Trimm Dich fit mit Trimbach-Sprit


"Hier bin ich doch eigentlich noch nie nuechtern rausgekommen", murmelte der Koelner Gebietshein schon bei der Ankunft und schaute misstrauisch um sich.
In Sorge irgendwie.
Weil keine Weinflaschen zu sehen waren.
Kein Wunder. Die standen ja auch alle im Kuehlschrank.
Schliesslich war Weisswein-Bacchanal angesagt.

Trimbach gegen den Rest der Welt.
Also gegen andere Stars aus dem Elsass, gegen den Herrn Kuenstler aus dem Rheingau und ein paar Ueberraschungsgaeste.
So dass die Koelner Seilschaft, die sich traf, um Pfingsten einmal richtig auf den Putz zu hauen, sich auf ein buntes Programm freuen konnte.


Als erstes gab es IHN.
Den, von dem wir nur noch in Ehrfurcht sprechen.
IHN, der ein neues Kapitel der mitteleuropaeischen Weingeschichte eingelaeutet hat.
IHN, der von Dreifaltigkeit nichts haelt, sondern ganz fuer sich allein stehen will/kann/muss.
Wir erinnern uns: "Traenen laufen in die Tastatur", schrieb der Herr Hofschuster ueber IHN, den weltweit einzigen Hundertsampunktewein aller Zeiten.
Denn, so schreibt es Sam, Hundertpunkte heisst "einzigartig". Es kann also nur einen geben, wie beim Highlander. Und das obwohl er nicht gerade aus einer Hoehenlage stammt. Sondern aus Hochheim und von Kuenstler, die trockene Goldkapselauslese aus 2002.
Darf man eigentlich noch nicht dran. Aber ich war halt neugierig. Oder zumindest gierig. Oder beides.
Also raus mit dem Korken, der bei meinen Kuenstlern aus Kork ist. Und fuenf Stunden in die Karaffe. Was ihm gut tat.
Sehr mineralisch im Anklang, voll, extrem korpulent. Dann eine unglaublich cremige Zitrusfrucht.
Ueppig, fest, sehr, sehr voll, aber, Scheisse, was ist der Kerl trotz der Dekantiererei noch zu!
So zu wie wir am Ende der Probe. Fast. Ob der bei mir je hundert Punkte bekommen wird, weiss ich nicht. Zuzutrauen waere es ihm aber glatt. Denn eines muss ich ihm attestieren: Er ist der Weltranglistenlaengste. Da dachte ich immer, das sei Steffi Graf. Aber nix is.
Der Wein bleibt ungelogen zwanzig Minuten am Gaumen. Nach einem winzigen Probierschluck. Damit einmal kurz durchspuelen und dann zum Einkaufen/ins Buero/zum Friseur. Hat man den ganzen Tag dran. Besser als jedes Mundwasser. Zumindest fuer einen selber.
Fuer mich so ungefaehr bei 95 Punkten anzusiedeln, mit Potenzial eines Tages an die Dreistelligkeit heranzureichen.
Fuer den Rest der Koelner Seilschaft lag er zwischen 91 und 94.


Es folgte ein Wein von Zind-Humbrecht. Der 2000er Riesling Clos Haeuserer.
Den hatte mir der Weinhaendler meines Vertrauens in Haguenau angepriesen als wuessten andere Winzer nicht auch, wie man den leckeren Geranienton in die Flasche bringt.
Nein, den hatte der Haeuserer natuerlich nicht. Aber ein wenig von der jahrgangstypischen Botrytis auch in trockenen Weinen.
Dazu eine ganz leichte Firne und eine volle apfelige Frucht. Kraeftig und viel Charme - schade nur, dass er das im Abgang nicht durchhaelt, sondern ein wenig in sich zusammen faellt.
In besseren Jahren mit Sicherheit einer der Topweine des Elsass, zumindest insofern hat er nicht uebertrieben, der Weinhaendler meines Vertrauens.
Von mir 87 Punkte, die Seilschaft zueckte 88 bis 90.


