Liebe Forumianer, liebe Stammtischler,
gestern war es endlich so weit, in der Koelner Seilschaft fand die Auswahlprobe für den Monats- wein Chateauneuf-du-Pape und umliegende Gebiete statt Die Vorbedingungen waren dabei nicht die besten, es ist sehr schwierig, gute Rhoneweine zu finden, die ggf. noch in 300er-Menge zu bekommen wären. Das mag auch daran liegen, dass die südliche Rhône in den vergangenen Monaten einen beachtlichen Aufschwung genommen hat. Verantwortlich sind die ausgezeichneten Jahrgänge 1998/1999/2000, die das Interesse der weininteressierten Öffentlichkeit auf Châteauneuf-du-Pape und Umgebung gelenkt haben sowie die überschwänglichen Kritiken, die Parker vielen 1998ern angedeihen lassen hat.
Ursache von Parkers Euphorie ist nicht nur die besondere Qualität des Jahrgangs, sondern auch ein Trend, der sich im Zuge der Parkerisierung der Weinwelt überall verfolgen lässt und der an der südlichen Rhône vielleicht noch etwas stärker ausgeprägt in Erscheinung tritt als andernorts: Die Weine sind gefälliger geworden und orientieren sich mehr am Mainstream, sie werden früher trinkreif und bringen eine in vanillige Barriquenoten eingebundene saftige Frucht. Insbesondere die Châteauneufs und die Gigondas-Weine sind nicht mehr so rustikal und kantig wie sie sich noch vor einem knappen Jahrzehnt bei vielen Gütern präsentierten. Und auch wenn das der eine oder andere als Verlust der gebietstypischen Charakteristika beklagen mag, zeigt sich gerade bei diesen Weinen nicht selten, dass sie nach der Umstellung ihr gewaltiges Potential noch besser ausschöpfen als früher und noch "größer" wirken.
Dieser Rhône-Boom hat für unsere Auswahlprobe nicht nur positive Konsequenzen. Als problematisch erwies sich, dass der 1998er fast überall schon ausverkauft ist oder jedenfalls nur noch in so geringen Quantitäten verfügbar, dass keine 300 Flaschen mehr erhältlich wären. So sind etliche vielversprechende Weine herausgefallen.
Ein ähnliches Bild zeigt sich beim 1999er. Etliche Erzeuger haben noch nicht gefüllt oder müssen wegen der quantitativen Limitiertheit dieses qualitativ erneut hochwertigen Jahrgangs die Abgabe derart kontingentieren, dass die Importeure keine ausreichenden Mengen zur Verfügung haben. Von Fritz und mir unternommene Versuche, Probeflaschen direkt vom Erzeuger zu ergattern und ggf. einen Direktimport durchzuführen, stießen bei den kontaktierten Gütern leider auf Ablehnung, mangels lieferbarer Masse.
Auch die preisliche Entwicklung wirkt sich ungünstig aus, zahlreiche Weine sind mittlerweile so hochpreisig, dass wir sie auch bei Abnahme von 300 Flaschen nicht mehr zu einem Preis bekommen können, der inklusive Versandkosten einen Endpreis von nicht mehr als 50 DM erlaubte. Dennoch ist es gelungen, 18 vielversprechende Weine zusammenzubekommen, und ich möchte in diesem Zusammenhang die Bemühungen von Fritz besonders hervorheben, der uns seine ausgezeichneten Kontakte zu vielen Importeuren hat ausnutzen lassen und etliche Probeflaschen sehr günstig besorgt hat. Auch Lawrence Schiller hat uns vorbildlich unterstützt und von einem Händler seines Vertrauens zwei Flaschen in die Probe eingebracht.
Ein Dank gebührt auch der Kölner Seilschaft, die die dennoch für einige Flaschen angefallenen Kosten per Umlage übernommen hat, so dass der Stammtisch damit nicht belastet wird.
Die Probe erfolgte - wie in Erlangen auch üblich - blind. Die fünf Weine mit den höchsten Noten wurden in einer zweiten Runde noch einmal gegeneinander verkostet, wobei sich ein ganz klarer Sieger ergab. Dennoch sind auch die anderen vier sehr zu empfehlen und werde ich sie in den nachfolgenden Verkostungsnotizen besonders hervorheben. Bei den vergebenen Punkten wird zunächst immer die Punktzahl genannt, auf die wir uns nach arithmetischem Mittel im Kreis geeinigt haben, danach der Punkterahmen der Verkoster, wobei es bei einigen Tropfen auch schon mal beachtliche Ausreißer nach oben und nach unten gab.
1.
