Bittertöne in Concert
von Dominik Ziller
Nach der zum Teil doch sehr anstrengenden Verkostung unserer Urlaubsweine
beim beruehmtesten Sohn Kleinhambergs sah sich eine Teilmenge der
Koelner Seilschaft genoetigt, sich alsbald erneut zu versammeln -
zur feierlichen Vernichtung von Reparaturweinen.
Der Koelner
geht auch dahin wo es wehtut, das wissen wir spaetestens seit
Lukas! Nein, nicht dem Evangelisten, so weit reicht die
Religioesitaet selbst in der Koelner Seilschaft nicht.
Gemeint ist Lukas der Existentialphilosoph. Lukas der Weise.
Lukas der geistig-moralische Anfuehrer. Lukas der Leitwolf.
Oder kurz "Prinz Poldi der Fussballgott", wie ihn die Koelner
Nichtseilschafter in fast schon religioeser Ehrfurcht nennen.
Der hatte immerhin gesagt: "Egal, wer die Dinger macht und
egal wie sie gemacht werden, Hauptsache ist, wir spielen
ganz vorne mit".
Eine Weisheit, die sich vom Fussballplatz
ohne weiteres in die Weinwelt uebertragen laesst, soll doch
auch unser deutscher Riesling in der Weltspitze mitspielen,
auch wenn ich kritische Zwischenrufe vom Niederrhein zu der
Passage "egal wie sie gemacht werden" an dieser Stelle nicht
ausschliessen kann.
Also, um es zu wiederholen, der Koelner geht auch dahin, wo es wehtut.
Wo das Tannin die Raeume eng macht. Wo die breite Suesse des
03er-Jahrgangs den Gaumen in Raumdeckung und die phenolische
Note des 04er-Jahrgangs die Papillen in Manndeckung nimmt.
Wir wollten den Manndeckern mal auf die Spur kommen und mit
der den Koelnern eigenen Wissenschuftlichkeit nach den
phenolischen Noten suchen.
Also wurde flugs eine Arrivageprobe
zusammengestellt:
1. Potate Riesling trocken 2004, Dirk Würtz
Nase etwas milchschokoladig, am Gaumen Zitrusnoten, recht heftige
Saeure, aber auch eine feine Mineralitaet bei ordentlicher Laenge.
Bittertoene? Vielleicht ein klein wenig, wenn man danach sucht, im
Abgang. Nicht wirklich stoerend.
Trotzdem kein grosser Wein -
seltsamerweise fallen die einzelnen Flaschen aus meiner
Zwoelferkiste doch sehr unterschiedlich aus, ich hatte auch
schon bessere Potentaten.
79 bis 80 Punkte aus der Runde.
2. Naheriesling QbA trocken 2004, Emrich Schoenleber
Sehr feine, elegante Rieslingnase. Im Mund zwar nicht der
kraeftigste, aber elegant, fein, harmonisch und im Abgang
sogar relativ saftig.
Fuer vergleichsweise kleines Geld
ein prima Trinkwein.
81 bis 82 Punkte aus der Runde.
Bittertoene Fehlanzeige!
3. Schieferterrassen Riesling 2004, Heymann-Loewenstein
Herrliche, ausdrucksvolle Nase, kraeftige Mineralitaet,
dazu auch eine verfuehrerische
Pfirsichfrucht.
Im Mund cremig und warm, sehr schoenes
Spiel von Frucht und Mineralitaet.
Hat den Fuellschock
inzwischen ganz gut ueberwunden und bekommt aus der Runde
85 bis 87+ Punkte.
Bittertoene erneut Fehlanzeige!
4. Winninger Uhlen alte Reben Riesling QbA trocken 2004, Weingut Fries
Nase mineralisch mit einem interessanten kraeuterwuerzigen Ton.
Im Mund sehr kraeftiger Pfirsich, noch etwas unrunde Saeure.
Dafuer harmonieren Mineralik und Frucht sehr gut miteinander.
Beachtliche Laenge, schoene warme Pfirsichfrucht auch im langen
Abgang.
85 bis 88 Punkte aus der Runde.
Wieder einmal zeigt
sich, dass Fries in Winningen auf dem aufsteigenden Ast ist.
Der Uhlen alte Reben ist sein bester trockener Wein aus dem
Jahrgang und kostet - obwohl als QbA gelistet - rund 11 Euro.
Die ist er allemal wert!