Der dritte Wein im Bunde stammt aus dem Privatkeller des erfolgreichsten und grosszuegigsten deutschen Weinjournalisten. Der - soviel guten Geschmack hat er natuerlich - seit langem Mitglied der Koelner Seilschaft ist. Und immer interessante Flaschen mitbringt.
So wie diesen 1999er Clos St.-Landelin Riesling Grand Cru Vorbourg von Mure.
Leicht vanillig in der Nase, da war das große Fass wohl ziemlich neu, in dem er gelegen hat.
Im Mund sehr kraeftig, praegnante Frucht, oelig, deutlich rosinig, das ist interessant.
Sicher kein Filigrantechniker, eher von der breiteren Sorte. Vor allem im Abgang sticht der Alkohol von immerhin 14 Prozent auch etwas zu sehr durch.
Dennoch der Seilschaft 85 bis 86 Punkte wert, ich bin allerdings mit 83 Punkten ausgekommen.


Der vierte Wein stammte dann endlich aus dem Hause Trimbach: Riesling Frederic Emile 1999.
In der Nase Mineralik pur, im Mund sehr kraeftige Saeure.
Ganz klarer, reintoeniger Wein mit kraeftiger Saeure, kaum Restsuesse und eher knapper Frucht.
Stahlig und rassig wuerde man das wohl nennen.
Ein erster Ansatz von Petrol, aber nur ganz vage, sehr elegant, tolle Laenge.
Polarisiert, die Seilschaft gibt 82 bis 89 Punkte, ich ordne mich bei 86 so etwa im Mittelfeld ein.


Degegen trat Kuenstler mit einer Hochheimer Hoelle Riesling Spaetlese trocken aus gleichem Jahr an.
In der Nase oszillierend zwischen sehr kraeftiger Mineralik und einer wunderschoenen reifen Grapefruit.
Saftig, rund, fast sueffig (wenn das nicht auch so ein boeses Wort wie "lecker" waere), herrliche Balance.
Fuer eine Spaetlese extrem voll, auch wenn man natuerlich merkt und von den trockenen Kuenstler-Auslese weiss, dass es noch ein ganzes Stueck kraeftiger und vielschichtiger geht.
Die Seilschaft punktet 87 bis 90 und sieht ihn fast geschlossen vor dem Trimbach.
Ich schliesse mich an und ziehe gerne die 90.


Als naechstes gab es gleich noch einen Trimbach, den Frederic Emile aus 1996.
Deutlich ueppiger als der 1999er aus gleichem Stall.
Gut gereift, das Petrol ist etwas ausgepraegter, wenn auch nicht dominant.
Ueppige Mineralitaet, dazu aber auch eine saftige Frucht in Richtung gruener Apfel, ueppig, einladend, sehr gute Laenge.
Bekommt von der Seilschaft 88 bis 92 Punkte, einer mag keine aelteren Rieslinge und wertet ihn nur mit 85 Punkte, fuer mich liegt er bei 91.


Und noch ein Elsaesser: Leon Beyer Riesling Les Comtes d Eguisheim 1996.
Faellt gegen den Trimbach deutlich ab, weil doch schon etwas muede, trotz des guten Jahres und der Langlebigkeit die die Beyer -Weine der besseren Machart sonst eigentlich mitbringen.
Insbesondere fehlt es ihm ein wenig an Saeure, was ihn gleichzeitig etwas eindimensional und nicht wirklich frisch erscheinen laesst.
Das ist aber mal wieder das beruehmte Klagen auf hohem Niveau.
Zwischen 86 und 88 Punkte von der Seilschaft bekam er trotzdem noch, nur ich war mal wieder etwas strenger und billigte ihm nur 84 Punkte zu.


Dagegen wieder Kuenstler, diesmal aus 1997, der Hochheimer Stielweg Riesling Spaetlese trocken.
Tolle Harmonie auch hier.
Viel saftige Frucht, Abteilung Pfirsich und Tropisches.
Schmelz und Cremigkeit pur, prima Laenge und recht voll.
Jetzt eindeutig auf dem Hoehepunkt seiner Genussreife.
Auch hier merkt man wieder: Es gibt noch einen drueber, die trockene Auslese wuerde sicher noch mehr Druck bringen.
Aber trotzdem ein wirklich hervorragender Tropfen! 88 bis 92 Punkte, 91 von mir.


