LoAhr...Schwärmereien in den Katakomben Kölns

Immer wenn die Sonne im Sommer lacht, zieht sich ein hier nicht ganz unbekannter Weinfreund die Sonnenbrille auf und reist als Herr Vastatrix mit Frau Phylloxera ins gelobte Land der Gallier, wo mitnichten Milch und Honig fließt, dafür aber ein anständiger Roter zum Wildschwein erworben werden kann. Als echt Bönnsche Reblaus fühlt er sich da an der LoAhr schon fast so richtig heimisch. Weil er zudem auch ganz gut in der Sprache der Gallier parlieren kann und sich – (weinforums) polygam wie er nun mal ist – im französischen fore du vins (oder so ähnlich) von Weinkumpel Miraculix immer die neuesten Tips über die Zaubertränke holt.
Als echter Freund denkt er dabei natürlich auch an uns Daheimgebliebenen (die wir nur an die Mosel, die Steiermark oder ins Sonoma Valley fahren können) und packt den Kofferraum voll von Vins du LoAhr für eine echt französische degüstazion ( -on wie On-kel, weshalb diesmal unsere sonst durchaus vorhandenen Disku-tanten sämtlich der Probe fernblieben und das Besäufnis als typische Männerorgie am Samstagnachmittag zur besten Bundesligazeit abgetan werden könnte).

Die Ankündigung der Degüstazion ( -on wie On-kel) mag manchen abgeschreckt haben, der seinen Peynaud aufmerksam gelesen hat. Schreibt der Herr Professor doch: "Frucht mühevoller Arbeit, profunden Wissens und geduldigen Schaffens, ist der gute Wein, der große Wein aller Zuwendung dessen wert, der ihn ergründen möchte; so erreicht ihn die Botschaft derer, die den Wein im Gedanken an den Genuß anderer Menschen schufen. Die Degustation ist das Instrument zur Dechiffrierung dieser Botschaft, zur Entschlüsselung der Geschmackseindrücke. Beim Trinken genügt der physische Genuß; Degustieren erfordert darüber hinaus Intelligenz und Kompetenz." Dä !

Also versammelten sich 12 Intelligenzbestien der Kölner Seilschaft zur degüstazion (-on wie On-kel) in den Katakomben unseres geliebten Frischmarktes um zu degüstieren, was es an der LoAhr so gibt. Leider gehört zu einer degüstazion (-on wie On-kel) auch immer ein Chronist, der in typisch tyrannischer Weise von unserem
Gebietsmajestix per Fingerzeig auf den mit den schmächtigsten Schultern bestimmt wurde. Ein verzweifeltes Aufbäumen des Chronisten, daß er der Schriftsprache nicht ganz mächtig sei, wurde mit der Frage gekontert, welche Buchstaben er denn nicht könne. "äh, öh, üh....ß" stammelte der Schreiber dieser Zeilen, was den freudigen Aufschrei der Meute: "wird im französischen nicht gebraucht !" hervorrief.
So habt den hier den Bericht über die Weine der LoAhr und ihrer degüstazion (-on wie On-kel):

Alles begann, wie sich das gehört, mit Sekt:

1. Montlouis Brut, Methode traditionelle, Domaine Francois Chidaine, Montluis sur Loire, 37 FF (11,20 DM)
Ein leckerer, blumiger süffiger Sekt mit milden aber lebendigen Säuren. Nicht allzuviele Perlen, sehr fruchtig. Durch die Milde eher halbtrocken als brut wirkend. 13,5 – 14,0 Punkte

Außer der Reihe aber weil es so schön passte, stellte der Chronist die übriggebliebene Flasche von seinem Geburtstag daneben: dies ist sein Lieblingssekt.

1a. Prelude brut, AC Saumur, Methode traditionelle, Chapin & Landais, Saumur, 12,5% Alk. 19,95 DM
Deutlich voller und kohlensäurereicher, aber nicht so fruchtig wie der Montluis. Vielleicht mehr zu gelben Früchten. Ebenfalls lecker und süffig. 14,0 Punkte

Beide Sekte aus Chenin blanc sind im positiven Sinne sehr gefällig. Dadurch, das die Säuren wesentlich milder als z.B. beim Riesling oder Elbling sind, kann man diese Sekte sowohl Trockentrinkern als auch der Oma, die es lieber etwas süßer mag, servieren. Sekte von Loire (auch die Crémants) sind immer eine Alternative.

