Deutsche Weißweine und Käse

Liebe Forumianer,

Pünktlichkeit ist nicht nur die sprichwörtliche Höflichkeit der Könige, sondern auch eine Notwendigkeit, wenn man es mit dem Kölner Regionalstammtisch zu tun bekommt. Nur ein paar Minuten zu spät war ich beim Monatstreffen am Samstag im Hof des legendären Frischmarkts Zickuhr zu Köln, noch dazu mit bester Entschuldigung ausgestattet, trotzdem hatten die anderen Teilnehmer schon beschlossen, dass ich mich freiwillig als Protokollant melde. Auf was ich mich da ungefragt eingelassen hatte, wurde mir erst klar als "Gebietshein" Egon Spindler fröhlich kundtat, er habe von den 17 Teilnehmern an die 40 Flaschen zusammengesammelt, die nun zur munteren Verkostung anstünden. Einige haben wir schließlich ausgelassen, um überhaupt noch etwas schmecken zu können, doch auf 29 größtenteils sehr überzeugende Bouteillen brachten wir es dennoch, untermalt von den köstlichen Käsen des Hauses Zickuhr, es wurde ein denkwürdiges Erlebnis (ja, ich weiß, Käse zum Wein etc., wir haben aber versucht die Geschmacksnerven für den Wein möglichst frei zu halten).

In the order of appearance wurden zum Thema "deutscher Weißwein" die folgenden Flaschen zu Altglascontainerkandidaten promoviert:

1.
1997er Deidesheimer Hergottsacker Riesling Kabinett trocken, Weingut Heinrich Spindler, Pfalz
Ein angenehmer Sommerwein aus dem Familienbetrieb des Gebietsfürsten, hellgelbe Farbe, in der Nase fruchtig, nicht sehr intensiv, sehr ausgeprägte Säure (8,5g bei nur 0,3g RZ), knackige Pfälzer Frucht aber auch cremige Komponenten, rosa Grapefruit, Banane, macht Freude

2.
1997er Niersteiner Brudersberg Riesling QbA trocken Weingut Heyl zu Herrnsheim Rheinhessen)
deutlich dunkler in der Farbe, voller im Geschmack, viel Extrakt, sehr konzentriert, lang im Abgang, schöne Gewürznoten, Pfeffer, Muskat, aber auch angenehme Frucht - gelbe Melone - dann noch etwas in der Richtung Weißdorn, Schlehe, ein ausgesprochen interessanter und für weniger als 10 DM sehr preiswerter Wein

3.
1989er Gau Bischofshäuser Herrenberg Riesling Kabinett trocken, Werner Mauth (Rheinhessen)
lichte Firne in der Nase, ebenso im Mund, aber noch recht spritzig, angenehme Säure, zurück- haltende aber runde Frucht, kein Schwergewicht, außerdem schon nach einigen Minuten im Glas deutlich abbauend, aber ein ordentlicher Wein, den man noch immer gerne trinkt.

4.
1998er Weingartener Hohenberg Auxerrois, Winzergenossenschaft Weingarten
Ein Außenseiter, allein schon der Rebsorte wegen, die in Deutschland nur von etwa einem Dutzend Betrieben angebaut wird. Ein guter Auxerrois erinnert ein wenig an Grauburgunder, weil er auch die schwere etwas ölige Konsistenz hat und manchmal ein wenig parfümiert daherkommt. Der Weingartener Auxerrois ging zwar auch in diese Richtung, zeigte aber sehr wenig eigenes Profil. So jedenfalls meine Einschätzung und die Mehrheitsmeinung bei der Probe, die den sehr kleinen gemeinsamen Nenner "fad" fand. Aber so leicht mache ich es mir nicht, ich will nicht verschweigen, dass es auch eine nicht eben kleine Minderheit gab, die den Wein als "herrlich" bezeichnete, wegen seiner Ausgewogenheit und seines sehr runden Erscheinungsbilds. Was die anderen wiederum als zu glatt und charakterlos einstuften, so ist es nun einmal mit dem Wein, da kann man wunderbar unterschiedlicher Meinung sein, ohne wirklich zu streiten, der Schoppen, ob gut oder schlecht, stimmt letztlich doch fast jeden pazifistisch.