1999er Domaine Houchart Cotes de Provence (10,-DM)
Auge: mittleres Purpurrot, klares Erscheinungsbild, Rand etwas wässrig
Nase: fruchtig, nicht allzu kräftig, leichter Muffton, der an der Luft verschwindet,
gewisser Butter- ton, etwas Sellerie, laktisch
Mund: etwas unsaubere "erdige" Beeren, Wild, Unterholz, Dörrobst - Pflaumen,
Feigen, erinnert einige etwas an einen süffigen Beaujolais, hohe Säure, wenig Tannin.
13,5 Punkte (12 bis 15 Punkte bei den einzelnen Verkostern) obwohl eigentlich nicht
zum Probegebiet gehörend, in die engere Auswahl genommen wegen des guten
PLV, für gut 10 DM Endverbraucherpreis ein feiner Tropfen, zu beziehen bei
Weinkellerei Karl Weber, Tel.: 0221/68.45.00
2.
1999er Côtes-du-Rhône "Les deux Albions" St.-Cosme (18,50 DM)
Auge: tiefes Purpurrot, dunkel, fast undurchdringlich, nicht ganz klar
Nase: Mischung von Pferdemist und nassem Leder, etwas rauchig, Tabaknote, nicht
uninteressant
Mund: kräftiges, gut eingebundenes Tannin, wirkt noch sehr jung, wobei die Frucht
auf der anderen Seite schon sehr reif wirkt, fraglich, ob sie so lange hält, wie die
Tannine brauchen, um sich zu glätten, noch recht hoch in der Säure, Schwarzkirsche,
etwas Bitterschokolade, bekommt nach einigen Minuten in der Nase einen leichten
Eukalyptus-/Minzeton. 14,5 Punkte (13 bis 15,5 Punkte) mit Potential zu noch höherer Punktzahl in einigen
Jahren, daher ebenfalls in die Nachprobe aufgenommen, vom Preis-Leistungs-Verhältnis ein toller Tropfen aber jetzt zu jung und vor allem deshalb nicht
für den Stammtisch gewählt. Zu beziehen bei les amis du vin in Köln.
3.
1999er Côtes-du-Rhône Domaine de la Garrigue (18,50 DM)
Auge: nicht ganz klares Rot, leicht bräunlicher Einschlag, etwas stumpf "Sienarot"
Nase: Sattelfett, Leder, etwas verschleiert weil sehr alkoholisch, Frucht daduch etwas
diffus
Mund: bitter, vor allem im Abgang, hohe Säure, schlanker Körper, ziemlich kurz, wenig
Volumen, leicht, etwas Lakritz, in sich nicht so harmonisch wie die Vorgänger
Scheint dem ersten Wein vergleichbar, wird aber von fast keinem gleich beurteilt,
sondern etwas besser oder etwas schlechter eingeordnet. Insgesamt etwa gleich wie
der erste Wein eingeordnet ca. 13,5 Punkte
4.
1998er Ch9dP Domaine Les Devers (20 DM)
Auge: mittleres Ziegelrot
Nase: "leicht gärendes Beerenkompott", etwas hefig, weich aber schmal, fast spritig
Mund: vorne auf der Zunge noch eine angenehme Frucht, hinten heraus bitter und
eher ent- täuschend, kurz, alkoholisch, schmeckt etwas ältlich, sehr schlicht, kein
Abgang, etwas erdig, oxidiert, Wein gefällt insgesamt nicht.
11,5 Punkte (11 bis 12 Punkte)
5.
1998er Ch9dP Quiot (20 DM)
Auge: helles Purpur, klar, etwas blass aber trotzdem schön
Nase: etwas pfeffrig, im ersten Moment ein leichter Anflug von Stall, der recht schnell
verfliegt, etwas frischer als die Vorgänger
Mund: rundester Wein bisher, gut eingebundenes Tannin, weich, harmonisch, leichte
Bitternote, die aber die Harmonie nicht stört, in sich geschlossen, durchgängig, süße
Fruchtnote, leicht liebliche Spitze. Für die meisten etwas unter dem zweiten Wein anzusiedeln, 13,5 bis 14,0 Punkte
6.
1998er Ch9dP Quiot Le vieux lazaret (21 DM)
Auge: mittleres Rot, leichtes Karmin, sauber
Nase: eher eindimensional, leicht vegetabile Note, gewisse Süße, insgesamt aber
zurückhaltend, leichte Rosine
Mund: vordergründige Süße, die recht schnell in einen gewissen Bitterton übergeht,
reif, fruchtig, voller Abgang, mittlere Länge, recht süffig, insgesamt nicht schlecht aber
nicht sehr rassig und elegant, gefällig aber ohne große Persönlichkeit.
14 Punkte (13,5 bis 14,5 Punkte)
7.
