Liebes Forum,
und wieder ein Auszug aus der Kölner Chronik:
Spanien stand auf dem Programm der Kölner Seilschaft und weil Spanien so groß ist - es füllt in der Tat fast die gesamte iberische Halbinsel und besitzt die ausgedehntesten Weinflächen der Welt - wollten wir uns auf zwei Anbaugebiete beschränken.
Natürlich plädierten alle ernsthaft an der veritas in vinum interessierten
Mitglieder der Seilschaft für eine erschöpfende Probe der weltweit meist
angebauten Rebsorte - des Airen. Als zweites Gebiet erschien eine Erkundung
des verstecktesten Winkel des Landes für Weinintelektuelle wie uns opportun.
Somit waren die Anbaugebiete La Mancha und Estremadura die natürliche Wahl,
als unser Gebietshein endlich mitbekam, dass über Spanien diskutiert wurde.
Spanien hören und Spanien rufen ist spätestens seit den Bläck Fööss für den
Kölner an sich eins und so sprang er (der Gebietshein nämlich) auf den
Tisch, schnalzte mit den Fingern und schrie: " Spanien, hombre ! Toro, Toro,
Olé ! " Womit das erste Anbaugebiet der Probe festgelegt war.
(Denn - so peinlich der Auftritt auch sein mag - wer wagt schon seinem
Gebietshein zu widersprechen ? Wir Kölner haben bereits unter Napoleon
lieber "Vive l´Empereur" geschrien als in Gefahr zu geraten vom Bordeaux-
und Burgundertrinken ausgeschlossen zu werden. Ob Adenauer dann 150 Jahre
später keinen Blaufränkisch mochte, als er dem Österreicher die Begrüßung
verweigerte, wissen wir nicht, nur dass sich danach doch arg viele in der
Domstadt für Braune Veltliner zu interessieren begannen, womit sie aber -
auch unsere österreichischen Weinfreunde werden zustimmen - das kölsche
Prinzip "für Wein schmeicheln wir jedem Führer" in "für den Führer saufen
wir jeden Wein" pervertierten).
Nur einer war wie immer etwas langsam - sein Namen sei hier verschwiegen -
und fragte dümmlich: "Tohro, warum denn ausgerechnet Tohro?" "Toro, heißt
das, Toro, Toro, hombre," rief der Hein, womit er Recht hatte und wir
ungeheuer stolz auf unseren weltgewandten Jefe spontan in Jubelstürme
ausbrachen. Der Herr der Katakomben schloß den Disput mit dem sofort in die
Chronik aufzunehmenden Satz: "a priori hat der Hein immer Recht". Worauf
dieser zur Hochform auflief und kurzerhand das zweite Gebiet festlegte:
"Priorab". Irgendein Klugscheisser ist immer dabei und murmelte: "das heißt
doch Priorat !" "Schluß jetzt", brüllte unser sanfter Monarch, "a prior´ ´ab
ich immer Recht! Und die Carmen bring ich auch noch mit !"
Und so tranken wir halt Stiere und Priorabs an diesem Samstag in den
Katakomben. Erst die Stiere, damit der Hein hinterher nicht mehr so genau
auf die Flasche guckt. Und die Carmen war dann doch nicht mit, weil nämlich
die Helga, also die Gemahlin unseres Heins, dabei war. Und da kann der Hein
ja schlecht die Carmen mitbringen, verdad ?
Trotzdem war sie natürlich immer dabei, die Carmen. In unser aller Herzen.
Wie denn auch: Espana sin Carmencita - imposible.
Zum Eintrinken hatte der Chronist seine erste Entdeckung aus dem neuen
spanischen Feinkostladen um die Ecke mitgebracht: einen preiswerten Ribera
del Duero, den er als seinen neuen Fernsehwein deklarierte:
1.. 2000er Prado del Rey Roble, DO Ribeira del Duero, Real Sitio de
Ventesilla, 95% Tinta fina (Tempranillo), 3% Cabernet, 2% Merlot, 12,5%
vol.Alk, 6,35 Euro: granatrot, ein bißchen Pferdestall und schwarze Beeren
in der Nase, schwarze mittelsaftige Beeren im Mund aber die Frucht fehlt
etwas. Kräftige Säuren. Dem Rösrather ist der Wein fürs Fernsehen nicht
charmant genug (er guckt wohl nur Liebesschmonzetten), aber dem Chronisten
gefällt die metallische Note für die Stahlnetzfolgen, wenn Metall auf Metall
trifft. Nichts für den Fernsehabend mit Carmen sondern nur allein. Die Runde
vergibt 12,5 - 13,5 Punkte
Wie man hier sieht, war unsere Reblaus nicht dabei, die sicher 2 Punkte
darunter gewertet hätte. Wegen der Carmen, der Nichtvorhandenen, vermutlich,
obwohl die Reblaus auch Helga durchaus zu schätzen weiß.
