, wars wohl doch ein Frühburgunder ­ oder warum heißt das so ?

Solcherart verunsichert begab sich die Seilschaft aufatmend auf sicheren Boden und unser Hein zog mit lauten Plopp dem ersten Rüssling (bitte ­ falls wegen rot-weiß ein Dortmunder mitlesen sollte ­ Rüssling und nicht Rüssmann, wie es ja auch um Wein und nicht um Fritten geht) den Kork.:

3.. 2002er Gutsriesling QbA trocken, Prinz von Hessen, 11,5% vol. Alk., 5,50 Euro:
typischer Weißwein: strohgelb ! Kräftiges Bukett nach Pfirsich, Honig und vielleicht ein wenig Kalk. Am Gaumen viel Pfirsichfrucht und Zitrussäuren. Artiger, junger Rheingau-Riesling, Gutswein der Extraklasse, der unbändig Spaß macht. Runde wertet geschlossen 13,5 Punkte

Klingeling machte es, als der Hein die nächste Flasche öffnete. Die üblich andachtsvoll zum Hein aufschauenden Blicke der Seilschaft nahmen jetzt einen etwas irritierten Ausdruck an, als sie der Hebamme in Heins Hand ansichtig wurde. (ich weiß, ich weiß, für einen Dortmunder wäre das vollkommen normal, dem legt die Hebamme ja bereits selbige in die Hand). Michael Broadbent hätte jetzt den Raum verlassen ! Kein Plopp ­ auf dem Fußboden lag ein Kronkorken. Na ja, nicht gerade der von DAB und DUB, sondern edelster Edelstahl, die stainless cap eben. Aber stainless hin, edel her ­ das Ding wird aufgemacht wie ne Pulle Bier. Der Chronist jedenfalls ist für Schraubverschluss. Passt auch besser auf die angebrochene Flasche.

4.. 2002er Oestricher Riesling, QbA trocken, P.J. Kühn, 12,0% vol.Alk., 6,50 Euro:
dichtes Gelbgold, attraktive, elegante, kräftige Pfirsich-Nase. Am Gaumen kommen mineralische Noten und ein aparter Bitterton dazu. Die 12% Alk. erzeugen Kraft. Jetzt mit großer Freude zu trinken, aber kann auch ein paar Jahre älter werden. Einer Minderheit ist der Wein etwas zu gefällig, aber die Mehrheit stellt ihn noch über den schon sehr guten Gutsriesling des Hessenprinzen: 13,5 ­ 14,5 Punkte

5.. 2001er Johannisberger Hölle QbA trocken, Johannishof, 12,0% vol. Alk., 5,70 Euro:
der gelbe Wein hat ein etwas verhalteneres Bukett nach Schiefer und Pfirsich, die sich auch im Mund wiederfinden. Der Wein ist deutlich mineralischer als die beiden ersten Rieslinge. Die Runde teilt sich nach Wohnort: die linksrheinischen finden den Wein weniger gefällig als die beiden ersten, wobei das durchaus auch mit dem Jahrgang zu tun haben könnte. Sie werten 13,0 ­ 13,5 Punkte. Auf der schäl Sick dagegen trifft der Wein den Nerv und 14,5 Punkte werden gezückt.

6.. 2002er Johannisberger Hölle Kabinett trocken, Johannishof, 12,5% vol.Alk., 7,50 Euro:
wieder zeigt der gelbe Wein ein eher verhaltenes Bukett, dessen Pfirsichnoten aber mit feiner Mineralität durchsetzt sind und dadurch sehr attraktiv daherkommt. Die Spur Kohlensäure gibt dem jungen Wein Lebendigkeit, aber der leckere Saft gepaart mit einer deutlichen Restsüße erheben den Wein auch für die linksrheinischen Teilnehmer über den Vorgänger. Recht einmütig wertet die Runde 14 + Punkte.

Der Einstieg in den Riesling war also schon fulminant ­ selten haben wir nebeneinander eine solche Runde von Spaßweinen gehabt. Auch die Hölle QbA war ja kein richtiger Ausrutscher, sondern auch für die Richtigseitigen immer noch mehr als anständig.

Jetzt galt die Probe aufs Exempel dem Großen Gewächs: 2 davon erden 3 trockenen Spätlesen folgen und können dann zeigen, ob sie sich auch über die Qualität oder nur über das gestiegene Preisniveau unterscheiden (die wichtigste Regel beim Großen Gewächs ist zweifelsohne, dass keine Flasche unter 12,- Euro verkauft werden darf).