Nach den Sekten ging es an den oberen Flußlauf ins Ur-Gebiet des Sauvignon blanc nach Sancerre. Laut unserer Reblaus eines der Anbaugebiete, wo sich der Kauf vor Ort noch richtig lohnt, wird für den einfachen Sancerre oft nur um die 36 FF (11,-DM) gefordert. In deutschen Läden ist Sancerre unter 20,- DM kaum zu erhalten.
Aber auch unsere Reblaus hat sich nicht an die ganz einfachen Weine gehalten, sondern schon etwas tiefer in die Tasche gegriffen:

2. 2000er Grande Reserve, AC Sancerre, Domaine Henri Bourgeois, Chavignol, 12,5 % Alk. 50 FF (= 15,-DM)
Der einfache Sancerre ohne Holzton, typische, recht unaufdringliche Sauvignon – Nase: Stachelbeere, etw. Salbei. Recht schlank, süffig, 13,0 – 14,0 Punkte

3. 1997er Cuvee Etienne Henri, AC Sancerre, Domaine Henri Bourgeois, Chavignol, 12,5 % Alk. 94 FF (= 28,20 DM)
Sancerre mit recht gelungenem Holzeinsatz, Holz und Stachelbeere stehen heute noch etwas gegeneinander, werden aber um nächsten Jahr sicher zusammen finden. Leichter Bitterton, der aber nicht stört. 14,5 Punkte

4. 1995er Cuvee Edmond Vieilles Vignes, AC Sancerre, Domaine la Moussiere (Alphonse Mellot), Sancerre, 12,5% Alk, 120 FF (= 36,- DM)
Goldene Farbe, Holz und Honig, schwerer als Vorgänger. Der Wein polarisiert: einige finden ihn den vielschichtigsten der 3 Sancerre, für andere, darunter den Chronisten, stört etwas die Harmonie und ist das Holz zuviel. So 13,5 - 15,0 Punkte.

Die Probe demonstrierte, daß Sauvignon blanc durch Barriqueausbau auch an der Loire durchaus einige Jahre altern kann. Ein Teil der Runde denkt aber, das zu oft durch das Holz nur die schöne Frucht des Weines überdeckt wird und nur ganz vorsichtiger Einsatz dem Wein mehr Komplexität verleihen kann.

Sancerre liegt von Burgund gerade einmal "über den Berg" und so erstaunt es nicht, daß dort Pinot Noir neben Gamay die vorherrschend rote Rebe ist. Einen solchen gab es jetzt aus der Magnum:

5. 1996er La Bourgoisie, AC Sancerre rouge, Domaine Henri Bourgeois, Chavignol, 12,5% Alk. , 180 FF (= 54,-DM) für die Magnum
Purpur, kräftiges typisches Pinot noir Bukett, recht stämmig und fest, nicht so fein wie ein Burgunder, nicht so fruchtig wie ein deutscher Spätburgunder, vielleicht rustikaler, aber nicht ohne Statur. 13,5 - 14,0 Punkte

Den Fluß hinab ging es jetzt ins Chenin blanc - Gebiet. Chenin blanc wird - wenn möglich - edelsüß ausgebaut. Wenns die Parzelle oder das Wetter nicht zuläßt, wird er trocken vergoren. Hier kam jetzt ein 3er Flight der trockenen Version: erst ein Wein aus der Tourraine und dann zwei flußabwärts aus dem Anjou.

6. 1999er Cuvee Les Choisilles, AC Montlouis, Domaine Francois Chidaine, Montlouis 12,0 % Alk., 60 FF ( = 18,- DM )
Gelbgold, attraktive Nase nach gelben Früchten, rund, mild. Typischer Chenin der besseren Art. Zu Pilzsößchen bestimmt wunderbar. 14,0 - 15,0 Punkte

7. 2000er Saumur blanc, AC Saumur, Chateau Villeneuve, S.C.A. Chevallier, Souzay-Champigny, 13,0 % Alk., 32 FF ( = 9,60 DM )
Strohgelb, attraktive Nase nach Honig und gelber Frucht, süffig, geradlinig, mittelvoll, ansprechend. Ein sauberer, einfacher Wein , leicht im Mund, sehr gutes Preis-Genußverhältnis. 13,0 Punkte

8. 1999er Les Cormiers, AC Saumur, Château Villeneuve, S.C.A. Chevallier, Souzay-Champigny, 13,5 % Alk, 75 FF ( = 22,50 DM ) Barriqueausbau
Sattes Gold, gelbe Äpfel und Vanille in der Nase, nachhaltig, voll, ölig, dicht. Noch Potential. Ein Wein mit Statur. Gefiel allgemein. 14,5 - 15,0 Punkte.

