Unter Künstlern oder Welcher Wein zu Wolfgang Petry



von Dominik Ziller



"Hölle, Hölle, Hölle, Hölle" grölt die Schar der reiseweltmeisterlichen Pisaverlierer an den Ballermaennern des mallorcinischen Proletengrills. Und meint, dem Bildungsniveau entsprechend, natuerlich nicht die Weine des Herrn Künstler aus Hochheim. Sondern laesst in feinsinniger Selbstironie ahnen, durch wen der Herr Petry sich fuer seinen ansonsten nicht besonders bemerkenswerten Song "Wahnsinn" hat inspirieren lassen.

Da uns Ryan-Air wegen Ueberbuchung nicht mehr nach Malle mitgenommen hat und wir ja sowieso schon immer der Meinung waren, dass Pisa heute laengst nicht mehr in Italien bzw. als Studie bei der OECD auf dem Tisch laege, sondern mitsamt schiefem Turm irgendwo zwischen Koeln, Bonn, Aachen und Roesrath stuende, wenn wir denn nur an dieser seltsamen Studie teilgenommen haetten, haben wir uns als Ersatzbefriedigung fuer entgangenen Schlagergenuss als qualifizierte Teilmenge der Koelner Seilschaft mit der Hochheimer Hoelle entschaedigt.
Das aber nicht nur viermal wie beim Petry-Wolfgang, sondern gleich neunfach.
Ausserdem gab es natuerlich ein Rahmenprogramm aus den umliegenden Gemarkungen und von ganz anderen Baustellen, als Koelner Buchtpiraten sozusagen.

Den Anfang machte, zur Einstimmung bis alle da waren und eher ausser Konkurrenz die Literbombe:

0. Künstler Riesling QbA trocken 2002 (Literflasche)
Schoene schmelzige Nase, verheisst nette, nicht zu knappe Frucht.
Braucht etwas Zeit, kommt im Glas noch ein wenig.
Im Mund nicht so ueppig wie in der Nase, aber recht gut balanciert, wird kraeftiger und voller, behaelt seine schoene Laenge, feine volle Zitrusfrucht, zitronige Saeure, rosa Grapefruit, zarter Pfirsich.
Fuer einen Liter wirklich gut!
81 bis 83 Punkte aus der Runde.

1. Künstler Hochheimer Domdechaney Riesling QbA trocken 2003
Nase typisch fuer den Jahrgang. Recht breit, florale Noten, Bluetenduft, recht kraeftig.
Im Mund ebenfalls jahrgangstypisch, wobei er etwas mehr Substanz mitbringt, als die meisten Weine des Jahrgangs.
Hinter der vordergruendig-floralen Breite zeigt er eine recht nette Fruchtsuesse, auch eine ganz gute Saeure, ordentliche Balance, nur leider im Abgang das Jahrgangsbitterl.
83 bis 85 Punkte aus der Runde (die den Wein wie alle anderen blind verkostete, aufgedeckt wurde erst nach Punkteabgabe).
90 fuer uns nicht nachvollziehbare Punkte von Sam.

2. Pirat Heymann Löwenstein, Winninger Röttgen Riesling trocken 2003
Voellig ungewoehnliche Nase. So etwas hatten die meisten von uns noch nie gerochen.
Leicht hefige, aber auch malzige Elemente, deutliche Mineralik in der Nase.
Im Mund ebenfalls sehr mineralisch, jedoch aelter wirkend als er ist. Gute Laenge.
Es fehlt deutlich an der Saeure, sehr breit, hat zwar den weingutstypischen Einschlag (und wurde deswegen von unserem Moselfreak Bernd Schulz dem richtigen Weingut zugeordnet), der dramatische Saeuremangel laesst ihn aber eher als Karrikatur der sonstigen Roettgens erscheinen.
Spaltet die Runde ein wenig, es gab Wertungen von 78 bis 85 Punkten, wobei das arithmetische Mittel so um die 81 gelegen hat.
Die 91 von Sam erschienen uns auch hier zu hoch.