5.
1997er Baron zu Knyphausen Riesling Charta trocken (Rheingau)
gelb mit deutlichem Grünschimmer. starke, ausgewogene Frucht, sehr extraktreich, stoffig, Säure prima eingebunden, laaaang, etwas Zitrusfrcht, etwas Pfirsich, Aprikosen, unglaublich harmonisch, ein traumhafter Wein, für 13 DM im Preis fast unschlagbar. Einer meiner persönlichen Favoriten.

6.
1995er Niedernhäuser Hermannshöhle, Riesling Spätlese trocken, Dönhoff (Nahe)
Nase zurückhaltend, leichter Alterungston, eher mittelgewichtig aber sehr elegant, im Mund ist deutlich mehr da als in der Nase, die Säure wirkt noch immer sehr dominant, vielleicht nicht ganz ausgewogen.

7.
1996er Bacharacher Hahn, Riesling Spätlese trocken, Toni Jost (Mittelrhein)
Fast etwas nussig in der Nase. Im Mund stahlig, noch immer mächtige Säure, fast etwas spitz, Grapefruit, Frucht aber insgesamt eher im Hintergrund. Braucht sicher noch reichlich Zeit zum Säureabbau, die Meinungen gingen weit auseinander, ob der Wein das entsprechende Alterungspotential hat.

8.
1998er Herrenberg Maximin Grünhäuser QbA trocken Schuberthsche Gutsverwaltung, Mertesdorf (MSR)
In der Nase vor allem Schwefel und eine ziemlich unbestimmbare grüne Frucht (unreife Stachel- beere?). Typische Grünhäuser-Farbe, grünlich-glänzend. Im Mund erfreulicher als in der Nase, aber noch viel zu jung. Könnte ein großer Wein werden, zur Zeit noch schwer zu sagen, ich denke es eher nicht.

9.
"Pirat" 1997er Riesling Smaragd Terrassenthal (Wachau)
noch ausgesprochen jung, unzugänglich, fast moussierend, verhaltene Nase, extreme Säure, viel Alkohol (13%) - insgesamt nicht überzeugend, weil geschmacklich zu dünn.

10.
1998er Scharzhof Riesling QbA halbtrocken Egon Müller
mittlerer Extrakt, wunderbarer Sommerwein, teilweise wurde die mangelnde Fülle gerügt, die Mehrheit der Probenteilnehmer baute aber ein fast schon zärtlich zu nennendes Verhältnis zu dem filigranen Tropfen auf, den ich an diesem Abend zum vierten Mal probierte und der mich zum vierten Male sehr begeistert hat.

11.
1999er Erbacher Rheinhell, Weissburgunder/Chardonnay, trocken, Schloss Rheinhartshausen
die beiden Rebsorten ergänzten sich erstaunlich gut, wobei der Weißburgunder in der Nase deutlich prävalent war, der Chardonnay dagegen dem Wein Eleganz und Glätte verlieh, ein weiniger Tropfen mit dem man viel Spaß haben kann.

12.
199er Sauvignon Blanc, Spätlese trocken, Mosbacher (Pfalz)
Leichte Eiche, fast unerträgliche Säure im Mund, Aromen von Gummibärchen, nicht gerade sortentypisch, ganz offenbar in dem Bestreben gekeltert, einen gefälligen Tropfen zu produzieren. Offen bleibt die Frage, ob 14,5% Alkohol nötig waren und 30 DM ein adäquater Preis ist. Nicht unser Wein und hier war der pluralis kein majestätischer sondern die unanimous decision der Probeteilnehmer.