Bittertoene? Who the fuck is Bitterton?
5. Riesling vieilles vignes trocken 2004, Buerklin-Wolf
Sehr saftige, fruchtbetonte Nase, exotische Fruechte, Maracuja.
Im Mund im Anklang volle Aprikosenfrucht, dazu ein pikanter
Gewuerznelkenton und eine gewisse Erdigkeit aber auch viel
Schmelz und eine schoene Cremigkeit.
Erstaunlich voll und
dicht! Langer, kraftvoller Abgang.
Vielleicht insgesamt
etwas zu gefaellig? Na ja, die FUB-Spezialabfuellung kostet
um die 8,50 Euro, dafuer ist es ein guter Wein!
82 bis
85 Punkte aus der Runde, wobei die Mehrheit am oberen
Ende der Skala liegt.
Bittertoene? Nein, nicht wirklich!
6. Lorenzhoefer Riesling QbA trocken 2004, Karlsmuehle - Peter Geiben
Tja, es war wohl nicht das beste Jahr fuer die Karlsmuehle.
Die trockene Spaetlese aus dem Lorenzhoefer - 2001 und
2002 jeweils ein sehr feiner, eleganter Wein mit reichlich
Saft und Kraft - gab es 2004 leider nicht.
Obwohl der QbA
sicher die erforderlichen Oechslegrade gehabt haette und
ueberdies auch keineswegs billiger verkauft wird als
dereinst die Spaetlesen.
Aber man wollte ihn wohl aufzuckern.
Gegen die nicht besonders schoenen medizinalen Aromen am
Gaumen und den leichten Bitterton im Abgang hat das aber
auch nicht geholfen.
Insgesamt eher schwierig, der Wein
hat mir vor Ort noch vor sechs Wochen sehr viel besser
gefallen als er sich jetzt praesentiert.
Sooo schlecht,
wie das jetzt klingt, ist er nicht gewesen, die schoene
steinobstige Nase ist zu loben, auch die typische
leichte Kraeuterwuerzigkeit am Gaumen bringt er mit.
Aber der Charme der Jahre 01 und 02 fehlt ihm leider.
Aus der Runde 81 bis 84 Punkte.
7. Landwein der Saar Riesling trocken 2004, Weinhof Herrenberg
Zaertlich-duftige Saarrieslingnase, das erinnert fast ein
wenig an Egon Mueller.
Feiner Pfirsich, auch am Gaumen.
Viel Charme, weich, warme Pfirsich-Aprikosentoene.
Schoene Persistenz, er bewahrt sich vor allem auch die
frische, duftige Fruchtigkeit bis weit in den Abgang
hinein.
Elegant, recht voll und fuer den kleinsten
Herrenbergwein (7,90 Euro) unglaublich gut!
85 bis
89+ Punkte aus der Runde.
Bitternoten? Was ist das?
8. Saartyr Riesling trocken 2004, Weinhof Herrenberg
Deutlich verschlossener aber auch mit noch wesentlich
mehr Extrakt unterwegs als sein kleinerer Bruder.
Dennoch ist die Familienaehnlichkeit unuebersehbar -
dieselbe Opulenz, dieselbe Dichte und dieselbe Saftigkeit.
Tiefgruendig, wunderbar klar und geradlinig bis tief ins
Finale hinein, sehr lang und dicht.
Wird noch erheblich
zulegen. Aus der Runde 87 bis 90+ Punkte.
Bitterton? Sie
scherzen, Monsieur!
9. Riesling trocken QbA Liter 2004, Kallfelz
In der Nase Apfelblueten, leicht konfitiertes Steinobst.
Sehr schoene Frucht am Gaumen, viel Wuerze, recht kraeftig
fuer einen Literwein, leider leichter Bitterton, der den
Abgang sehr unharmonisch macht.
Aus der Runde 80 bis 84 Punkte.
10. Merler Stephansberg Riesling Spaetlese trocken 2004, Kallfelz
Sehr zurueckhaltend in der Nase, im Mund dem Vorgaenger
relativ aehnlich und nur ein wenig kraeftiger.
Dafuer nicht
so bitter. Aber deutlich zu einfach fuer eine Spaetlese,
bei weitem nicht komplex genug.
Aus der Runde 82 bis 84 Punkte.
11. Herxheimer Himmelreich Riesling Spaetlese trocken 2004, Benderhof
Erdig-wuerzige Nase mit prallen Fruchteinschlaegen, vom Duft
her ein echter Pfaelzer.