3. Naechster Pirat Van Volxem Kanzemer Altenberg Riesling Alte Reben 2003
Im Forum schon haeufig diskutiert, zumeist sehr positiv.
Ich hatte ihn noch nie probiert und deswegen mal eine Flasche fuer unsere Probe geordert.
Immerhin 28 Euronen muss einem der Spass wert sein.
Nase sehr malzig, dazu Orangenschale und etwas Stachelbeere.
Die floralen Noten, die sonst fast alle 2003er kennzeichnen fehlen ihm voellig.
Im Mund fehlt es ihm sehr deutlich an Saeure, bzw. steht die vorhandene Saeure irgendwie neben der Suesse, wirkt unharmonisch.
Auch hier die Orangenschalen, dazu eine angenehme Cremigkeit.
Wird im Abgang fuer mich etwas bananig, was aber nicht alle nachvollziehen konnten.
Ganz zum Ende leichter Bitterton. Fuer einen 2003er recht gut, der einzige von den drei Weinen, dem wir ein grosses Alterungspotential zubilligen wuerden.
Allerdings auch recht saettigend und klarer Verlierer des JLF-Tests.
Waehrend sich alle anderen Flaschen sofort oder spaetestens bei spaeterem Nachprobieren leerten, blieb vom Van Volxem ein knapper Viertelliter fuer die Nachverkostung am Folgetag.
Ich habe es nicht geschafft, diesen Viertelliter an einem Abend zu trinken, es war mir einfach zu viel und zu breit.
Die Runde wertete wiederum eher inhomogen zwischen 84 und 89 Punkten, wobei ich mich mit meinen 84 schon eher grosszuegig fuehlte.
MSR-Experte Bernd Schulz lag wieder richtig und identifizierte als einziger das Weingut.
Von Sam bisher nicht bewertet.

4. Künstler Hochheimer Hoelle Riesling Kabinett trocken 2001
Leider ein wenig fehlerhafte Flasche.
Ich habe eine Konterflasche kaltgestellt, die wir aber am weinseligen Ende der Probe nicht mehr geoeffnet haben.
Jedoch kenne ich den Wein besser als er sich an diesem Abend praesentierte.
Er wirkte deutlich ueberaltert, ein wenig muffig und schimmelig. Kein Kork, aber sicher eine schlechte Flasche.
Hat so um die 80 Punkte bekommen, liegt normal etwa fuenf Punkte hoeher.
Auch bei Sam mit 84 Punkte notiert.

5. Kuenstler Hochheimer Hoelle Riesling Spaetlese trocken 2001
Sehr kraeftige klare Rieslingnase.
Dort wie im Mund entwickelt er schoene Aromen von Weinbergspfirsich und Orange. Dazu einen Hauch von Ananas, der sich noch ein wenig hinter der kraeftigen Saeure versteckt.
Herrliche Laenge, dicht, klar, schoene Tiefe, behaelt seine Komplexitaet bis weit in den Abgang hinein.
Zwischen 88 und 90 Punkte aus der Runde mit einem Ausreisser auf 93.
88 Punkte bei Sam, was wir in Ordnung fanden, wobei wir uns mit elf froehlichen Verkostern einig waren, dass Sam die 2003er im Verhaeltnis sehr hoch bewertet und die Stilistik des "Jahrhundertjahrgangs" offenbar sehr viel mehr schaetzt als jeder von uns.

6. Kuenstler Hochheimer Hoelle Riesling Spaetlese trocken 2002
Wunderschoene Nase, etwas Zigarrentabak, kraeftige Frucht, dennoch sicher noch ein wenig verschlossen, da kommt noch mehr, wenn man ihm noch ein paar Jahre Zeit laesst.
Im Mund sehr kraeftig und komplex, tolle Dichte, tief, voll und sehr schoene Laenge.
Gigantisches Ausmass fuer eine Spaetlese. Je laenger im Glas, desto oeffnet er sich, ploetzlich sind auch Guavenaromen da, eine feine Fruchtsuesse macht sich bemerkbar, die erst noch nicht zu vernehmen war.
Wird immer besser, große Zukunft!
Fuer mich mit Sicherheit die beste Spaetlese, die Kuenstler je aus der Hoelle gezaubert hat.
89 bis 91 Punkte aus der Runde mit einem Ausreisser auf 85.
Von Sam nicht bewertet.

7. Pirat A. Christmann Koenigsbacher Idig, Riesling Spaetlese trocken 2002
Sehr mineralische Nase, dazu ein leicht erdiger Ton, sehr gebietstypisch.
Wirkt nach den Kuenstlern im ersten Moment ein wenig rustikal, dann aber, wenn man sich mental umgestellt hat, merkt man, was fuer ein grosser Wein das ist.
Unfglaubliche Harmonie am Gaumen, sehr fein, hervorragende Balance zwischen Suesse und Saeure, Frucht, Mineralitaet und Wuerze, ueppig, saftig, hervorragende Laenge.
Tolle Komplexitaet.
93 bis 96 Punkte mit einem fast schon schismatischen Ausreisser auf 88.
91 Punkte bei Sam, fuer uns schon etwas zu knapp, vor allem ist nicht verstaendlich, wie man den Wein auf einer Ebene mit dem Heymann Loewenstein Roettgen 03 und nur einen Punkt ueber der Domdechaney 03 sehen kann.
Die sind dann doch sehr hoch eingestuft.

