Koelner Weinforum Aktivitäten: Edelsüsse und restsüsse gereifte Weine
Edelsüsse und restsüsse gereifte Weine
von Dominik Ziller
Am 14. Januar 2006 habe ich im Rahmen der umfangreichen
Repraesentationspflichten, die mir als molwanischem
Honorarkonsul auferlegt sind, meinen alljaehrlichen
Neujahrsempfang gegeben. Und natuerlich das diplomatische
Corps des Koeln-Bonner Raums eingeladen.
Eigentlich wollte ich eine neuentdeckte molwanische
Weinspezialitaet verkosten lassen, den Shtunkh.
Der
Shtunkh gehoert zur selben Rebsortenfamilie wie der
Shtinkh und duerfte sich vor rund 1.500 Jahren aus
diesem entwickelt haben. Bis heute wird der Shtunkh
in Molwanien nur zu feierlichsten Anlaessen wie dem
Begiessen einer erfolgreichen Blutrache oder den
ausgelassenen Festivitäten nach dem Ableben einer
Erbtante gereicht.
Der diesen Anlaessen vorbehaltene
traditionelle Trinkspruch "jetzt gibts Shtunkh" hat
sich spaetestens seit dem Dreissigjaehrigen Krieg
auch nach Mitteleuropa verbreitet, wobei aufgrund
einer sehrspaetmittelalterlichen Lautverschiebung
die beiden "h" auf der Strecke geblieben sind.
Die negative Konnotation, die in Deutschland
mit diesem Trinkspruch gerne einmal verbunden wird,
gibt erste Aufschluesse ueber die Qualitaet des
bisher aufgrund eines Redaktionsversehens von
Rovani noch nicht parkerisierten Weines.
Schon in der naechsten Ausgabe d
es Wine Advocate ist allerdings mit einer lobenden
Besprechung zu rechnen - die "Familien" der
molwanischen Shtunkh-Winzer haben Herrn Rovani
inzwischen sehr deutlich gemacht, welche Folgen
die Perpetuierung der Unterlassungssuende fuer
ihn und seine Angehoerigen haette.
Dennoch haben Bruesseler Lebensmittelkontrolleure
mir die Einfuhr des Shtunkh untersagt.
Man erklaerte
mir gehaessig, aus dem diplomatischen Corps wuerden
sonst "diplomatic corpses". Ausserdem fehle es dem
Wein an "Koerper" (frz. corps).
Nun haette ich mir
natuerlich per Diplomatengepaeck eine neue Lieferung
zusenden lassen koennen, jedoch erwarte ich den
molwanischen Eselskarren erst Mitte des Jahres, was
den Neujahrsempfang - selbst bei Anrechnung des
bei molwanischen Terminen ueblichen "akademischen
Vierteljahres" - zu weit in Richtung Herbst geschoeben haette.
Also habe ich alternativ zu einem Leseabend geladen.
Lesen heisst ja im Franzoesischen - der Sprache der
Diplomaten - auch "lire". Was auf gut Koelsche
wiederum "liere" heisst, also sowohl lehren/lernen
als auch leeren.
Und so leerten wir tapferen Koeln/Bonner
gleich ein paar Dutzend Flaschen aus der Lese-Klasse,
also Spaetlese, Auslese, Beerenauslese und Trockenbeerenauslese.
Ausser Konkurrenz, sozusagen als Aperitiv, schickte
ich erst einmal den
2004er Nahe Riesling Qba restsüß
von von Racknitz
ins Rennen.
Den hatte mir der
Weinhaendler meines Vertrauens mitgegeben, damit ich
ihn mal teste:
Sehr junge, frische Rieslingnase,
fruchtbetont, apfelig in der Nase.
Am Gaumen suesse
Blutorange, Weinbergspfirsich, saftig und fuer einen
QbA schon ziemlich kraeftig.
Rund und harmonisch,
im Abgang vielleicht etwas eindimensional und auch
nicht der Laengste - aber was will man von einem
QbA denn verlangen?