7.. 2001er Johannisberger Klaus Spätlese trocken, Prinz von Hessen, 12,0% vol. Alk., 9,80 Euro:
der gelbgoldene Wein besticht durch ein attraktives Bukett nach Pfirsich, Mineralien und Stachelbeere. Im Mund treten die mineralischen Töne noch deutlicher hervor: weißer Quarzit wird von Pfirsich und Zitrustönen umrankt. Eine fast perfekte Spätlese auch mit einiger Tiefe, die vielleicht etwas mehr Kawumm haben könnte. Die Runde wertet einheitlich 15,0 ­ 15,5 Punkte.

8.. 2000er Oestricher Doosberg Spätlese trocken, P.J. Kühn, 12,0% vol. Alk., 10,- Euro:
schöne gereifte gelbgoldene Farbe. Verhaltene hübsche Nase mit Honigtönen. Im Mund dann allerdings nur Honig und Botrytistöne, nicht sehr harmonisch. Eine Enttäuschung für diejenigen, die den Wein von früher kannten, und ihn jetzt schief und krumm vorfinden. Ein Opfer des wohl schlechtesten Jahrgangs im letzten Jahrzehnt (was den Rheingau betrifft) und seiner feucht-warmen Witterung. 12,5 ­ 13,5 Punkte

9.. 1997er Geisenheimer Kläuserweg Spätlese trocken, Johannishof, 11,0% vol.Alk., 9,50 Euro:
der gelbe Wein riecht nach altem Riesling und ein wenig Mist. Im Mund Bratäpfel und Schiefer. Der Wein wäre etwas jünger sicher besser gewesen. Bis auf eine Ausnahme fand die Runde den Wein auf dem Niveau eines gealterten Kabinett (auch wegen der nur 11%), recht dünn und bemängelte einen Blumenkohlton. Sie werten 12,0 ­ 13,5 Punkte. Die Ausnahme protestiert gegen das Urteil dünn, findet den Wein einfach einen gealterten Riesling und vergibt 14,5 Punkte.

Selbstverständlich war es der Chronist, der hier die Ausnahme bildete und darauf mit großer Gelassenheit den Hohn und Spott der lechzenden Meute ertrug. Dies hatte er schließlich schon auf Schloß Auel mit dem 1983er Haut Brion erlebt. Und an Bemerkungen wie: "auf deinem anstehenden Urlaub an der Obermosel wirst du sicherlich auch einen 1976er Igeler Elbling nicht ablehnen wollen!" erstaunt ihn nur die mitschwingende Häme, denn natürlich würde er einen Wein aus so einem Jahrgang, besonders wenn er aus dem Dullgärtchen käme, mit größtem Interesse probieren: man kann doch nur positiv überrascht werden.... Und wie geht denn ein Elbling zugrunde ?.... Aber leider herrscht in der Seilschaft die Meinung vor, das Wein trinken Spaß bereiten müßte.

10.. 2001er Winkeler Jesuitengarten Erstes Gewächs, Prinz von Hessen, 12,0% vol.Alk, 16,40 Euro:
der gelbe Wein zeigt ein verhaltenes Pfirsichbukett. Am Gaumen kommt die Frucht etwas dumpf. Der Win ist recht harmonisch, lang und stoffig, aber Leute, die ihn kennen, bescheinigen ihm ob des dumpfen Tones einen Flaschenfehler. Die Runde wertet 14,0 ­ 14,5 Punkte.

11.. 2001er Oestricher Doosberg Erstes Gewächs, P.J. Kühn, 12,5% vol. Alk., 16,- Euro:
der dichte gelbgoldene Wein kommt mit einem verhaltenen, aber feinen Minzbukett daher. Am Gaumen präsentiert er sich jung mit Tönen grüner Früchte: Minze, Limone, Bitterfrüchte. Der volle Wein zeigt Komplexität und trotz kerniger, fester Säuren recht viel Ausgewogenheit. Wenn auch jemand Red Bull in der Nase konstatiert, ist sich die Runde einig, hier ein wahres Erstes Gewächs vor sich zu haben und vergibt 16,0 ­ 17,0 Punkte