8. Kuenstler Hochheimer Stielweg Riesling Spaetlese trocken 2001
In der Nase etwas karamellig, kraeuterwuerzig und dazu ein Anklang von Zitronenzesten.
Im Mund recht gute Fuelle, sehr kraeftige Saeure, aber irgendwie ein wenig undifferenziert und bei weitem nicht so lang wie der Christmann.
Im Abgang bleiben vor allem Saeure und Alkohol.
Man merkt, dass Kuenstler 2001 das große Jahrgangspotential bei weitem nicht bei allen Weinen hat ausschoepfen koennen.
Zwischen 86 und 89 Punkten mit einem Ausreisser auf 91.
Bei Sam 87 Punkte.

9. Kuenstler Hochheimer Kirchenstueck Riesling Spaetlese trocken 2001
Sehr mineralische Nase, aber noch sehr verschlossen.
Erster Eindruck ist, dass er gegenueber dem Vorgaenger noch abfaellt.
Dann offenbart er aber eine unheimliche Tiefgruendigkeit. Verspricht, die lagentypische spielerisch-elegante Ueppigkeit noch zu bekommen.
Sehr gute Laenge, legt im Abgang fast noch zu!
Die Wertungen reichen von strikt auf den Istzustand bezogenen 85+ bis zu potenzialorientierteren 91.
Bei Sam nicht bewertet.

10. Kuenstler Hochheimer Hoelle Riesling Spaetlese trocken 2002
Genau, noch einmal der Wein, den wir schon als Position 6 hatten.
War keine Absicht, ist mir bei Zusammenstellung der Probe gar nicht aufgefallen, dass ich da zweimal den gleichen auf der Liste hatte.
Hat aber im Schnitt die gleichen Noten bekommen wie in der ersten Runde (nur der Ausreisser nach unten war ploetzlich nicht mehr da) und auch die Kommentare waren dieselben, Seilschafter, ich bin stolz auf Euch.

11. Kuenstler Hochheimer Hoelle Riesling Auslese trocken 2003
Ob diese Flasche in Ordnung war?
Auch nach sechs Stunden Karaffe noch immer sehr seltsame Nase, irgendwie ein wenig nach Babywindel, boecksert auch recht stark.
Die Runde sieht ausserdem klare Anzeichen fuer Spontangaerung.
Im Mund erst kraeftig, dann eher schlank, noch verschlossen, dabei aber durchaus harmonisch, erstaunlich saeurebetont.
Wirkt zur Zeit eher kurz und knapp.
Spaltet dennoch, 81 bis 88 Punkte recht gleichmaessig verteilt.
95 Punkte von Sam.

12. Kuenstler Hochheimer Hoelle Riesling Auslese trocken 2002
Sensationelle olfaktorische Fuelle, der Wein hat wirklich alles.
Mineralik pur mit einem kraeftigen Schuss Pfirsich, am Gaumen tolle Balance zwischen Suesse und Saeure, auch hier sieht die Seilschaft deutliche Spontangaerungsstilistik.
Wird im Glas immer besser, kleidet den Mund voll aus.
Tolle Laenge und dabei eine Fuelle, wie man sie bei trockenen Weinen kaum einmal erlebt!
Zwischen 91 und 95 Punkten aus der Runde, wobei ich mich da durchaus am oberen Ende einordnen moechte.
93 Punkte von Sam.

13. Kuenstler Hochheimer Kirchenstueck Riesling Auslese trocken 2002
Klassische Rieslingnase der allerbesten Art.
Apfelsinig, duftig, fast eine Spur Karamell dabei.
Am Gaumen kuehle, etwas stahlige Mineralik, ist bei weitem noch nicht ganz da, voll, gut balanciert, wird immer harmonischer, oder - wenn man ihm boese will - gefaelliger, halt der typische Kirchenstueckcharme.
Nicht ganz auf dem Niveau des Vorgaengers, doch fast genauso hoch bewertet zwischen 90 und 94 Punkten mit einem schismatischen Ausrutscher nach unten auf die 87.
92 Punkte von Sam.