1998er Gigondas Delas Les Reynages (28 DM)
Auge: mittleres Rot, violettes Spiel
Nase: "Brotton", mittleres Weißbrot (Bemerkung der Weinnase, die uns wohl schuldig
bleiben wird, was das genau ist); sehr kräftig, etwas pferdeschweißig
Mund: Marmelade, beerig, wie manche kleine Burgunder, Rösttöne, sehr weiche
Tannine, wirkt insgesamt sehr rund, hohe Säure aber nicht bitter, wirkt dadurch etwas
scharf, nicht sehr komplex, ausgelaugt, als wäre das Lesegut bis ins Letzte ausgereizt
worden. 13,5 Punkte (12,5 bis 14,5 Punkte)
8.
1998er Gigondas Domaine de Bosquet (25 DM)
Auge: jugendliches Purpur mittlerer Tiefe
Nase: buttrig, etwas in Richtung Beaujolais, «Campino», rote Früchte, noch sehr
entwicklungsfähig
Mund: schöne Tannine, Butterton, angenehme Frucht, beerig, leicht süßlich, leichte
Paprika, insgesamt recht ausgewogen und angenehm, etwas Pfeffer, Gewürze,
mittlerer Abgang, erinnert einige an Merlot. 14,5 Punkte (12,5 bis 15 Punkte)
9.
1998er Gigondas Domaine de la Bouissière (28,50 DM)
Auge: tiefes Rot, geht fast auf schwarz
Nase: volle Nase, komplex, Charakter, sehr attraktiv, schwer bestimmbar, leichte
Schweißtöne, leichter Vanilleton, Einzelmeinung «Weihrauch».
Mund: schon recht gut entwickelt, noch deutliches Potential, schöner Schmelz, feine
Fruchtsüße, schmeckt nach Beeren aber nicht marmeladig, sondern eher in Richtung
Waldbeeren, gute Struktur, keine zu hohe Säure, nicht bitter, gefällt, wird noch einige
Jahre besser werden, ist aber jetzt schon schön zu trinken, Abgang eher mittel.
15 Punkte (15 Punkte, einzelne gaben sogar bis 16 Punkte), ein Wein, der ebenfalls
in die engere Auswahl kam und dort ganz knapp hinter dem zweiten Chateauneuf den
dritten Platz belegte (zu beziehen bei Weinland/Mövenpick)
10.
1998er Ch9dP Domaine de Beaurenard (29 DM)
Auge: wie rote Brombeeren, nicht ganz klar
Nase: Kakaopulver, schon leicht oxidativ
Mund: schokoladig, laktisch, brennt, alkoholisch, spitze unangenehm dominierende
Säure, oxidativ: 13 Punkte (12,5 bis 13,5 Punkte)
11.
1998er Château Negly La Falaise Coteaux du Languedoc (27,-DM) - Pirat,
außer
Konkurrenz. Auge: schönes, sehr dunkles Rot, schwarzer Einschlag, fast teerig
Nase: am Anfang etwas Kloake, die sich aber sehr schnell verliert, Brombeeren,
leichter bis mittlerer Rauchton, Eukalyptus/Minze, erdig, dunkel, Waldpilze
Mund: kräftige, sehr süße Frucht, konzentriert, vollmundig, leichte Schokoladen- und
Röstaromen, etwas bitter, aber sehr angenehm, etwas kräuterbetont, hat etwas von
Estragon. Glatte 16 Punkte, ein Wein der viele der
Rhonegewächse deutlich hinter sich lassen konnte, allerdings auch im Preis nicht weit von den Chateauneufs entfernt ist.
12.
1998er Ch9dP Domaine de la vieille Julienne (Preis offen)
Auge: mittleres Rot mit hellem Rand
Nase: leichter Aniston, ziemlich üppig, Kräuter, Heu, wenig Frucht, Korinthen, leichte
Schokolade,
Mund: starker Alkohol, etwas spritig, ätherisch, rosinig, etwas süßlich, mittlerer Abgang
mit bleibender Rosine. 14,75 Punkte (13,5 bis 16 Punkte), sehr umstrittener Wein, der deshalb nicht in die
engere Auswahl kam.
13.
1998er Ch9dP Cuvée Aurore von Patrick Lesec (35 DM)
Auge: dunkles Ziegelrot, ganz leicht in ein helles Braun spielend
Nase: Leder, leichter Stallgeruch, überrreif, rosinig, eher ausdrucksschwach, Früchte
kommen nur ganz schwach und erst nach längerem Belüften, leichtes Zedernholz
Mund: spürbare Tannine, sehr schön eingebunden, feiner Kakao, leichte Spur von
Tabak, kräuter- ähnliche Medizinalnote, die aber als angenehm empfunden wird, zu
jung, fehlt etwas Schmelz und etwas Fruchtsüße im Abgang.
Gut 13,5 Punkte (13 bis 15 Punkte), sehr umstrittener Wein, die Medizinalnote muss
man mögen, die Mehrheit der Verkoster landete bei 13 bis 13,5 Punkten.
14.