Wenn der Chronist auch einem 76er Igeler Dullgärtchen Elbling Kabinett durchaus die Chance auf weiteres Potential einräumen würde, war er sich bei dem kommenden offenen Piraten doch vorher schon recht sicher, dass er seinen Höhepunkt überschritten habe. Da war er sich mit der Mehrheit der Runde einig. Und der Wein enttäuschte dies auch nicht, er war enttäuschend:

12.. 1998er Riesling Kabinett halbtrocken, Robert Weil, 10,0% vol. Alk., ca. 7,- Euro:
hochfarbig goldgelb, kräftiges Cassis-Bukett. Im Mund abgebaute Cassisfrucht, im Säurespiel schon deutlich gealtert, noch pikant und fest aber ziemlich fortgeschritten. Hätte ein Jahr zuvor weggemußt. Die Runde vergibt je nach Barmherzigkeitsfaktor 12,5 ­ 13,5 Punkte während die Reblaus als ehemals stolzer Besitzer dieser Flasche seinen Frustfaktorin magere 11,0 Punkte fasst. (unter 10,8 war ihm ja verboten).

"Wir wollen endlich nasse Weine !" , schrien jetzt die Leckermäulchen ob der sommerlichen Temperaturen . "Schluss mit der Trockenheit, es wird bewässert !" befand auch unser Hein und machte sich mal mit Plopp und mal mit Klingeling an die Öffnung der restsüßen Gewächse. Zuerst drei feuchte Exemplare:

13.. 2002er Rüdesheimer Berg Rottland Spätlese, Johannishof, 8,0% vol. Alk., 11,- Euro:
der gelbe Wein zeigt ein attraktives Bukett nach Pfirsich und Wachs und kommt im Mund fast süß als Pfirsich pur und Traubensaft. Als Saftbombe ein hervorragender Vertreter des allgemein sehr fruchtigen Jahrgangs mit langem Nachhall und viel Harmonie. Für manche ist der mostige Wein zu süß aber Naschkatzen wie der Chronist freuen sich über diesen Wein. So je nach Größe des Leckermäulchen 14,5 ­ 15,5 Punkte.

14.. 2001er Johannisberger Klaus Spätlese, Prinz von Hessen, 9,0% vol. Alk., 9,80 Euro:
der goldgelbe Wein duftet nach Zigarrenkiste (Zedernholz), was normalerweise eher zu rotem Bordeaux als zu Riesling passt. Im Mund dann aber schöne Weinbergpfirsiche, womit wir wieder bei der Rebsortentypizität sind. Schlank und elegant kommt der Wein daher, ist süffig und besitzt Tiefe. Durch die nicht so ganz vordergründige Frucht auch hier typisch für den Jahrgang. Wunderschöne Spätlese, die einmütig 15,0 ­ 15,5 Punkte erhält.

15.. 1999er Oestricher Lenchen Spätlese, P.J. Kühn, 12,- Euro:
der gelbgoldene Wein besitzt ein Williamsbirnenbukett, zu dem sich im Mund nach Bananentöne gesellen. Er macht bereits einen ausgereiften Eindruck, weil die pikanten Säuren lebendig eingebunden und mit dem vollen Saft ein sehr harmonisches Ganzes bilden. Trotz der reichen Frucht zeigt der Wein Nuancen und Tiefe und wirkt vielfältig in seiner Delikatesse. Waren die beiden vorherigen Spätlesen schon wunderschön ist diese einfach nur toll. Einheitliche 16,0 Punkte.

Drei Spätlesen mit Klasse also, die die Frucht des Rheinhanges, die Eleganz des Johannisbergs und die Harmonie der Reifung zeigen. Das macht den Mund wässerig für die kommenden Auslesen. Die wurden entgegen der Ursprungsregie nicht nach Alter sondern nach Preis und vermutetem Süßegrad verkostet, was sich im Nachherein als weise herausstellte.

16.. 1999er Johannisberger Hölle Auslese, Johannishof , 7,0% vol. Alk., 26,80 Euro:
der "nur" gelbe Wein zeigt ein attraktives Bukett nach Pfirsich und Kräutern. Im Mund erscheinen neben dem Rheingau-Pfirsich Honig- und Botrytistöne. Der Wein ist lang, rund und dicht, sehr fruchtig und sehr süß, aber für einige auch etwas eindimensional. "Der Wein hat eine Lücke wie eine Hasenscharte", läßt sich eine Einzelstimme vernehmen. Trotzdem bei allen auf hohem Niveau: 14,5 ­ 16,0 Punkte.