14. Kuenstler Hochheimer Hoelle Riesling Auslese trocken 2001
Hier wurde wieder einmal deutlich, dass Kuenstler 2001 unter den Moeglichkeiten geblieben ist.
Kein schlechter Wein, beleibe nicht. Aber nach dem Feuerwerk der Vorgaenger doch eher enttaeuschend.
Vielleicht auch eine etwas schwaechere Flasche, denn ich habe den Wein schon besser erlebt.
In der Nase quittig, dazu ein leichter Muffton.
Auch im Mund wirkt die Frucht etwas lustlos, eher knapp und das Ganze fuer den Standard des Hauses doch ein wenig simpel gestrickt.
Mittlere Laenge, sich im Abgang deutlich verschlankend, na ja.
Punkte aus der Runde zwischen 85 und 87 mit einem Ausreisser auf 92.
91 Punkte von Sam.

15. Kuenstler Hochheimer Hoelle Riesling Auslese trocken 1999
Schon wieder eine problematische Flasche. Wirkt leicht schimmlig, zeigt andererseits aber auch tolle Fuelle, da stimmt etwas nicht.
Zum Glueck hatte ich eine Konterflasche im Klimaschrank, die sich ganz anders praesentierte.
Karamellige Nase, unglaubliche Eleganz, viel Kraft, athletischer Koerper.
Faszinierendes Spiel zwischen Suesse und Saeure.
Sensationelle Laenge, dabei unglaublich rund ohne gefaellig zu sein, saftige Frucht, entfaltet sich sehr schnell und zeigt sich ungemein dicht und komplex.
Duerfte noch weiter zulegen!
91 bis 94 Punkte aus der Runde.
96 Punkte von Sam.

16. Kuenstler Hochheimer Kirchenstueck Riesling Auslese trocken 1998
Nase sehr mineralisch, aber leider schrecklich verschlossen.
Auch im Mund zeigt er noch nicht alles, was er koennen wird.
Obwohl er schon sechs Jahre auf dem Buckel hat.
Undurchdringlich, deswegen in der Frucht sehr knapp wirkend, erkennbar aber gute Saeurestruktur, gute Laenge und sehr kraeftig.
Am Abend zwischen 84 und 87 Punkten.
Ein kleiner Rest blieb in der Flasche und zeigte sich am naechsten Tag fuer mich sehr viel zugaenglicher.
Sehr fein, sehr balanciert, eher elegante sanfte Pfirsichfrucht, nicht so ueberbordend wie die Auslesen aus 99 und 02, aber ebenso lang und nachhaltig. 89 bis 90 Punkte.

16 a. Mitgebrachter Pirat Reichsrat von Buhl Deidesheimer Paradies Riesling Spaetlese trocken 1999
Sehr schoen gereifter Pfaelzer Wein, in der Nase wie am Gaumen recht voll und relativ komplex, angenehme Mischung aus vollreifer Pfirsichfrucht und wuerzig-erdigeren Aromen.
Nicht ganz die Komplexitaet und Laenge wie die Kuenstler-Spitzen, zumal von der Dramaturgie her natuerlich nach den Auslesen von mir zu spaet eingefuehrt.
Punkte zwischen 85 und 89.
Von Sam 92.

17. Kuenstler Hochheimer Domdechaney Riesling QbA trocken 1997
Ein Testballon mit einem gut abgehangenen aelteren Wein.
Die legendaere Langlebigkeit der trockenen Auslesen findet sich bei den QbAs aber leider nicht in dem Masse wieder, der Wein starb unter der Hand bzw. unter dem Gaumen weg.
Sehr schlank, eher knappe Frucht, duerfte schon sehr viel bessere Zeiten gesehen haben, wird im Glas immer firniger, wenngleich sich durchaus noch feststellen laesst, dass die Balance einmal sehr gut und der Extrakt relativ hoch gewesen ist.
82 bis 85 Punkte, einer geht noch deutlich hoeher und zueckt die 87.

18. Pirat A. Christmann Deidesheimer Hohenmorgen Riesling Spaetlese trocken 1997
Noch so ein Testballon aus der gerontologischen Abteilung.
Ebenfalls schon deutlich ueber den Hoehepunkt, wirkt ausgezehrt, ohnehin nicht die Spitzenlage von Christmann, deswegen wohl trotz des guten Jahres schon so muede.
Um die 80 Punkte.

19. Kuenstler Hochheimer Kirchenstueck Riesling Spaetlese restsuess 1999
Ein Beleg dafuer, dass Kuenstler vor 2003 keine wirklich guten restsuessen Weine produziert hat.
Nase doch etwas zu parfuemiert, irgendwie an kuenstlichen Blumenduft erinnernd.
Am Gaumen deutlich zu suess, es fehlt an Balance und Saeure.
Dafuer hat er deutlich mehr Frucht als in der Nase, recht kraeftig, sogar relativ dicht, wenngleich ein wenig oelig und fett anmutend.
Recht einheitliche 85 bis 86 Punkte, diesmal bin ich der Ausreisser nach unten mit nur 82.
Von Sam 90 Punkte.

