Allerwelts-Rieslinge auf dem Grill

Hallo Forum,

Fast schon traditionell - soll heißen zum zweiten Mal - traf sich die Kölner Seilschaft in Kleinhamberg. Kleinhamberg liegt neben Großhamberg, ist aber aus oenologischer Sicht viel bedeutender, da hier mit Wolfgang Faßbender ein bekannter Weinjournalist geboren wurde, der im Falle seines Ablebens gute Chancen hat, als bedeutendster Sohn der Gemeinde ein Denkmal gegenüber der Gaststätte Wilddieb gestiftet zu bekommen. Glücklicherweise pilgern die Wine-Enthusiasts noch zu Bobby Parker in die JuEsAe, was unserem lieben Weinfreund die Gelegenheit gab, die Kölner Seilschaft in seinen wunderschönen Garten einzuladen.

So hieß es also "Riesling goes to Mountain Country", weil unser Gebietshein die "Weltriesling-Kiste" der Geisenheimer ins Bergische Land schleppte. Das der König der Weißweine solcherart auftauchte, erregte in der Gemeinde allerdings überhaupt kein Aufsehen, denn Wolfgangs Keller beherbergt Heerscharen dieser Spezies und Kleinhamberg dürfte damit eine der höchsten Rieslingsdichten der Welt (gelagerte und getrunkene Flaschen pro Einwohner) besitzen.

Wir probten also die Rieslinge der Welt: einmal aus dem Paket und dazu noch einige mitgebrachte sowie aus Wolfgangs Keller hervorgezauberte Flaschen. Hier sind also die Verkostungsnotizen bezüglich der Blume:

- dezentes Straußenaroma bei den australischen Henschkes und de Wetshof aus Südafrika
- Anklänge an Chicken Wings bei den Bonny Doon Kaliforniern
- speckig und aus dem Bauch heraus die österreichischen Prager Smaragde
- zarte Töne nach Schweinenacken bei den Elsässern
- klare Bratwurstnoten bei den deutschen Rieslingen.
- dazu eindeutige Ananas- und Zitronentöne bei allen angestellten Weinen
- etwa jeder zweite Wein erschien etwas dünn geraten, sozusagen verwässert

Erst nach längerer, erregt geführter Diskussion und mit knappem Mehrheitsentscheid einigte sich der Chronist mit sich selbst, das diese Aromen doch vielleicht eher vom Grill herüberwehten, wo der Besitzer des erstaunlichsten Frischmarkts nördlich des Weißwurstäquators ebensolches Fleisch auf dem Rost hin- und her drehte. Die Straußen hatte er allerdings nur in Form portionierter und marinierter Filetstücke dabei - wäre sein Frischmarkt noch einen winzigen Tick frischer, hätte er also eine Straußenherde durch Kleinhamberg getrieben, wäre dieses Weltriesling-Event wohl doch in die Annalen der Gemeinde eingegangen.

Die Zitronentöne entpuppten sich als der Duft der Zitronenmelisse, die Ananasaromen als Duft des Ananas-Salbeis (der Chronist wußte bis dahin nicht einmal, das ein solches Kraut existiert) aus den vielen Kräutertöpfen an der Terrasse und es mag auch sein, daß die häufigen kleinen Regenschauern bei dem einen oder anderen Wein ins Glas gelangen konnten.

Man sieht, es war keine Probe unter Weinführer-Bedingungen möglich (Räume ohne Tageslicht, geruchsneutral, konzentriertes Arbeiten), weshalb wir Utz verstehen würden, wenn er diese mail als off-topic der Zensur zum Opfer fallen ließe. Allerdings störten die ungünstigen Probe-Bedingungen kaum einen der Beteiligten, die sich viel mehr auf die Jagd nach dem legendären Faßbenderschen Kartoffelsalat konzentrierten als auf den Vergleich von Henschkes Julius mit Bonny Doons Critique of Pure Riesling. Und nur schwacher Protest der wenigen wahren Weinpuristen erscholl, als zum ersten Mal auf einer Probe der Kölner Seilschaft eine Flasche Bier erschien, um über die Würste auf dem Grill entleert zu werden.

Nur die Martinschen, Zanderschen und Reblausschen Kids, denen der Eintritt in Zickuhrs Katakomben (unserem normalen Proberaum) strikt verboten ist, gaben sich nicht der Freßlust der Erwachsenen hin, sondern übten im Garten eifrig für die Fußball-Weltmeisterschaft 2010. Mit einem einzigen Volltreffer standen sie allerdings voll in der Tradition der Minimalisten dieses unsäglichen Vereins aus dem Süden Deutschlands, der erstaunlicherweise ganz ähnlich heißt wie die Fabrik, die man von den Höhen Kleinhambergs am Fusse des Bergischen Landes vor sich hin (chemisch) reagieren sieht.