Im Mund sehr cremig, voll, absolut
mundfuellend, prima Laenge.
Leider fehlt es dem Wein derzeit
etwas an Frucht, die erdige Wuerze ueberwiegt.
Bittertoene
sind auch bei gewaltsamer Suche nicht aufzufinden.
83 bis 85 Punkte.
12. Hochheimer Hoelle Riesling Kabinett trocken 2004, Franz Kuenstler
Sehr feine apfelig-aprikosige Nase.
Im Mund erscheint mir
der Wein dem 2001er Kabinett vergleichbar, sehr voll und
druckvoll, lang und tiefgruendig.
Kraeftige Zitrusaromen,
irgendwo zwischen suesser Zitrone und leicht saeuerlicher
Orange.
Fuer einen Kabinett sehr vielschichtig!
Tolle Laenge,
noch viel Zukunft - der 2001er kam auch erst 2005 richtig aus
der Ecke heraus und ging bei der Seilschaftsprobe von 2001er
Rieslingen doch glatt als Auslese durch.
Fuer den 2004er 83
bis 85 Punkte aus der Runde, ich stehe mit meinen 88 Punkten
ziemlich allein - aber wartet nur, den setze ich Euch in drei,
vier Jahren mal bilind vor, dann sehen wir weiter!
Ach ja, da
war doch noch die Frage nach dem Bitterton.
Nichts zu machen,
absolut nicht zu finden - aber wenn man ihn partout braucht
hilft es viellleicht, wenn man etwas Tanninpulver in den
Wein einruehrt!
13. Rheingau Riesling QbA trocken 2004, Peter Jakob Kuehn
Die Nase erinnert an einen Sauvignon Blanc, Stachelbeere,
etwas Paprika.
So zeigt der Wein sich auch am Gaumen,
wo aber auch melonige Aromen und Pfirsichnoten hinzutreten.
Fuer einen einfachen QbA von Koerper, Fuelle und Laenge her
absolut beachtlich! 84 bis 87 Punkte aus der Runde.
Ich
ziehe allerdings nur die 82, weil er mir, anders als noch
drei Wochen zuvor auf dem Weingut, nicht ganz sortentypisch
erscheint.
Bitterton? Ich habe wieder keinen gefunden.
Vielleicht suche ich an der falschen Stelle?
14. Oestricher Riesling QbA trocken zwei Trauben 2004, Peter Jakob Kuehn
In der Nase schoene Mineralitaet mit viel Wuerze, auch hier
wieder etwas Stachelbeere und sogar Cassis.
Im Mund cremig,
schmelzig, gute Laenge. Verschlankt sich im Abgang etwas.
Und,
Tusch, hier ist tatsaechlich ein leichter Bitterton zu bemerken,
der sich, da haben wir die gleiche Beobachtung wie Sam gemacht,
mit laengerer Verweildauer des Weines im Glas und etwas hoeherer
Temperatur leider verstaerkt.
Also flott austrinken!
Kein echter
Quantensprung zum einfacheren Riesling aus gleichem Haus.
84 bis 87
Punkte aus der Runde.
15. Koenigsbacher Idig Riesling trocken grosses Gewaechs 2004, A. Christmann
Unheimlich dichte, komplexe Nase, florale Toene, warme Apfelsine,
ueppig!
Im Mund extrem dicht, sehr saftig und kilometertief.
Am Gaumen Pfirsich, Blutorange, rosa Grapefruit, ein Hauch
Ananas, alles sehr warm und schmelzig, dazu kraeftige Mineralitaet
mit feiner Wuerze.
Ich weiss nicht recht, was mit meinen Seilschaftern
los ist - sie schaetzen den Wein zwar, troepfeln mit ihren Punkten
aber bei 86 bis 90 herum, waehrend ich keinen Grund sehe, meine 95
von der BASF-Probe zu revidieren.
Vielleicht war er dort etwas
zugaenglicher weil dekantiert - aber ich fand, dass das enorme
Potenzial und der monumentale Koerper dieses Weines deutlich zu
erkennen war.
Bittertoene? Kannste vergessen, mein Freund! Nicht
bei dieser Idig!
16. Scharzhof Riesling 2004, Egon Mueller
Eher zurueckhaltende Nase, am Gaumen aber gewohnt fein,
elegant und zaertlich.