1998er Ch9dP Domaine Deydier Les Clefs d Or (35 DM)
Auge: dunkles Ziegelrot, ein Poet unter den Verkostern gab zu Protokoll: "sieht aus
wie eine rot- haarige Zigeunerin, hat aber nicht so lange Beine"
Nase: eher zurückhaltend, gekochte Paprika, sehr attraktiv, interessant, etwas
animalisch
Mund: löst Begeisterung aus, schöne breite Fruchtsüße, elegant, noch recht jung, fünf
Jahre Entwicklungspotential aber schon zugänglich, Tannin sehr weich und fein,
Säure noch recht hoch, eher Walzer als Polka, Schmelz und Frucht, schöne Struktur
aber kein Kraftpaket. 16 Punkte (14,5 bis 17 Punkte) wäre ein Kandidat für die engere Auswahl gewesen,
leider bekamen wir aber nur eine Probeflasche zugeschickt, so dass wir nicht
nachprobieren konnte, hätte aber gegen den späteren Sieger auf keinen Fall
gewonnen.
15.
1996er Ch9dP Villeneuf vieille vigne (26 DM)
Auge: helleres Ziegelrot, "verwittert", leichter Braunstich
Nase: starker Tabak, dahinter etwas Rhabarber, Pflaume, etwas medizinisch
Mund: Pflaumen, Rhabarber wie in der Nase, im Abgang zarte bittere
Schokoladentöne, relativ dicht, leicht medizinisch, wirkt etwas zu alkoholisch, sehr
reif, kein Reifepotential, Einzelmeinung: unentwickelte Tannine.
14,5 Punkte (13,5 bis 16 Punkte)
16.
1998er Ch9dP Pegau (36 DM)
Auge: mittleres Rot, nicht ganz klar
Nase: erst "Pferdestall", der recht schnell verfliegt, es bleiben aber animalische
Töne, eher zurück- haltend, zarte Schattenmorelle, langer Abgang mit leichtem
Bitterton, animiert zum Nachriechen
Mund: sehr, sehr lang, süßer Abgang, noch etwas jung, nicht ganz harmonisch, wenig
Tannin, lakritzig, dicht, viel Struktur, lagerfähig (Wolfgang Martin meinte, der Wein sei
"kommunistisch" weil er ehrlich, extrem, kräftig und jung sei, keine Kompromisse
schließe und kein Mainstream sei, wir verwiesen Wolfgang darauf, dass wir im Forum
eine Metadiskussion über Politik riskierten, wenn wir dergleichen ernsthaft
einbrächten). 15,5 Punkte
17.
1998er Ch9dP Domaine de la Janasse (31,20 DM)
Auge: dunkles Rot, ins Violette spielend, dick
Nase: erdig, mineralisch, Steinobst, leicht parfümiert, Holunder, frische Nelke
Mund: etwas Pfeffer, Tabak, Schokolade, Vanille, sehr dezent, schöne aber keine
plumpe Frucht- süße, eher elegant, lebendig, schöne frucht, feien Struktur,
harmonischer mittlerer Abgang, sehr reif, heute gut zu trinken, sehr rund.
16 Punkte, ein herrlicher Wein, war in der engeren Auswahl, verlor dort aber deutlich,
dennoch zweiter Platz in der Probe, knapp vor dem Gigondas von La Bouissière
18.
1998er Ch9dP Chapoutier La Bernardine (32 DM)
Auge: stumpfes dunkles Ziegelrot
Nase: Pflaumenkompott und dunkle Beeren, sehr attraktiv, für einige spritig, für andere
schwer zu fassen, in Richtung Gelee
Mund: nach der interessanten Nase sehr enttäuschend, marmeladig, weich, kaum
Säure, schwache Struktur, wässrig, nichtssagend, wenn jemand in der neuen Welt
versuchen würde, einen Ch9dP zu machen, würde er so schmecken.
13,5 Punkte (13 bis 16 Punkte, wobei die hohen Noten selten vergeben wurden)
19.
1998er Ch9dP La Nerthe (39 DM)
Auge: schönes, samtiges Granatrot, dunkel, klar, tief, konzentriert
Nase: Schokolade, etwas Pflaume, leichte Schlehe, zarte Lakritze, Pfeffer,
entwickelte Frucht
Mund: schokoladig, feine Vanille, interessante Gewürze, Kräuter, herrliche Fruchtsüße
aber auch ein leichter Pfefferton, sehr weicher, entwickelter Wein, sehr rund,
harmonisch, perfekte Tannine, sanft, einer der konzentriertesten der Probe, einer der
ausgewogensten. 16,5 bis 17 Punkte, bei der zweiten Verkostungsrunde im direkten Vergleich der
Besten sogar noch etwas mehr - mit Abstand der beste Wein der Probe und
eindeutiger Sieger