Dann wieder Trimbach, diesmal der Frederic Emile aus 1993.
Schade, den haette man frueher trinken muessen.
1993 war im Elsass eben nicht so gut wie an der Mosel.
In der Nase schon etwas muede, so auch im Mund, obwohl man ihm zugute halten muss, dass er keinerlei Petroltoene aufwies.
Trotz seiner Altersschwaeche noch immer ein sehr harmonischer, klarer Wein mit ausgezeichneter Balance.
84 bis 89 Punkte, 85 von mir.


Der Gebietshein hatte auch noch einen Frederic Emile mitgebracht, und zwar aus dem legendaeren Jahrgang 1983.
Den haette ich schon als reif fuer den Totenschein gewaehnt.
Aber halt - sooooo alt wirkte er im Mund noch gar nicht einmal.
Natuerlich deutlich ueber den Hoehepunkt hinweg - eine Flasche wuerde man davon sicher nicht mehr trinken moegen.
Aber noch immer bei weitem kein Sherry.
Wieder 82 bis 89 Punkte, 84 von mir.


Dann legten wir mal einen Zahn zu und gingen ueber zu den Clos Ste-Hunes. Der erste stammte aus 1989 und kam als vendange tardive aus der Flasche.
Tolle Rieslingnase, sehr frisch und klar.
Im Mund extrem tiefgruendig, ueppig, fein und samtig.
Gleichzeitig weich und opulent, saftig und voll.
Keine Alterstoene! Verliert im Abgang leider ein wenig von seiner Opulenz und verengt sich spuerbar.
Trotzdem bleibt er ewig lang, auch wenn er, speziell hinten heraus, finessenreicher sein duerfte.
89 bis 92 Punkte. Die 92 war er mir auch wert.


Gleich noch einen Clos Ste.-Hune! Diesmal den 83er, ebenfalls als vendange tardive.
Gegenueber dem 89er der deutlich bessere Jahrgang, keine Frage.
Aber doch schon ein wenig gezehrt, vor allem in der Nase, wo alles unter einer leichten Neblschicht von Muedigkeit verschwimmt.
Man merkt aber noch immer, was fuer ein kraeftiger, voller Wein das ist.
83 bis 90 Punkte, von mir 86.


Noch eine Klasse drueber siedeln die Trimbachs ihre restsuesse Selection de Grains Nobles an, die ich aus dem Jahr 1989 vorstellte.
Tolle Finesse, jetzt absolut auf dem Hoehepunkt, sehr gut ausbalanciert und unendlich lang.
Viel Saft und Fuelle, wenn auch fuer deutsche Gaumen etwas breit wirkend und sehr rosinig.
Vielleicht deswegen nur 88 und 89 Punkte aus der Seilschaft.
Ich zoegerte ebenfalls, die 90 zu zuecken und entschied mich fuer 89.


Nun noch ein Unikum: Eugen Spindler (das ist der Vetter vom Vetter vom Gebietshein und trotzdem nicht der Hein selbst), 1971er Forster Jesuitengarten, Riesling Auslese restsuess.
Hervorragend gereift, sehr fein und voll, natuerlich schon ein klein wenig ueber den Hoehepunkt, aber einer der vielen Belege, dass 1971 der bessere Jahrgang als der "Jahrhundertjahrgang" 1976 war -
eben weil die Weine mehr Saeure hatten und deswegen harmonischer und haltbarer gerieten.
Polarisiert - zwischen 82 und 90 Punkten, von mir erhielt er 87


. Danach folgten noch - man glaubt es kaum, bzw. erst am naechsten Morgen, wenn man die Flaschen nachzaehlt, 10 weitere Weine.
Alle eher off-topic, sieht man mal von der 1994er Beerenauslese aus dem Hause Spindler (diesmal der Vetter vom Hein) ab.
Aber die war von der Scheurebe und insofern nach all den Rieslingen eigentlich auch off topic.
92 Punkte bekommt sie von mir trotzdem.
Ueber die anderen Weine erzaehle ich spaeter mal.

Gruss
Dominik, die Reblaus