Schoene Saftigkeit bei ansprechender Laenge.
Der Wein besticht durch seine Balance und Harmonie.
Wenn man etwas
kritisieren will, kann man sich ueber einen gewissen Mangel an Druck
ereifern - und fuer das zehnfache Geld die Auslese aus dem
Scharzhofberg kaufen.
Fuer den kleinsten Mueller, der mit
84 bis 86 Punkten aus der Runde bewertet wurde, sind die 9 Euro
Ladenpreis jedenfalls nicht ueberzogen.
Und die Frage nach dem
Bitterton kann ich inzwischen schon nicht mehr hoeren - nein,
natuerlich war da keiner!
17. Saar Riesling alte Reben trocken 2004, Van Volxem
Relativ zurueckhaltende Nase, schiefrig mit schoenen floralen Noten.
Im Mund sehr mineralisch, dicht, extrem kraeftig, ja wuchtig.
Langer,
kraftvoller Abgang, sehr muskuloes.
85 bis 87 Punkte aus der Runde.
Kein Bitterton, sowas Dummes!
18. Puendericher Marienburg Riesling Spaetlese halbtrocken 2004 "Steillagenprojekt", Markus Busch
Nase mit deutlichem Spontanton.
Im Mund sehr schmelzig, lang
und dicht, recht fein.
Opulente, nicht ganz klar zuzuordnende
Fruchtaromen mit angenehmer schiefriger Mineralitaet.
Bleibt
auch im Abgang dicht und rund und ist lange praesent.
82 bis
84 Punkte aus der Runde.
Bitterton? Schwachsinn!
19. Winninger Brueckstueck Riesling Spaetlese feinherb 2004, Knebel
Schoene schiefrige Nase, Mineralik pur auf einem olfaktorischen
Klangteppich floraler Noten.
Am Gaumen Blueten, Schiefer, etwas
Apfelsine, warme Frucht, sanft und cremig.
Sehr dichter, extrem
langer Abgang, ein Klassewein!
85 bis 90 Punkte aus der Runde
mit klarem Uebergewicht am oberen Ende dieses Spektrums.
Bitterton?
Niemalsnicht!
20. Kanzemer Altenberg alte Reben Riesling halbtrocken 2004, Van Volxem
Rauchig-schiefrige Nase, komplex und noch recht verschlossen.
Im Mund viel Schmelz, Steinobst, Mirabellen, sehr feine
Fruchtsuesse, deutlich harmonischer als der 2003er, feiner,
eleganter, dennoch komplex und sehr saftig.
Braucht sicher
noch etwas Zeit und wird sich sehr lange halten.
Erneut tut
sich ein Schisma zwischen der Seilschaft und mir auf, wobei
natuerlich nicht ich der Geisterfahrer bin, sondern es die
zehn anderen sind, die keine Ahnung haben.
Ich mag diesen
kraftvollen, vielleicht fuer die Region nicht unbedingt
typischen Stil und bin bei 91 Punkten, die anderen fragen,
wie Roman es nur immer wieder schafft, fuer diese Weine so
viel Geld zu bekommen, und vergeben nur 85 bis 86 Punkte.
Einigkeit aber in einem Punkt: Bittertoene sind diesem Wein
voellig fremd.
21. Kiedricher Graefenberg Riesling Spaetlese restsuess 2004, Robert Weil
Robert Weil ist nun wiederum ein Weingut, bei dem ich mich
jahrelang gefragt habe, wer warum die Preise fuer diese Weine
bezahlt, insbesondere fuer alles, wo nicht Graefenberg und
mindestens Auslese draufsteht.
2004 ist das etwas anders,
die Spaetlese aus dem Graefenberg war fuer mich einer der
Sieger bei der FUB-Fruehjahrsprobe.
Und sie praesentierte
sich auch jetzt wieder sehr ansprechend:
In der Nase wie
im Mund sehr runde, warme, tropische Frucht, Maracuja,
Ananas, etwas Orange.
Vermutlich ist der Restzucker-Gehalt
noch weit hoeher als es organoleptisch erst erscheint, aber
die Suesse ist einfach perfekt eingebunden und der Wein
insgesamt ausgesprochen harmonisch.
Schoener Abgang,
vielleicht nicht ganz so lang, wie der Wein am Gaumen
opulent und kraeftig war.
Aus der Runde 85 bis 89 Punkte,
von mir gerne auch 91.