Bekam zwischen 79 und 82 Punkte -
es lohnt sich sicherlich, das Weingut weiter im Auge
zu behalten!
1. Julien Meyer, Riesling vendanges tardives 1997
Restsuesse Auslese vom Geheimtip aus Niedermorschwihr (Elsass).
Zwei Flaschen hatte ich mir damals mitgenommen. Und -
nachdem die erste bei einer unserer letzten Verkostungen
unerwartet muede wirkte - jetzt die zweite aufgezogen,
um zu sehen, ob damit vielleicht etwas mehr anzufangen
ist.
Surprise, surprise, der Wein war alles andere als
muede, im Gegenteil, er befand sich mitten in einer
froehlichen Nachgaerung.
Schon beim Oeffnen der Flasche
erfreute sekt-aehnliches Rauschen das Ohr der staunenden
Diplomaten. Die meinten, es handele sich eindeutig um
einen Flaschenfehler.
Was im molwanischen Honorarkonsulat
natuerlich fast schon ein diplomatischer faux pas ist,
gehoert doch das Nachgaeren beim Shtunkh zu den gesetzlich
vorgeschriebenen Eigenschaften, ohne die der Wein nicht die
amtliche Pruefnummer erhaelt.
Keine Bewertung.
Allerdings
wird die Nachgaerung beim naechsten Staatsbesuch im Elsass
thematisiert werden muessen. Wenn die Frau Merkel schon
Guantanamo und Tschet
schenien anspricht...
2. Trimbach, Cuvee Frederic Emile, Selection des grains nobles 1989
Den hatte ich nun endlich aufmachen wollen, nachdem er etwa
zehn Jahre bei mir im Keller geschlummert hatte.
Die
sensationelle Performance des an Weihnachten geoeffneten
Clos Ste.-Hune aus gleichem Jahr hatte mich ermutigt.
Sehr intensive botrytische Nase, am Gaumen üppige Süße,
intensive Botrytis, apfelsinige, konfitiert-aprikosige
Noten, sehr zaehfluessig.
Extrem lang, im Abgang dicht
und komplex mit einem Schwergewicht auf quittigen Aromen.
Leider fehlt es dem Wein an Saeure, um die enorme Suesse
auszubalancieren. Das macht ihn so unharmonisch, dass er
nur 83 bis 88 Punkte aus der Runde bekommt.
Fuer so einen
teuren Tropfen dann doch zu wenig als dass man das PLV
als angemessen bezeichnen koennte.
3. Theo Grumbach, Lieserer Niederberg-Helden, Riesling Spaetlese restsuess 2001
Nase schon etwas ueberreif und ziemlich ausdruckslos.
Am Gaumen eine apfelsinige, ein wenig an Cointreau
erinnernde Frucht. Leider unterlegt von etwas Gummi.
Aber auch von einem Bittermandelton, an dem sich die
Geister ein wenig schieden.
Etwas wenig Saeure.
Mittlere Laenge und ohne grossen Tiefgang im Abgang.
79 bis 81 Punkte aus der Runde, ein Abweichler billigt
ihm allerdings sogar 87 Punkte zu.
Trotzdem, hier lag
der Sam wohl richtig, als er vor drei, vier Jahren
meinte, der Wein verdiene mangels Zukunft nicht
die hohe Note, die ich ihm damals zubilligte.
4. Kallfelz, Merler Fettgarten, Riesling Spaetlese restsuess 1996
Schoener Reifeton in der Nase, wirkt so, als koennte er
schon etwas ueber den Hoehepunkt sein.
Am Gaumen aber
doch gute Struktur und ziemlich viel Kraft - straffe
Saeure, etwas rosinig.
Ausserdem ist da ein eigenwilliger
Minzeton. Schoene Mineralik!
Insgesamt schon ein wenig
ueber den Hoehepunkt. Im Schnitt 85 Punkte, wo bei das
Spektrum von 82 bis 88 reichte.