Toro - spricht sich wirklich wie der Stier und liegt im spanischen Herzland
Kastilien am Duero und seinem Nebenfluss Guarena. Hauptrebsorte auch in
unseren Weinen ist der Tinto de Toro, ein örtlicher Klon des Tempranillo.
Nach der Lektüre des Begleittextes waren wir auf ziemlich ungezogene Weine
gefasst, denn "die Rebstöcke stehen oft weit auseinander, ohne sichtliche
Erziehung in der roten Erde." Und wenn dann die Rebsorte noch Stiertinte
heißt ! Die PISA - Studie allerdings hatten wir jetzt selbst zu erstellen.
1.. 2000er Marques de la Villa Tinto, DO Toro, Covitoro, 13,5 % vol.Alk.
, 5,90 Euro: granatrot, Drops mit Johannisbeere in der Nase, schwarze Cassis
im Mund. Recht einfach gestrickt und parfümiert, aber für den Preis nicht
schlecht. Eher was für Carmen, als sie noch in der Tabakfabrik arbeitete.
12,5 - 13,0 Punkte
2.. 2001er Dehesa Gago Tinto, DO Toro, Telmo Rodriguez, 14,0% vol.Alk.,
7,- Euro: purpur lila, Nase nach rotem Beerenmus, Beerenkompott im Mund.
Saftig, süffig, geschmeidig, jung. Der viele Alkohol ist nicht zu merken. So
machst du Carmen für wenig Geld blau. 13,5 - 14,0 Punkte
3.. 2000er Crianza Tinto, DO Toro, Finca Sobreno, 14,0% vol.Alk., 9,95
Euro: granatrot, lila Ränder, noch Entwicklungspotential. Schwarze Früchte
und Lakritze in der Nase, würzige Kräuternoten, Vanille, Cassis am Gaumen.
Saftig, süffig rund, lecker und kraftvoll. Gehaltvoller als die
vorhergehenden Weine und der erste Wein mit klaren Holztönen. Wenn Carmen
etwas Speck ansetzt. Für zwei ist der Wein zu jung: 13,5 Punkte. Der Rest
vergibt 14,0 - 14,5 Punkte.
4.. 2000er Torresanos Gago, DO Toro, Telmo Rodriguez, 13,0% vol.Alk.,
12,99 Euro: schwarzlila, Ein Pegasus-Wein: das Pferd, das sich anfänglich
mit Paprika und Pfeffer in der Nase findet, fliegt schnell davon. Überhaupt
braucht der Wein Luft und ändert sich ständig im Mund, wobei schwarze
Früchte vorherrschen. Carmen in der Hofreitschule. Sehr interessant und die
Runde vergibt 14,5 - 15,0 Punkte
5.. 1998er Muruve Crianza, DO Toro, Bodegas Frutos Villar, 13,5%
vol.Alk., Preis ? (da gesponsert von Mathias Schuck, bei dem wir uns sehr
auch für seine andere Mühe bedanken, aber unter 10,- Euro): dunkles Purpur,
Pferd, Sellerie und schwarze Früchte in der Nase, dunkle Frucht, weißer
Pfeffer und Minze am Gaumen. Der Wein polarisiert: einfach, weiche Tannine,
nicht sehr fruchtig kommt es aus der einen Ecke, die 13,5 Punkte vergibt.
Die anderen dagegen: vielschichtig, nicht so glatt, hat schöne Ecken und
Kanten und 14,5 - 15,0 Punkte. Anscheinend hat Carmen hier einigen den Kopf
verdreht.
6.. 1990er Gran Collegiata Reserva, DO Toro, Farina, 13,5% vol.Alk.,
früher mal um die 15,.- DM. Der von Klaus Breuer gesponserte Wein war der
Opa der Toro Abteilung und erwies sich als Grandseigneur. Brillantes
Feuerrot wie ein alter Burgunder, Zartbitterschokolade, Süßkirsche, Lakritz
und Vanille. Ein Samtpfötchen-Wein aufgrund seiner milden Säuren. Nicht mehr
allzu voll, aber rund und mit einer Portion Finesse. Um Carmen sanft von
hinten zu kommen. 14,5 - 15,0 Punkte
7.. 1998er Maurodos San Roman, DO Toro, Bodegas Maurodos, 13,8% vol.