17.. 2002er Johannisberger Klaus Auslese Goldkapsel, Prinz von Hessen, 40,- Euro:
der dicht gelbgoldene Wein kommt mit einer attraktiv Botrytisnase daher, in die sich aber auch mineralische Töne mischen. Im Mund vermerken wir Aprikose, Kräuter und Heu und manch anderes, was im Laufe der Zeit noch zum Vorschein kommen könnte. Langer Nachhall, Eleganz, Tiefe und Delikatesse zeichnen den vielschichtigen Wein aus. Viel Perspektive und die Runde zückt recht einstimmig 16,0 ­ 16,5 Punkte für den jetzigen Zustand und denkt, dass der Wein im Laufe der Jahre noch auf 17+ Punkte zulegen könnte.

18.. 2002er Oestricher Lenchen Auslese, P.J. Kühn, 43,80 Euro:
sattes Goldgelb lacht im Glas, Nase und Mund verspüren vollsaftige Aprikose mit viel Honig. Dieser Wein ist reich und vollmundig, doch bei aller Dichte nuanciert. Sehr langer Nachhall. Ein großer Wein: mit 17,0 ­ 18,0 punktet die Runde ungewöhnlich hoch.

Als Bonbon nach dem 98er halbtrockenen Kabinett hatte die Reblaus noch eine Auslese vom Weltstar des Rheingaus springen lassen. Und diesmal war der magische Zusatz "Kiedricher Gräfenberg" dabei, die Erwartung entsprechend groß:

19.. 1996er Kiedricher Gräfenberg Auslese, Robert Weil, 8,0 vol. Alk. halbe Flasche ca. 30,- Euro:
sattes Gold im Glas. In der Nase setzt der Wein die Cassisnoten des Kabinett diesmal mit Honig gemischt fort. Auch im Mund Cassis und Botrytis. Langer Nachhall, viel Saft und Harmonie, durchaus noch Entwicklungspotential. In der Nase allerdings schon sehr reif. Der Chronist steht mit seinen 16,0 Punkten ziemlich alleine, der Rest wertet 17,0 ­ 18,5 Punkte

Pietschnass waren die Weine mittlerweile, aber für den Sommer irgendwie doch zu warm. Also griff unser Hein zum Kellnermesser und entploppte:

20.. 2001er Johannisberger Goldatzel Eiswein, Johannishof, 7,5% vol. Alk, 0,5 Liter für 65,10 Euro:
Sattes Gold und ein reiches Bukett nach Aprikose und Champignons begüßen uns. Im Mund scheint ein Hauch Botrytis, der aber nicht stört, und dann wieder Aprikose und Champignons. Jung ist der Wein. Er hat noch 20 Jahre vor sich. Lebendige Säure bilden harmonisch einen Gegenpart zur großen Süße. So charmant können Champignons sein! Reich und voller Nuancen, barock und doch mit enormen Spannungsbogen kommt der Wein daher. Ein großer Eiswein, bei dem nur die Flasche zu klein geraten ist. Einmütig der Höhepunkt des Abends und 17,5 ­ 18,5 Punkte

Jeglichen Kommentars enthält sich der Chronist, ob die hier angestellten Weine der Probe des Südtiroler Eklats überlegen waren, denn diese hatte er nicht verkosten dürfen und schweige still, wer nicht erfahren. Wohl aber denkt der Chronist, dass das Niveau der drei Weingüter in allen Bereichen sehr hoch lag. Ein wenig erstaunt war die Runde, dass Anfangs der Johannishof ein wenig gegen die anderen Güter abzufallen schien. Aber erstens holte er das mit einem fulminanten Endspurt wieder auf und zweitens mag es sein, dass bei den winzigen Schlückchen, die ein Fläschchen in 12 Zecherkehlen flößt, die saftige Art der Rheinuferweine mit ihren tiefen Böden den mineralischen Johannisbergern unberechtigterweise die Show stehlen ­ weil nun mal sofort da und präsent. Never mind ­ wer mir als Gastgeschenk den Trank von einem dieser Drei anbietet, sei willkommen. Wobei der Kühn ja doch vielleicht die Nase spitzer vorne spitzt.

Wolfgang Martin