5. Maximin Gruenhaeuser, Abtsberg, Riesling Kabinett restsuess 1998
Von mir bewusst hinter die beiden Spaetlesen gestellt,
weil ich mir von diesem Wein zu Recht etwas mehr
erwartete als von den hoeheren Praedikaten.
Nase
noch immer sehr jung. Sehr mineralisch, wunderbare
Ruwer-Kraeuterwuerze, die hier sogar ganz besonders
extrem zum Tragen kam.
Am Gaumen herrliche Mineralitaet,
sehr kraeftige Saeure, Kraeuterwuerze, Cassis,
erstaunlich frische Frucht, erst ganz leichte Reifetoene.
Durch die Cassis/Kraeuternoten wirkte er fast scheurebig.
Schoenes Suesse-Saeure-Spiel, sehr gute Laenge.
86 bis 88 Punkte aus der Runde, fuer einen Kabinett extrem
hoch bewertet!
6. Geiben, Kaseler Nieschen, Riesling Auslese restsuess 2004
Den hatte ich vor Ort fuer sehr gut befunden und eingekauft.
Bei unserer letzten groesseren Rieslingverkostung schnitt
er dann aber gar nicht so gut ab - es schien so, als
sollte er zu den 04ern gehoeren, bei denen die leichten
Bitternoten sich verstaerken und das Trinkvergnuegen
am Ende deutlich einschraenken koennten.
Deswegen
wollte ich ihn noch einmal nachprobieren und die
weitere Entwicklung checken.
Eine positive
Ueberraschung, denn die Bitternoten sind wieder
sehr in den Hintergrund getreten und spielen kaum
noch eine Rolle.
Aber der Reihe nach:
Nase ziemlich
verhalten, am Gaumen sehr schoen konzentrierte Auslese,
ueppiger Botrytiston, harmonisch, saftig und weich.
Es dominiert ein Honigton. Die Bitternote, die ihn vor
einem halben Jahr - blind verkostet - noch hatte
durchfallen lassen, konnte heute - vom fast
deckungsgleichen Probandenkreis wiederum blind verkostet -
niemand mehr als stoerend empfinden.
Nur eine gewisse
Sparsamkeit im Abgang ist gebliebe
n.
Einer bemaengelte die Frucht als "etwas aufgesetzt"
und zueckte die 83, der Rest vergab 85 bis 88 Punkte.
7. Dr. Wagner, Ockfener Bockstein, Riesling Auslese restsuess 1997
Ein aelteres Semester, was man auch in der Nase merkte,
die schon ein wenig Petrol aufwies.
Im Mund deutlich
frischer, sehr kraeftige Fruchtuesse, wenn auch ein
klein wenig dropsig.
Hoher Restzucker laesst den Wein
etwas unharmonisch wirken. Nicht die beste Struktur.
Dennoch sehr konzentriert, schoene Mineralik und viel
Kraft.
Fast alle sehen ihn bei 85, mit einem
Ausreisser auf 88.
8. Nicolay, Uerziger Wuerzgarten, Riesling Auslese restsuess 1999
Nase sehr verhalten, leichter Bittermandelton.
Im Mund leider sowohl bittermandelig als auch
brandig.
Fehlerhaft! Keine Wertung.
9. Willi Haag, Riesling Auslese restsuess 1999
Die restsuesse "Basisauslese" von Haag, Cuvee mehrerer
Lagen.
Nase sehr verhalten, fast schon etwas muede.
Auch im Mund nicht der frischeste, karamellig,
cremiger Schmelz, kraeutrig, rosinig, Marzipan.
Recht gute Struktur, wenn auch etwas uncharmant,
sehr gute Laenge, allerdings im Abgang etwas
schlanker werdend.
"Der macht noch etwas im Mund",
meinte einer und empfahl, zu dem Wein Bratapfel
mit Mandelfuellung zu servieren.
Dazu sollte er
in der Tat passen. 84 bis 87 Punkte.
10. Willi Haag, Brauneberger Juffer Sonnenuhr, Riesling Auslese restsuess 1993
Nase schon recht firn, am Gaumen auch schon ziemlich
firn, kaum noch Frucht, etwas tabakig. Jod!