Dieser einzige Treffer kippte mit einem raffiniert angeschnittenen Ball das Forster Kirchenstück von Eugen Müller, dass sich dann solange über die Hose unserer Weinnase ergoss, bis dieser sich entschieden hatte, dass der Wein zum auskippen zu schade sei und die Flasche wieder aufrichtete. Anschließend beklagte er laut das unerbittliche Schicksal, daß natürlich ihm und nur ihm diesen Schlag versetzen mußte. Die Dortmunder Fußballexperten Buxbaum guckten sich nur vielsagend an und dachten sich: die Düsseldorfer müßten diese Saison doch gewöhnt sein, einen eingeschüttet zu bekommen. Und dem Chronisten war aufgefallen, dass sich Weinnase schon die ganze Zeit auffällig nah an den geöffneten Probeflaschen plaziert hatte: von nix kütt nix - und schon gar nicht eine Weinnase. So war er nur das logische Opfer dieser gezirkelten Bananenflanke. Wobei der Eugen Müller das nicht verdient hatte.

Mitten im prallen Leben also saß der Chronist einsam auf seinem Stühlchen und versuchte die Welt des Rieslings in Notizen und Punkte zu packen, wobei ihm nur ein Elflein aus Neuss von Zeit zur Zeit zu Hilfe kam. Trotzdem strahlte sein Gesicht, denn diesmal sind alle Bewertungen ausschließlich die seinen und er braucht sich nicht hintanzustellen. Nur generell wird diese seine Wertung vom Rest der Kölner Seilschaft geteilt, was er durch unrepräsentative Kurzinterviews herausgefunden zu haben meint. Was für ein Tag, wo die Chronik die Chronik des Chronisten ist !

Für alle, die durchgehalten haben, jetzt die Notizen:

A. Das "Welt Riesling - Paket"

1.. 1999er Catharina QbA , Grans-Fassian, Mittelmosel, Deutschland: erstaunlicherweise steht nur QbA auf der Flasche, aber alle denken schon, sie ist zumindest halbtrocken. Ein hübscher, pfirsichfruchtiger, leckerer Moselriesling und 14,0 Punkte

2.. 2000er Rhine Riesling von de Wetshof, Robertson, Südafrika: ein ziemlich rustikaler und nicht sehr typischer Riesling. Die das Weingut kannten waren sich einig, dass deren Chardonnays die besseren Weine sind. 13,0 Punkte

3.. 1999er Laubenheimer Karthäuser Spätlese trocken, Wg. Tesch, Nahe, Deutschland: ein leckerer geschmeidiger Wein nach gelben Früchten, etwas voller als 1. und 14,0 Punkte

4.. 1999er Riesling Kabinett trocken, Schloß Vollrads, Rheingau, Deutschland: ein geschmeidiger, fester, mittelsaftiger und mineralischer Wein. 14,5 Punkte

5.. 2000er Julius, Henschke, Eden Valley, Südaustralien: ein ansprechender, gediegener, fester, aber auch für Australien nicht unbedingt typischer Riesling. 13,5 Punkte

6.. 1999er Weissenkircher Klaus Smaragd, Prager, Wachau, Österreich: ein kraftvoll eleganter, dichter, runder, mineralischer, voller Wein mit Potential: 15,5 Punkte

7.. 1999er Weissenkircher Steinriegel Smaragd, Prager, Wachau, Österreich: ein kraftvoller, fester, voller Wein, der seinen Vorgänger allerdings nicht ganz erreicht: 14,5 Punkte

8.. 1997er Florimont, Grand Cru, Wg. Kuehn, Alsace, Frankreich: ein gefälliger, recht neutraler Wein, der einen echten Grand Cru Charakter vermissen läßt: 13,0 Punkte

9.. 1999er Forster Kirchenstück Spätlese trocken, Eugen Müller, Pfalz, Deutschland: ein guter, pfirsichsaftiger und mineralischer geschmeidiger Wein: 14,5 Punkte

10.. Pacific Rim Dry Riesling, Bonny Doon, Livermore Valley/Kalifornien und Washington, USA: wenn meine Oma früher die Mansarde mit den Gäste-Federbetten öffnete stieg mir ein unvergesslicher spezifischer Moderduft in die Nase, den ich dann auf obskuren Moselterrassen einige Male in ebenso obskuren Flüssigkeiten (die laut Karte "Riesling" hießen) wieder entdecken konnte. Kalifornische Mansarde habe ich bei diesem Wein notiert und mich einer Wertung enthalten. Die hübsch bemalte Flasche mag den unbekannten Preis wert sein, den Inhalt sollte man der Katz des Nachbarn zu saufen geben. Wertung wird abgelehnt.