Bittertoene? Wuesste Herr Weil gar
nicht zu buchstabieren.
22. Trarbacher Huehnerberg Riesling Spaetlese restsuess 2004, Markus Muellen
Spontanton in der Nase, noch deutlich Hefe, dazu birnige
Frucht.
Im Mund saftige Orange, leider auf einem relativ
durchdringenden Fundament von Hefe und Schwefel.
Falls
sich das gibt, wird der Wein einen noch deutlich staerkeren
Orangenton entwickeln.
An Struktur zulegen wird er aber nicht -
und da ist er leider nur ein Mittelgewicht. Es fehlt einfach
an Tiefe.
80 bis 88 Punkte aus der Runde, wobei die 88 ein
ziemlicher Ausrutscher nach oben waren.
Was dem Wein
uebrigens auch voellig fehlte, sind Bitternoten...
23. Maximin Gruenhaeuser Abtsberg Riesling Auslese restsuess 2004, von Schuberth
Typische Kraeuterwuerzigkeit in Nase und Mund, tolles Spiel
von Frucht und Saeure auf einer prallen Basis von gut
eingebundener Fruchtsuesse und verspielter Saeure.
Viel Grapefruit, etwas Galiamelone, leichte Botrytis,
nicht zu sehr im Vordergrund.
Ein Klassewein. 90 bis 92
Punkte aus der Runde.
Wenn man etwas bemaengeln muss,
dann die komplette, unverstaendliche, zumindest in den
Augen einiger Experten vom Niederrhein absolut unverzeihliche
Abwesenheit von Bitternoten...
24. Kaseler Nieschen Riesling Auslese restsuess, Karlsmuehle- Peter Geiben
Endlich, endlich, endlich - wieder bittere Noten!
Aber ich
fange mal mit der Nase an:
Erstaunlich karamellig, wenig Frucht.
Im Mund entsteht der Eindruck von leicht unreifem, um nicht zu
sagen sauerfaulen Lesegut.
Das erinnerte an den Jahrgang 2000.
Bernd Schulz und ich kannten den Wein beide von frueheren
Verkostungen und waren entsetzt, wie schlecht er sich nun
entwickelt hat bzw. in welchen Zustand sich zumindest diese
Flasche zeigte.
Sehr heterogenes Bild in der Runde, die sich
gleichmaessig zwischen der kritischen 76 von mir und der
euphorischen 88 von Wolfgang Martin bewegte.
25. Winninger Uhlen 1. Lage Roth Lay Riesling Auslese restsuess 2004, Heymann-Loewenstein
Nase sehr mineralisch, so auch am Gaumen, dort allerdings
begleitet von einer sehr kraeftigen aprikosigen Frucht,
tolle Fuelle, dicht, prima Balance von Saeure, Fruchtsuesse
und Mineralitaet.
Der Wein macht genau den Fehler nicht,
den die meisten edelsuessen aus Winningen machen - die
Frucht zugunsten der Mineralitaet zu unterdruecken.
Deswegen stehen so viele Uhlens und Roettgens in einem
ungesunden Spannungsbogen zwischen Mineralitaet und
Suesse und fehlt ihnen organoleptisch oft die Saeure
und die Frucht.
Eine Ausnahme bilden regelmaessig nur
die Weine der Knebels - und eben die suessen
Loewensteine aus 2004!
Sehr schoene Laenge uebrigens,
mit feinem, zartem Zuckerschwaenzchen!
92 bis 93 Punkte
aus der Runde.
Bittertoene? Selten so gelacht!
Nun folgten noch einige aeltere Kameraden.
26. Lieserer Niederberg-Helden Riesling Auslese*** restsuess 2001, Hermann Grumbach
Jetzt verstehe ich langsam, warum Sam und ich immer
solche Differenzen ueber die Grumbach-Weine aus 01
hatten.
Da gibt es ganz offensichtlich einfach unglaublich
unterschiedliche Flaschen.
Noch eine Woche zuvor hatte ich
diesen Wein probiert und ihn als wunderbar gereift empfunden,
mit herrlicher Tiefe, viel Druck und genau der richtigen Reife,
ganz leichter Alterston mit oelig-quittiger Botrytis, ein wunderbarer
Wein, fuer den16 Punkte zu geben, ich keine Sekunde gezoegert haette.