.Alk, 25,- Euro: satte schwärzliche Farbe, kräftige Nase nach schwarzer
Frucht und Pferdestall, Brombeeren am Gaumen. Der Wein polarisiert: zu jung
und nicht sehr harmonisch mäkeln die einen und vergeben 14,5 Punkte. Fester,
dichter Wein mit schöner Frucht und edlen Tanninen preisen die anderen und
werten 15,5 - 16,0. Die junge Carmen.
8.. 1999er Dehesa Gago Pago la Jara, DO Toro, Telmo Rodriguez, 14%
vol.Alk., 34,- Euro: vino tinto - von der Farbe her. Kräftiges, aber auch
verschlossenes Bukett nach schwarzen Früchten, Süßholz, Schokolade und
Katjes-Lakritz. Dunkle Frucht, Tannine und Pfeffer am Gaumen. Viel Säure,
sehr präsente Tannine und langer Nachhall. Saftig und kernig, dicht und
tief. Wieder mäkeln die einen: zuviel Säure und Tannine (14,5 Punkte)
während die anderen schon all das in dem Wein sehen, was die rassige Carmen
so elegant tanzen lassen wird (16,5 - 17,5 Punkte)
Spaß haben sie gemacht, die Stiere. Wobei die niederpreisigen Weine auch
ein schönes Preis-Genuss-Verhältnis zeigten. Bis auf den letzten keine ganz
großen Weine - aber mit einer solchen Flasche im Korb kann man Carmen
durchaus zum Picknick einladen. Und es scheint ein später Triumpf anti-autoritärer Erziehung zu sein - wenn so unerzogene Rebstöcke solche Weine hervorbringen.
Und dann kamen die Priorabs (sorry, aber der Hein liest mit). D.O.C. -
neben dem Rioja die einzige Appellation mit dem Zusatz "Calificada". Somit
dem Papier und auch den Preisen nach das höher bewertete Gebiet unserer
Zweierprobe. In Katalonien nahe der Mittelmeerküste gelegen und damit
kulturell und geographisch ein Gegenpol zu Toro. Schieferboden - da schlägt das Herz des Moselpatriarchen gleich höher. Aber auch hier wird Carmen, die Andalusierin, geliebt.
9.. 1999er La Morera de Monstant, DOC Priorabo, Pasanau Germans, 14,0%
vol.Alk., 12,90 Euro: purpur, kräftige Kaffeenase mit roter Frucht, etwas
brandige rote Fruchtmarmelade am Gaumen, saftig, rund, dicht. Polarisiert:
einfach aber schön = 14,0-14,5 Punkte für die einen, schöne Frucht loben die
anderen und vergeben 15,5. Der Chronist würde ihn Carmen zu einem einfachen
Hackfleischgericht servieren.
10.. 1999er Solanes, DOC Priorabo, Cims de Porrera, 14,5% vol..Alk.,
15,- Euro: granatrot, kräftige Nase fast nach Amaroneart (jawohl, haben wir
davor gehabt), auch am Gaumen sehr oxidativ. Wir besorgen eine zweite
Flasche, da keiner diesen Zweitwein von Cims so kennt. Besser, aber immer
noch sehr konzentrierte Cassis- und Brombeertöne, der Vergleich mit Amarone
will nicht vergehen. Dazu ist der Alkohol deutlich zu merken. Wegen der
hohen Konzentration noch 13,5 - 14,5 Punkte, aber gefallen tut der Wein
keinem richtig. Nach den Erfahrungen mit anderen Jahrgängen eine große
Enttäuschung. Da war Carmen richtig sauer.
11.. 1998er Martinet Bru, DOC Priorabo, Mas Martinet, 14,5% vol.Alk.,
15,50 Euro: purpur, kräftige Nase nach schwarzen Früchten und scharfen
Gewürzen. Würzige schwarze Frucht mit Pfeffer und Zartbitterschokolade im
Mund. Feste Struktur, kernige Tannine. Allerdings kein Spindler-Wein, sowohl
dem Hein wie seiner Helga ist der Wein zu scharf. Gerade deshalb mag ihn
Carmen und vergibt der Rest der Seilschaft 15,0-15,5 Punkte
12.. 1989er Clanin, DOC Priorabo, Masia Barril, 15,0% vol.Alk., früher
mal um die 30,- DM vor Ort, gesponsert von Harald Schlechter: feuerrot.
Kräftige Nase nach verbrannten Reifen und - man glaubt es kaum - Petrol. Der
erste Rotwein mit Petrolton, der dem Chronisten untergekommen ist. Es muss
am Schiefer liegen. Maulbeeren und Kaffee am Gaumen, rund. Ein Teil lehnt
eine Wertung ab, da der Wein zerfallen sei, Carmen aber würdigt das Alter
und vergibt 14,0 Punkte
13.. 1995er Clanin, DOC Priorabo, Masia Barril, 16,0% vol.Alk. (!): die
ersten beschreiben ihn noch als Likörwein, aber vor den anderen löst er sich
in seine Einzelteile auf und sinkt in großen Flocken Carmen vor die Füsse.