11.. Critique of pure Riesling, Bonny Doon, Washington, USA: Verschwendung von Eichenholz, dass den Geschmack des obskuren Inhalts dieser Flasche prägt. Meiner Meinung nach übt Bonny Doon hier nicht Kritik am Riesling sondern am Wein überhaupt. So sorry - no points for JuEsÄh

12.. Lenswood Greens Hill Riesling, Henschke, Adelaide Hills, Südaustralien: ein geschmeidiger, fester, guter, typischer Riesling mit Zitrustönen. Der bessere der beiden Henschkes: 14,0 Punkte

Nach den vorhergegangenen Diskussionen im Forum war das Erstaunen über die Zusammenstellung des Pakets nicht allzu groß. Wie aus der Papierform schon zu erraten, waren die Prager-Weine (Smaragde) mit Abstand die besten. Schade, das nicht 2 verschiedene Österreicher (z.B. Kremstal) und Australier (z.B. Seppelts oder Wolf Blass Gold Label) angestellt waren. Schade, das die US-Weine nur auf Effekt ausgesucht waren - es gibt wesentlich anständigere Rieslinge in Kalifornien. Und schade, das auch aus dem Elsaß nichts besseres im Paket war.

B. Weitere Rieslinge

1.. 1998er Wormeldange Wousselt Grand Premier Cru, Coop Vinsmoselle, Luxemburg: einigen hatte der Wein zuviel Säure, aber dem Moselliebhaber war er ein fester, saftiger, süffiger Wein, der sein Geld (12,50 DM) wohl wert ist. Er gibt 14,0 Punkte.

2.. 1997er Riesling Fut 240, Gales, Luxemburg : durch Kork ungenießbar

3.. "Schweinecuvee" aus dem Elsaß: Flaschenfehler, ungenießbar

4.. 1998er Riesling Stein, Cave Vinicole de lŽAndlau Barre, Elsaß: ein ansprechender, herzhafter, mittelvoller Wein von etwas rustikaler Art. 13,0 Punkte

5.. 1990 Riesling Rosasilber Spätlese trocken, Fürst Löwenstein, Rheingau: ein gereifter, nachhaltiger, fester Wein, dessen beginnende Firne einen pikanten Ton besteuert: 14,5 Punkte

6.. 2000er Monzinger Halenberg Spätlese (der erste liebliche Wein am Abend), Emrich-Schönleber, Nahe: ein leckerer, nachhaltiger, aprikosensaftiger, süffiger Wein, den Peter Jordan vielleicht als Alcopos beschrieben hätte, der aber allen Teilnehmern inkl. des Chronisten gut mundete: 14,5 Punkte

7.. 1997er Scharzhofberger Auslese, Jordan & Jordan, Saar: es gab heftige Diskussionen, ob dieser Wein einen Schwefelböckser oder sonst einen Flaschenfehler habe. Der Chronist konnte einen solchen nicht entdecken, sondern trank einen recht dichten, saftigen, runden, nachhaltigen Wein mit pikanter Note nach Johannisbeerblättern. 15 Punkte (vom Chronisten)

8.-10. Die Kräfte erlahmten und die Notizen werden spärlich: ein 1996er QbA trocken von Werle fand bei anderen mehr Gefallen als beim Chronisten; ein 1998er Kabinett halbtrocken der Karlsmühle (Ruwer) war einfach schön ohne groß zu sein (14 Punkte), ein 1996er Grand Cru Budenthal von Gerard Naumeyer hatte einen Alterston.

C. Zum Schluß drei Rote

1. 1997er Esporao, Tinto Reserva "mit ausgeprägter dunkler Farb- u. saftiger Kirsch-/ Kräuternote , so noch etwas holzlastig , angenehme Säure und stabiler Körper ,mind. 5-8 Jahre Lagerungspotential ! "Süffig" und von den Frauen und der Reblaus überraschend so "geschätzt" ! (Originalkommentar Weinnase) Als Versuchskaninchen verführte uns Weinnase zur Probe eines modernen Alentejo Portugiesen, den irgendwer demnächst für über 20,- DM in Deutschland verkaufen will, falls er gefällt. Es war ein guter, international gemachter Wein, der die 20,- DM (aber nicht viel darüber) wert ist. Der Chronist trauert bei so etwas allerdings immer den schönen einfachen Weinen aus autochthonen Rebsorten nach, die er vor drei Jahren bei seinem Olivenhändler erstehen konnte. Und fragt sich, wann die Eichenwälder abgeholzt sind. 14,5 Punkte.

2. ein Cabernet Sauvignon aus Almeria, Spanien ging leider am Chronisten vorbei

3. ein 1997er Napa Valley Cabernet von Robert Mondavi entschädigte dann für die Bonny Doons der Riesling Probe. Der elegante, delikate Wein bestach durch ein attraktives, reiches Bukett nach Johannisbeeren, die sich zusammen mit weiteren schwarzen Früchten auch im Geschmack wiederfanden. Der Wein war saftig, rund und fest und von genügender Tiefe. Kein großer, aber ein typischer Cabernet par excellence. 16,0 Punkte.

Wolfgang
der jetzt ein Straußenbein braucht