Und nun hatten wir einen Wein im Glas, der zwar eine schoene,
botrytische Nase aufwies, im Mund ein recht nettes Karamell
mitbrachte, eine Spur quittiger Noten und sogar relativ viel Kraft.
Aber leider war die Luft schon weitgehend heraus und fehlte es an der
Strahlkraft und der Eleganz der eine Woche zuvor geoeffneten Flasche.
Muede und schon auf dem absteigenden Ast.
Auch die Konterflasche,
die ich zur Sicherheit oeffnete, war zwar etwas frischer und wieder
anders, aber insgesamt nur ein wenig besser.
So leider nur 14 Punkte.
Ueber Bittertoene muessen wir hier ja nicht reden, weil es die 2001
natuerlich nicht gegeben hat - nirgendwo auf der Welt!
27. Graacher Himmelreich Riesling Auslese** restsuess
1993, Kees-Kieren
Eine Flasche, die ich in den legendaeren Kinkelstuben
"a emporter" abgestaubt hatte.
Satter Karamellton in
der Nase, im Mund wunderschoene Botrytis, kraftvoll,
tolle Laenge, viel Druck, bleibt fast ewig am Gaumen.
Wunderbar gereift, jetzt ganz hervorragend zu trinken -
der war wahrscheinlich nie besser und wird wahrscheinlich
auch nicht mehr besser!
86 bis 88 Punkte aus der Runde.
War 1993 ein Bittertonjahr? Ich muss mich erkundigen!
Wenn ja, dann hat der Wein einen Fehlton, weil der
Bitterton fehlt.
28. Kanzemer Altenberg Riesling Auslese restsuess 2001, Johann Peter Reinert
Die Nase steht irgendwo zwischen Mineralitaet und
Botrytis, am Gaumen tritt noch ein wenig pikante
Frischfruchtigkeit hinzu, birnige Noten, saftig und
mit knackiger Saeure.
Gute Laenge.
Nicht der allerdichteste
vielleicht, dafuer aber ein saartypischer Klassiker fuer
alle Berufs-Van-Volxem-Verabscheuer, wunderbar balanciert
und mit tollem Spiel zwischen Mineralik und Suesse.
Fuer
sein Praedikat schon relativ weit gereift, ganz lange
lagern wuerde ich den Wein nicht mehr.
86 bis 91 Punkte
aus der Runde.
29. Riesling Vendange Tardive 1997, Julien Meyer, Elsass
In der Nase wie im Mund extrem rosinig, schon ganz schoen
oxidativ und vielleicht ein wenig ueber den Punkt, die
Botrytis schlaegt ziemlich kraeftig zu, sehr quittig,
dazu zarte birnige, um nicht zu sagen williamsbirnige
weil etwas zu alkoholische Noten.
Gute Laenge, relativ
dicht!
87 Punkte aus der Runde.
War 1997 ein Jahr, in
dem man auf dem Vorhandensein von Bittertoenen bestehen muss?
Fazit:
Von den 25 angestellten 2004ern (ein Dank an alle Spender!)
hatten drei ausgepraegte und zwei weitere relativ dezente Bittertoene.
Das duerfte im langjaehrigen Mittel und weit unter den Werten von
2003 liegen.
Das Gerede vom ach so bitteren Jahrgang ist also
kompletter Humbug.
Allerdings ist zu beachten: Wenn nicht
morgen schon Bundestagswahlen waeren, sondern erst in ein
paar Jahren, koennten bei einigen Weinen die langfristigen
Grundueberzeugungen entscheidend werden.
Und die sind oft
bitter! Soll heissen: Der Jahrgang ist insofern vertrackt,
als auch die Weine, die heute Bittertoene aufweisen oder
einfach nicht besonders ueberzeugend wirken, zum Teil in
ihrer noch juengeren Jugend wesentlich charmanter und vor
allem bittertonfrei daherkamen.
Selten habe ich es erlebt,
dass sich Weine in relativ kurzer Zeit so negativ entwickelt
haben, wie das bei einigen 2004ern schon der Fall war.
Insofern
ist nicht auszuschliessen, dass auch einige der Weine, die sich
heute noch ueberzeugend praesentieren, eine aehnliche Entwicklung
nehmen.
So richtig vorstellen kann ich mir das in der Spitze,
also z.B. bei den Weinen von Loewenstein, Van Volxem, Kuenstler
oder auch den besten Christmaennern, allerdings nicht.
Gruetze aus Molwanien
Dominik, die Reblaus