Natürlich nicht trinkbar.
14.. 1999er Les Terasses, DOC Priorabo, Alvaro Palacios, 13,5% vol.Alk.,
16,90 Euro: purpur, schwarze Früchte und Meer in der Nase, am Gaumen sehr
verschlossen. Junger Wein mit lebendigen Säuren und herben Tanninen. Wieder
werten die einen die Tagesform mit 13,0-13,5 während andere ihn kommen sehen
und ihn auch jetzt schon recht gelungen finden: 14,0 - 14,5 Punkte. Carmen
hält sich jetzt zurück, aber hat den Kerl im Auge.
15.. 1999er Finca la Planeta, DOC Priorabo, Pasanau Germans, 14,0%
vol.Alk., 25,95 Euro: sattes schwarz, Pferdestall, Gemüse und Kaffee in der
Nase. Am Gaumen viel Schmelz und schöne Brombeeren. Viel Saft und langer
Abgang, süffig rund, elegant, delikat. Die Nase ist von einem Gaul aus der
Camargue und der ganze Wein einfach Pretty Flamingo, findet nicht nur
Carmen. Die Runde wertet einheitlich 15,5-16,0 und erklärt diesen Wein zum
preiswürdigsten unter den Priorabs des Abends.
16.. 1997er Mas Martinet, DOC Priorabo, Mas Martinet, ? Alkohol (Carmen
schwebte vorbei und der Chronist vergaß auf die Flasche zu gucken), 50,50
Euro: purpur, wenig oder gar nicht filtriert. Kräftiges Bukett nach
schwarzen Beeren, schöne Kirschen und Brombeeren am Gaumen. Der Wein kann
noch einige Jahre liegen, ist aber auch jetzt schon rund, saftig und mild.
Vielschichtigkeit, Eleganz und Finesse machen aus dem delikaten Wein einen
ganz exzellenten. Zum Festmenü mit Carmen. Die Runde vergibt 16,0 - 17,5 Punkte
17.. 1997er Cims de Porrera, DOC Priorabo, Cims de Porrera, 14,0%
vol.Alk., ca. 40,- Euro: schwärzliche Farbe, kräftige Nase nach Kaffee und
schwarzen Beeren, Cassis am Gaumen. Langer Abgang, Kraft, Saft und Rasse.
Aber der Wein polarisiert: im Vergleich zum Vorgänger finden ihnen die einen
etwas breit und weniger harmonisch (15,5 - 16,0 Punkte). Für die anderen ist
er ein Ausbund an Frucht und Konzentration: 17,5 - 18,0 Punkte. Carmen kann
sich nicht entscheiden, würde aber auch bei diesem Wein nicht maulen.
18.. 1998er Cims de Porrera, DOC Priorabo, Cims de Porrera, 14,0%
vol.Alk., 45,- Euro: schwärzlich und wenig filtriert. Kaffee und schwarze
Früchte in der Nase und im Mund hält Brombeer lange vor. Schöne Frucht, viel
Schmelz, vollsaftig, rund und elegant. Tiefe und Konzentration ohne dick zu
wirken. Die Runde vergibt 16,5 - 18,0 Punkte. Carmen ist entzückt und
verlangt nach mehr.
Die Runde wirkte auf die Priorabs eher ein wenig enttäuscht - doch dies nur
nach dem tollen Einstieg über die Stiere. Enttäuschend wie wenig besser die
doch um einiges teueren Priorabs waren - oder - erstaunlich wie gut die
Toro - Weine mitgehalten haben.
Der Rösrather - hijo de puta - hat den ´98er Cims im Keller. Ich nur den ´97er. Hab ich wohl schlechte Karten - bei Carmen mein ich.
Wolfgang
P.S.: um auch im Namen der gesamten Seilschaft eins klar zu stellen, falls irgend jemand meint, uns aufgrund dieser realitätstreuen Schilderung der Kölner Verhältnisse unbedingt von unserem Gebietshein befreien zu müssen: bitte schiebt Euch Eure krausen Mist - Teils woanders hin und laßt unsere Weinkeller unversehrt - diesen Diktator wollen wir behalten (aber sonst auch keinen).
Meint Wolfgang , der aus lauter Angst, diese wunderschöne 2001er Forster Freundstück Riesling Auslese vom Weingut Heinrich Spindler und seine Nachfolger nicht mehr zu bekommen, bis an sein selig Lebensende (des Heins natürlich) dieses Anbaugebiet bei Tarragona weiterhin Priorab nennen wird.