Nach und
nach gesellt sich zu den rauchigen, safranigen Noten
dann doch noch etwas apfelsinige Frucht.
Waehrend die
Nase eher abbaut, legt der Wein am Gaumen mit laengerer
Beatmung im Glas doch noch zu.
Gut balanciert. 85 bis 87 Punkte.
11. Fritz Haag, Brauneberger Juffer Sonnenuhr, Riesling Auslese Goldkapsel restsuess 1993
Wacholder, Cassis und Stachelbeere in der Nase, etwas
scheurebig, deutliche mineralische Noten.
Am Gaumen
Kraeuterwuerze, Mineralitaet, recht komplex, saftig,
tolle Balance und sehr schoene, leicht botrytische
Laenge.
Dennoch nicht ganz so gut wie in der Nase
und vor allem trotz der beachtlichen Laenge im
Abgang sehr schlank und wenig druckvoll.
Insgesamt
duerfte der Wein gerne noch konzentrierter und fester
sein. Er setzt halt voll auf die Eleganz, wie man es
von Fritz Haag kennt.
Deswegen knackt er bei uns die 90
nicht und liegt bei 87 bis 88 Punkten.
12. Fritz Haag, Brauneberger Juffer Sonnenuhr, Riesling Auslese restsuess (Fuder 6) 1999
Probieren wir mal einen der juengeren Brueder aus gleichem
Haus dagegen!
Sehr mineralische Nase, derzeit etwas
verhalten am Gaumen, wirkt noch sehr jung.
Kraeftige
Mineralitaet, die grapefruitige Frucht kann sich nicht
so richtig durchsetzen.
Recht elegant, sehr harmonisch,
ebenfalls nicht der druckvollste aber er lebt von seiner
Harmonie, die sicherlich in den naechsten Jahren noch
ausgepraegter werden wird.
83 bis 86+ Punkte.
13. Willi Haag (Ferdinand Haag), Brauneberger Mandelgarten, Riesling Eiswein 1993
Dunkles Orange! Nase deutlicher Tabak, rauchig, schon
spuerbar petrolig.
Im Mund sehr botrytisch (was nur in
Molwanien beim Eiswein vorgeschrieben ist), karamellig,
sehr kraeftig, koennte auch eine etwas aeltere
Beerenauslese sein.
Honig, Brioche, bis hin zum
Backtriebmittel.
Im Abgang leider schon etwas muede.
Schwierig, aber sehr kraeftig und angenehm oelig
am Gaumen.
Viel Druck, der erst am Ende des Abgangs
etwas abfaellt.
84 bis 86 Punkte
14. Jordan und Jordan, Scharzhofberger, Riesling Auslese restsuess 1999
Marzipan in Nase und Mund, das Ganze recht medizinisch,
kraeutrig.
Ermuedet. Wenig Spiel, keine Laenge, keine
Lagentypizitaet.
Fiel leider voellig durch.
71 Punkte
von mir, weil nicht klar fehlerhaft, sonst mochte
niemand punkten.
15. Max Ferdinand Richter, Graacher Domprobst, Riesling Auslese restsuess 1995
Nase eher verhalten, sogar ein wenig schweflig.
Im Mund eine gewisse Botrytis, kommt im Glas ganz
gut, toastig, recht suesslich, es fehlt ein wenig
an Saeure.
Rund und harmonisch, wenn auch schon
etwas ueber den Zenit und leicht petrolig.
80 bis 82
Punkte aus der Runde, 76 von mir.
16. Schloss Saarstein, Serriger Schloss Saarstein, Riesling Auslese Goldkapsel restsuess 1997
Nase recht botrytisch, dazu eingelegte Aprikosen und
mineralische Noten - insgesamt aber etwas zu verhalten.
Am Gaumen sehr elegant und fein, leichter Karamellton,
schoenes Spiel und tolle Laenge, sehr bestaedig, faellt
auch ganz am Ende des Abgangs noch nicht ab.
Frische
Saeure, die schoen mit der Fruchtsuesse spielt.