13.
1998er Spätburgunder (weiß gekeltert) QbA trocken, Bürklin-Wolf (Pfalz)
Auf die Bitte. "Sag doch mal was zu dem Wein" antwortete mir einer der von Degustatoren langsam zu Bacchanten gewordenen Mitzecher: "Ist in der Flasche noch was drin?". Mehr war aus ihm nicht heraus zu bekommen, so angetan war er von diesem sensationell duftenden, ausgewogenen Tropfen. Ölig, dickflüssig, konzentriert, schmeichelnd und nett, eine volle Frucht mit roten Waldbeeren, Pfirsichen und Tropischem, bestens eingebundene Säure das alles für nur 15 DM, eine echte Überraschung

14.
1997er Bacharacher Hahn Riesling Spätlese trocken* Toni Jost (Mittelrhein)
In der Nase unglaublicher Duft, füllige Süße, obwohl ein knochentrockener Wein - volles Ananas Aroma, superb! Im Mund vor allem noch deutliche Säure, sollte man noch etwa 2 Jahre liegen lassen. Angenehm viel Extrakt, vielversprechend für die Zukunft. Mit knapp 28 DM allerdings nicht billig, einige Probenteilnehmer meinten, der Wein sei dafür reichlich kurz.

15.
1998er Bacharacher Hahn, Riesling Spätlese trocken, Toni Jost (Mittelrhein)
Im Moment hinter einer Säurewand eingemauert, unzugänglich aber dichter und konzentrierter als der 1997er, sollte ein großer Wein werden, hat auch das erforderliche Alterungspotential, zumal der Säureabbau bei Jost nach Auskunft des Hahn-Fans, der den Wein angestellt hatte, recht schnell vonstatten geht.

16.
1998er Nackenheimer Rothenberg Riesling QbA trocken 1. Gewächs, Gunderloch (Rheinhessen)
Betörende Nase mit traubig-rosiniger Fülle, fast noch etwas schwefelig, das gab sich aber recht bald, so das der Blick auf einen sehr gut ausbalancierten, fruchtintensiven Wein frei wurde, der uns allerdings nicht ganz so edel erschien wie er als 1. Gewächs verkauft wird.

17.
1995er Kiedricher Gräfenberg Spätlese trocken Robert Weil (Rheingau)
falsch gelagert? oder einfach eine Pleite? der Wein war klinisch tot, müde, firnig, die Ent- täuschung der Probe, eine Spätlese aus dem Gräfenberg müsste die fünf Jahre Alterungs- potential doch locker haben!

18.
"Pirat" 1996er Cuvée Frédéric Émile, trocken, Trimbach, Elsass
im Moment noch recht säurelastig, doch ein erkennbar großer Wein, dicht, komplex, große Zukunft, vielleicht der konzentrierteste und langlebigste Tropfen aus der trockenen Abteilung, ließ seine beachtlichen Muskeln schon deutlich spielen.

19.
1998er Bernkastel-Küser Weisenstein, Riesling Spätlese trocken, Weingut Grumbach (MSR)
ein feiner Wein, macht einfach immer wieder Spaß, strohgelb im Glas, saftige Frucht, Zitrus und Ananas, aber da ist mehr, auch Beerenaromen und etwas Honig, ein Prachtkerl!

20.
1999er Riesling Kabinett halbtrocken Schloss Fürstenstein (Mittelrhein)
"prickelt so sehr, dass man ihn als pränatal einordnen muss" war einer der Kommentare, also deutlich zu jung, kaum zu beurteilen, aber wohl mit wenig Substanz ausgestattet. Moussierte recht kräftig. Fritz Zickuhr, der den Wein angestellt hatte, versprach aber aus seiner Erfahrung mit dem Gut heraus, dass es ein ausgewogener, guter Wein werde, der zudem mit 9 DM recht preiswert sei.