Bei den Rotweinen beginnen wir in Saumur im Anjou und gehen dann nur ein wenig flußaufwärts wieder in die Tourraine nach Chinon und Bourgueil um zum Schluß zum angeblich besten Rotwein der Loire wieder nacxh Saumur zurückzukehren. Dies Gebiet gehört dem Cabernet Franc. Dem Chronisten waren diese Appellationen aus belgischen Lebensmittelmärkten als leichte, süffige Rote bekannt und in Frankreich sind sie neben den Beaujolais vielleicht die bekanntesten Bistro-Weine - die Reblaus hatte da allerdings etwas kräftigere Exemplare ausgesucht.

9. 2000er Saumur-Champigny, AC Saumur-Champigny, Château Villeneuve S.C.A. Chevallier, Souzay - Champigny, 12,5% Alk., 38 FF ( = 11,40 DM )
"Dornfelder" tönte es von unserem Gebietslöwen her. Und in der Tat, die tintige, schwarzlila Farbe, das etwas plumpe Marmeladenbukett und der Kompott- geschmack von schwarzen Früchten erinnerte sehr an diesen Verkaufsschlager deutscher Weingüter. War uns etwas zu marmeladig: 12,0 - 12,5 Punkte

10. 2000er Saumur-Champigny, AC Saumur-Champigny, Domaine des Roches Neuves (Thierry Germain), Varrains, 12,5% Alk., 54 FF ( = 16,20 DM )
Gleiche Farbe wie zuvor, aber deutlich länger und dichter, dazu nicht so plump in Bukett und Mund. Vielleicht etwas rustikal, aber lecker. 13,5 - 14,0 Punkte

11. 1997er Saumur, AC Saumur, Domaine de la Paleine (Joel et Anne Marie Levi), Le Puy Notre Dame, 12,5 % Alk., 37 FF ( = 11,10 DM )
Purpurfarben und eher nach süßen Himbeeren duftend. Sollte jetzt getrunken werden, ist saftig und süffig und für den Preis absolut o.k. 13,0 - 14,0 Punkte

12. 1999er Les Cornuelles Vieeilles Vignes, AC Chinon, Serge et Bruno Sourdais, Cravant les Coteaux, 12,5 % Alk, ca 12,- DM (war gesponsert)
Wieder dunkler in der Farbe, Waldbeeren in der Nase. Etwas schlanker und charaktervoller als der Vorgänger, recht geschmeidig. Auch hier ein sehr gutes Preis-Genußverhältnis: 13,0 - 14,0 Punkte

13. 1998er Les Quartiers, AC Bourgueil, Yannick Arnirault, Bourgueil, 12,5% Alk, 69 FF ( = 20,70 DM )
Leider hält der Wein im Mund nicht, was sein attraktives Bukett verspricht. Etwas unharmonisch und enttäuschend. 12,0 -12,5 Punkte

14. 1995er Chinon, AC Chinon, Chateau de la Grille ( S. Gosset ), Chinon, 12,0 % Alk, 95 FF ( = 28,50 DM )
Granatfarben, Pferdestall und schwarze Beeren im Bukett. Etwas bittere Tannine, die den einen Teil der Probanden stört. Recht saftig und kräftig. 13,0 - 14,0 Punkte

15. 1989er Chinon Vieilles Vignes, AC Chinon, Domaine de l´Abbaye ( S.A.C. Fontaine ), 124 FF ( = 37,20 DM )
Granatfarben, attraktives und feines Bukett nach schwarzen Beeren, die sich auch im Mund wiederfinden. Etwas staubiger Abgang. Nachhaltig, reife Tannine. Ein runder, recht delikater und nuancierter Wein mit Feinheit und auch Eleganz. Wunderbar gereift. 15,0 - 16,0 Punkte

16. 1997er Clos Rougeard, AC Saumur - Champigny, Frères Foucault, Chace, 250 FF ( = 75,- DM )
Den berühmtesten roten Loire-Wein hätten wir blind verkostet wohl nach Bordeaux gesteckt - und dort auch nicht nach Saint-Emilion sondern ins Médoc, obwohl der Wein reinsortig aus Cabernet Franc stammt. Satte schwarze Farbe, im Bukett außer schwarzen Beeren und Kuhstall auch ein deutlicher Minzton, der im Mund in Bitterschokolade übergeht. Präsente Tannine, viel Potential, trotzdem schon delikat zu trinken. Eleganz, Tiefe und Finesse. Ein exzellenter Wein: 16,0 - 17,0 Punkte.