Leichte aber nicht dominante Botrytis, sehr lang.
Schade, dass die Nase etwas schwaechelte.
85 bis 89 Punkte aus der Runde, von mir eine 91.
17. Grans Fassian, Trittenheimer Apotheke, Riesling Auslese *** restsuess 1994
Riecht wie alte Fuesse - also molwanisch!
Im Mund eine gewisse, recht marzipanige Suesse,
leichter Botrytiston, gemischt mit Petrol.
Hansaplast!
Belanglos, was hat mich damals nur getrieben, diesen
Wein zu kaufen?
Fuer mich 75 Punkte, aus der Runde
punkten nur zwei, die hoefliche 80 und 82 vergeben.
18. Friedrich-Willhelm-Gymnasium, Graacher Himmelreich,
Riesling Beerenauslese restsuess 1994
Nase sehr muede, im Mund noch erheblich frischer aber
sehr vordergruendig und ohne grosse Struktur.
Oberflaechliche Mischung aus mittlerer Botrytis
und schwer zu verortenden Fruchtaromen.
Fuer eine
BA viiiiel zu schlank. 80 bis 85 Punkte.
19. Kallfelz, Merler Stephansberg, Riesling Beerenauslese restsuess 1997
Schleichender Kork?
Ich meine ja, einige streiten
dies ab und tippen auf allgemeinen Muff.
Und hatten
wahrscheinlich recht, denn am naechsten Tag und bei
fast optimaler Trinktemperatur (sich asymptotisch
der 21 Grad-Marke naehernd) wird der Fehl(?)ton
nicht staerker.
Sehr fruchtbetont, saftig, dicht
und soger ziemlich tiefgruendig.
Ohne den Fehlton
haette er wohl die 90er-Marke geknackt, so bleibt
er bei 86 bis 87 haengen.
20. von Othegraven, Kanzemer Altenberg, Riesling
Beerenauslese restsuess 1989
Nase recht medizinisch und eher schwierig.
Im Mund
aber interessant.
Deutlicher Alterston, gut gereifte,
sehr karamellige Botrytis.
Kommt im Glas noch sehr
schoen, Trockenfruechte, Rauch, Tabak.
Sehr reif, etwas
wachsig aber dennoch charmant, ausgesprochen lang, wobei
im Abgang Botrytis und Wachs die dominierenden Noten sind.
Noten zwischen 90 und 92 mit einem Ausreisser auf 88.
21. Georg Spiess, Kleinkarlbacher Hallgraben, Scheurebe Fass 13 restsuess 1969
Nase sehr tabakig, botrytisch-karamellig.
Im Mund
etwas frischer aber doch ziemlich viel alte Zigarre.
Polarisiert, die Raucher koennen ihm mehr abgewinnen
als die Nichtraucher.
79 bis 82 Punkte mit einem
Ausreisser auf 85.
22. Buerklin-Wolf, Wachenheimer Boehlig, Riesling Auslese restsuess 1990
Nase auch schon recht gereift, rauchig und pikante
Honignoten.
Im Mund deutlich frischer, kommt im Glas
sogar mit der Zeit noch ein wenig.
Recht lebendige
Frucht, Zitrusnoten, am ehesten in Richtung Grapefruit.
Erntet zwischen 78 und 84 Punkten.
23. Heinrich Weiler, Kauber Rossstein, Riesling
Auslese restsuess 2003
Da haben wir ihn also, den Wein aus der Lage, in
die die Bahn den Winzer nicht mehr lassen will.
Boese Zungen koennten sagen - jetzt wissen wir auch
warum.
Aber ich denke mal, es liegt auch am Jahrgang,
denn was wir da im Glas hatten, war schon ein echter
2003er, kilometerbreit, extrem floral, Veillchen bis
hin zum Veillchenparfuem.
Fuer mich an der Grenze zur
Trinkbarkeit und bei 71 Punkten, aus der Runde gab
es auch noch Noten bis 78 Punkte.