21.
1998er Deidesheimer Steig, Huxelrebe Auslese, Schales (Rheinhessen)
mit ca. 12 DM genial im Preis-Leistungs-Verhältnis, dominante Litschi, herrliche Säure, die bestens mit der honigartigen Süße harmonierte, ein Klassewein für weinig Geld, sagenhaft

22.
1998er Brauneberger Juffer Riesling Spätlese restsüß, Martin Conrad (MSR)
opulente Frucht, Orangen, Limonen, aber auch Äpfel, Aprikosen und vielleicht sogar ein wenig Birne, Pfirsich, sehr harmonisch. hatte es nach der Auslese natürlich nicht leicht, konnte aber gut bestehen.

23.
1997er Lieserer Niederberg-Helden Riesling Auslese restsüß, Grumbach (MSR)
feine Balance zwischen Süße und Säure, leichte Bittermandelnoten, florale Komponenten, Banane, rosa Grapefruit, Honigmelone, etwas grüner Apfel, ein schmeichelnder Tropfen

24.
1990er Serriger Heiligenborn, Riesling Spätlese trocken, Staatsdomäne Trier (MSR)
leider völlig tot, von mir angestellt, daher darf ich es so knallhart sagen, da konnte keiner mehr etwas mit anfangen, da war nur noch Firne. Schade, denn derselbe Wein hatte noch vor weniger als einem Jahr prächtig gemundet und war in Würde gealtert, noch erstaunlich frisch. Aber das mag von Flasche zu Flasche auch stark variieren.

25.
1994er Leiwener Laurentiuslay, Riesling Auslese restsüß, Carl Löwen (MSR)
deutlicher Alterston, aber sehr feine Nase, rund, gefällig, macht Freude, auch wenn der Wein noch etwas kräftiger und voller hätte sein dürfen.

26.
1995er Merler Königslay Terrassen, Riesling Auslese restsüß, Kallfelz, (MSR)
konzentriert, dicht, voll, fein, edel, volle Frucht, sehr ausgewogen und Komplex, fein ziselierte mineralische Noten, ein herrlicher Wein, der zu den besten des Abends gehörte.

27.
1996er Gewürztraminer Spätlese restsüß, Diel (Nahe)
Ein Flaschenfehler? Ich hoffe es, denn der Wein war völlig ungenießbar. Schade, gerne hätten wir mal wieder einen Dielwein getrunken und besprochen.

28.
1994er Forster Elster Scheurebe Auslese restsüß Heinrich Spindler (Pfalz)
Kräuter in der Nase, nette Säure, feine Süße, etwas wenig Extrakt, dafür aber ein richtig ange- nehmer und für 22 DM sehr erfreulicher Wein, macht richtig Spaß

29.
1997er Merler Stephansberg Riesling Beerenauslese, Kallfelz (MSR)
Zum Abschluss ein Knüller, Honig, Rosinen, süßeste Weinbeeren, schön ausgewogen, harmonisch, deutlich spürbare Säure, ein Pfund Wein, mit 40 DM noch immer sensationell günstig.

Bleibt anzumerken, dass jedem aus der weiteren Kölner Umgebung ein Besuch bei Fritz Zickuhr nur wärmstens empfohlen werden kann. Was da an Wein im Sortiment ist (das meiste gar nicht im Laden, sondern gut verborgen im Klimakeller), was die Käsetheke ziert, was an Fleisch geboten wird, muss man selbst in französischen Feinkostläden lange suchen. Fahret hin und werdet erleuchtet, das kann Fritz nämlich auch sehr gut, er weiß genau, welche Schätze er im Haus hat. Wir haben an die 30 Käse zu bzw. nach den Weinen probiert und ich war hin und weg. Das will bei mir Parisverwöhntem Alleossekunden wirklich etwas heißen.

Ein Dank auch noch einmal coram publico an Egon und Fritz, denn die Organisation war trotz des unerwarteten Andrangs bestens!

Gruß
Dominik, die Reblaus