Die roten reichten also von marmeladig plump über angenehm sschlanksaftig-süffig bis elegant und exzellent. Die Rebsorte kann gut reifen, wie der 12-jährige Chinon beweist und hat auch das Potential für höheres, wenn vielleicht auch nicht für ganz große Weine. Insofern dem Dornfelder um einiges überlegen. Für die richtig guten Weine bezahlt man allerdings auch - die Schnäppchen liegen eher bei den süffigen Alltagsweinen.


Zum Schluß zeigte uns der Chenin blanc, was er als Süßwein drauf hat. Die Franzosen scheinen sie in Menge zu lieben: alles war in 1/1 Flaschen gefüllt.

17. 1996er Le Haut Lieu, AC Vouvray Moelleux, S.A. Huet, Vouvray, 12,0 % Alk., 108 FF ( = 32,40 DM )
Die erste Überraschung: Zitrus, Birne, Quittengelee, Feuerstein und Nußtöne waren im nicht gar so süßen Wein zu entdecken (entsprach einer lieblichen Spätlese). Sehr langer Abgang, rassige milde Säuren, nuancenreich und einfach delikat. Für die Mehrheit besser als sein Nachfolger: 14,5 - 16,0 Punkte

18. 1995er Le Mont, AC Vouvray Moelleux, S. A. Huet, Vouvray, 12,0 % Alk, 103 FF ( = 30,90 DM )
Sattes Gold, Grapefruit und Birnen in Nase und Mund, runder, körperreicher und fester als sein Vorgänger, dafür nicht so nuancenreich und etwas einfacher gestrickt. Für die Minderheit der bessere Vouvray. 15,0 - 16,0 Punkte

19. 1999er Coteaux de l´Aubance, AC Cot. de l´Aubance, Domaine de Haute Perche (Christian Papin), St. Melaine / Aubance, 13,0% Alk, 70 FF ( = 21,- DM )
Gold, Honig und Quitten in der Nase, etwas Hustensaft im Mund. Richtiggehend süß aber etwas breit und zu gefällig. Einfach gestrickt. Um Klassen schlichter als die Vorgänger: 12,0 - 13,0 Punkte

20. 1989er La Magdelaine, AC Coteaux du Layon, Domaine des Quarres, Rablay sur Layon, 13,0 % Alk, 77 FF ( = 23,10 DM )
Gelbe Farbe, die auch als krankhaftes Urin bezeichnet wurde. Honig und etwas Alkohol im Mund, einige fanden viel Gummi in der Nase. Der Wein gefiel allgemein wenig, aber der Chronist konnte nach etwas Gewöhnung durchaus interessante Töne im reifen Wein entdecken und zog ihn dem Vorgänger vor. 12,0 - 13,5 Punkte

21. 1990er Les Lys, AC Montlouis, Francois Chidaine, Montlouis, 290 FF ( = 87,- DM )
Dieser Wein glich einer schönen deutschen Beerenauslese: golden in der Farbe, wieder die typischen Birnen, Zitrus und Honigtöne, im Mund mehr als im etwas zurückhaltenden Bukett. Auch dieser Wein ist süßer als die Vouvrays, besitzt bei mehr Körper aber deren Feinheit, Eleganz und Delikatesse. Sehr schön gereift und sehr langer Nachhall. 16,0 - 17,0 Punkte.

Die Süßen aus Vouvray und Montlouis waren eine echte Überraschung: nicht so pappig wie mancher Sauternes oder einfache Österreicher, nicht solche Alkohol- granaten wie die gespriteten Weine Südfrankreichs. Die Süßweine, die den deutschen am ähnlichsten sind: leicht und mit lebendigen Säuren. Nix zu Mousse au chocolat, aber lecker zum alleine schlürfen. Und für eine degüstazion (-on wie On-kel) mit einer netten Disku-tante.

Wolfgang