24. Eser/Johannishof, Johannisberger Klaus, Riesling Spaetlese restsuess 2001
Flaschenfehler?
Der Wein war richtig tot.
So jung
haette er das eigentlich nie und nimmer sein duerfen.
Nur unser Seilschaftschronist mochte ihn noch und meinte,
der Wein werde sich noch entwickeln.
Zur Strafe musste er
die eine in meinem Keller noch verbliebene Restflasche
mitnehmen - sein Versuch, sie in meinem Wohnzimmer zu
"vergessen", blieb erfolglos.
25. Prinz von Hessen, Riesling Auslese restsuess 1999
Die "Basisauslese" des Weinguts. Aus dem ersten guten
Jahr, das das Haus erlebt hat, nach dem Ende der
Achtziger bis Mitte der Neunziger eher Weine
erzeugt worden waren, die mir sehr wenig Freude
machten (leider hat inzwischen nach sehr guten
Weinen in den Jahren 2001 und 2002 - selbst 2000
war verhaeltnismaessig gut - der 2004er offenbar
wieder einen Abwaertstrend eingelaeutet).
In der
Nase etwas knapp, leichte Botrytis und etwas warme
Aprikose, am Gaumen zunaechst eine Spur zu breit,
aber mit sehr feinen Honignoten und guter
Saeurestruktur.
Leicht rosinig, saftige Frucht,
nicht der eleganteste aber sehr kraeftig und
stabil.
Schoene Laenge.
Kam am naechsten
Tag noch besser.
85 bis 88 Punkte, von mir
an diesem Abend 86 und am folgenden Abend
noch zwei Punkte mehr.
26. Prinz von Hessen, Johannisberger Klaus, Riesling Auslese restsuess 2000
Einer der drei Weine, die ich aus dem Katastrophenjahr
2000 ueberhaupt nur gekauft habe.
Er hat sich in den
vergangenen Jahren immer recht ansprechend praesentiert
und war vor allem nicht von den sauerfaulen Noten
erschlagen, die so vielen 2000ern schon in ihrer
Jugend den Garaus gemacht hatten.
Allerdings hatte
ich ihn nie als "Langstreckenlaeufer" gesehen.
Mit Recht, denn seit der letzten Verkostung vor
etwa einem Jahr hat er dramatisch abgebaut.
Inzwischen ist auch bei ihm die Sauerfaeule
durchgekommen und hat die Fruchtaromen
erschlagen.
Sehr karamellig, fruehvergreist,
viel Firne, etwas Muff.
So nur noch 72 Punkte
von mir.
Auch die Runde mochte ihn nicht,
wollte aber nicht punkten.
Nur unser Chronist
konnte ihm etwas abgewinnen - und bekam auch
hier die letzte Flasche geschenkt, die noch
in meinem Keller ruhte.
27. Robert Weil, Kiedricher Graefenberg, Riesling Auslese restsuess 1996
Leider, leider, leider wies der Wein einen ganz leichten
Korkton auf.
Man konnte zwar noch erahnen, dass es ein
hervorragender Tropfen ist, viel Schmelz, ueppig, dicht
und saftig, auf jeden Fall jenseit der 90 Punkte, doch
schien mir der Kork dem Wein ein wenig an Tiefe zu nehmen.
28. Robert Weil, Kiedricher Graefenberg, Riesling Beerenauslese restsuess 1996
Da ich keine Ersatzflasche der Auslese mehr im Keller hatte,
musste ich die Beerenauslese oeffnen.
Sehr kraeftige
Botrytis in der Nase, viel Frucht, Honig und Karamell.
Am Gaumen ein Gedicht an Weiche und Fuelle.
Ewig dicht,
noch immer schoen saftig und unfassbar lang.
Der Wein
bleibt ewig am Gaumen (oder bliebe, wenn man nicht
nach zehn Minuten mit einem anderen Wein nachspuelte...)
und spielt fein mit Nuancen von Honig, karamellisierten
Pfirsichen, Apfelsinen und Nuss/Mandel.
Mir hat er vor
drei Jahren beim gT noch etwas besser gefallen, weil
er nun schon anfaengt in die Phase zu treten, wo die
Noten von reifender Botrytis die Frucht in den
Hintergrund draengen.
Aber ich bin ja auch
bekennender BA und TBA-Jungtrinker/Babymoerder.
Damals sah ich ihn bei 98 bis 99 Punkten. Heute
bei 95 bis 96.
Der Rest der Truppe zueckte Noten
von 91 bis 94 mit deutlichem Uebergewicht bei der 94.
30. Kuenstler; Hochheimer Hoelle, Riesling TBA Goldkapsel restsuess 2003
Blind auf den Tisch gebracht und verkostet, wurde
dieser Wein ausnahmslos als BA oder TBA aus den
Achtzigern eingestuft.
Die meisten tippten auf 1988
oder 1989, einigen gingen bis 1985 und 1983 zurueck.
Warum? Weil das, was sich bei der Weil BA aus 1996
jetzt zu vollziehen beginnt, beim Kuenstler schon
zwei bis drei Schritte weiter gegangen ist.
Die
wunderbare fruchtige Frische, die der Wein noch
vor einem Jahr zeigte, ist dahin, er steht jetzt
voll auf der Botrytis und ist mit Raketengeschwindigkeit
gealtert.
Deswegen ist er nicht schlecht, bewahre!
Aber die Trinkreifeempfehlung unseres lieben Sam
(2015 bis 2100) konnten wir nicht so richtig nachvollziehen.
Meine Vermutung, dass man wegen der niedrigeren
Saeure auch bei den restsuessen 2003ern sehr
aufpassen muss, wie lange man sie lagert, sah ich
hier angesichts der Turboalterung bestaetigt:
In der Nase erst etwas Loesungsmittel, das sich aber
sehr schnell gibt.
Dann kommt eine schoene konfitierte
Aprikose.
Am Gaumen das, was ein Mittrinker
"oesterreichische Breite" nannte - also der
Mangel an Finesse, den man bei manchen TBAs aus
Austrien schon einmal gerne findet.
Dafuer aber
sehr kraeftige Statur.
Nur im Abgang schnurrt er
etwas schnell zusammen, da muesste mehr kommen.
Er wirkt etwas teeig, sehr karamelllastig und
nicht ganz balanciert.
Insbesondere fehlt es im
rosinigen, karamelligen Abgang deutlich an Saeure.
Der von einem Probanden in die Runde geworfene
"Fenchelhonig" fand breite Zustimmung.
Blind
verkostet gab es sechsmal 88 bis 89 Punkte aus der
Runde, einer vergibt eine 94, einer eine 91 und
einer eine 90.
Die 99 bis 100 von Sam konnte ich
bei der Verkostung vor fuenfzehn Monaten auf dem
Weingut noch halbwegs nachvollziehen (da hatte
ich ihn bei 98 wenn ich mich recht erinnere),
erscheinen aber schon heute als nicht mehr zu
rechtfertigen!
Beruhigend, dass auch der Profi sich aus unserer
ganz subjektiven Sicht mal so heftig irren kann.
Unser Tip: Wer noch davon hat: Trinken!
Es gab dann noch einen
Cabernet-Sauvignon Eiswein
Rose von Heiz Fauth,
der in der allgemeinen Aufbruchsstimmung
ohne grosse Andacht probiert wurde (aber auch mehr als Gag
mitgebracht worden war).
Und einen als Reparaturwein
gedachten ebenfalls mitgebrachten Riesling von
Ratzenberger, den sich aber der Gebietshein, der
irgendwann die Nase voll hatte, von "der suessen
Ploerre", schon vollstaendig eingepfiffen hatte,
so dass wir ihn nicht mehr probieren konnten.
Und so verliessen die Seilschafter, ganz wie
die vornehmen Botschafter, die Runde zwischen
22 und 23 Uhr, gerade als meine reitenden Boten
aus Lutenblag doch noch den echten Shtunkh
anzuliefern im Begriff waren.
Gruss und Zwkhc
Dominik