20. Pirat F.X. Pichler Riesling M 2001
Extrem ueppige Nase.
Sehr "oesterreichisch", d.h. ueber alle Massen kraftstrotzend, viel Frucht, dazu auch pikante Wuerze, kraeutrige Aromen.
Im Mund sehr saftig.
Offenbar noch sehr jung, aber das kann auch taeuschen, ich wuerde keine Prognose wagen, wie lange er halten wird.
Bestechende Dichte, Konzentration ohne Ende, herrliche Laenge!
89 bis 93 Punkte.
Von Sam 94 bis 95 Punkte.

21. Pirat Robert Weil Kiedricher Graefenberg Riesling Auslese restsuess 1997
Sehr kraftvolle, dicke, dichte, samtige Nase, volles Graefenbergterroir, kann man nicht beschreiben, muss man trinken.
Im Mund extrem dicht, oszilliert elegant zwischen Suesse und Saeure, bleibt dabei aber fest und tiefgruendig bis weit in den sehr langen Abgang hinein.
War auch eine Spende - danke Hartmut!
88 bis 92 Punkte, bekommt von fast allen genau einen Punkt weniger als der M.

22. Kuenstler Hochheimer Hoelle Riesling Auslese Goldkapsel restsuess 2003
Ganz andere Abteilung! Auch ein wenig von der Typizitaet des 2003ers vielleicht, aber wegen der Restsuesse macht sich das weniger bemerkbar.
Dennoch nicht voellig ueberzeugend. Aus der Runde kam der Kommentar, der Weine gebe sich "pseudounschuldig".
Auf jeden Fall wirkte er uns etwas zu gefaellig, zu einfach gestrickt.
Nach den vielfach zu lesenden Elogen und auch nach der Verkostung auf dem Weingut, wo ich ihn wesentlich besser erlebt hatte, eher enttaeuschend, weil nicht komplex und tiefgruendig genug, gut balanciert und harmonisch zwar, aber auf eher niedrigem Niveau.
In der Verschlussphase?
Eine eher schlechte Flasche?
Fuer uns um die 85 Punkte.
Von Sam 95 Punkte.

23. Kuenstler Hochheimer Domdechaney Riesling Trockenbeerenauslese Goldkapsel 2003
Ich muss gestehen, dass ich hier den Stift aus der Hand gelegt und einfach nur genossen habe.
Trotzdem blieb einiges haften: Sagenhafte Fuelle, extrem opulent, gar nicht einmal soooo botrytisch, die toastigen, briochigen, quittigen Aromen werden von einer herrlichen erstaunlich frischen Zitrusfruchtigkeit ueberlagert.
Gute Saeure, ewiger Abgang, sehr gross!
Bekam von allen 97 bis 98 Punkte, ein kleiner Ausreisser nach unten von 95.
99 Punkte bei Sam.

Nach diesem Marathon gab es noch ein staerkendes Chili und natuerlich auch noch den einen oder anderen Wein dazu.
Ich war aber nicht mehr in der Lage, konzentriert zu verkosten und am naechsten Tag auch gar nicht mehr sicher, von welchen Weinen ich noch probiert habe und welche nicht mehr.
Da aber noch von fast allen etwas uebrig war, konnte ich nachverkosten.

Ganz kurz einige Notizen:

24. Kees-Kieren Erdener Treppchen Riesling Spaetlese* restsuess 1996
Sehr schoene Nase eines schon deutlich gereiften Rieslings, leichte Firne, deutlicher Quittenton.
Im Mund ebenfalls deutliche Alterstoene.
Schon ein Schrittchen ueber den Hoehepunkt hinaus, Firne dominiert im Abgang ein wenig.
Im Anklang aber durchaus eine recht frische tropische Frucht von Maracuja und Grapefruit.
84 Punkte von mir, war aber sicher mal bei 87.

25. Hans Wirsching Iphoefer Julius-Echter-Berg Scheurebe Spaetlese restsuess 2001
In der Nase erstaunliche Minze, etwas Netzmelone.
Im Mund im Anklang erst erstaunlich dezent.
Dann kommt er aber mit einer sehr feinen Aromatik, in der sich die fraenkische Erdigkeit hervorragend mit der Fruchtigkeit der Scheurebe verbindet.
Auch im Mund eine dezente Minzigkeit, leichte Suesse, recht oelige Konsistenz, hintergruendige Saeure, relativ gute Laenge.
87 Punkte von mir.
84 Punkte von Sam.

26. Weinhof Herrenberg Schodener Herrenberg Riesling Auslese restsuess Nr. 6 Jahrgang 1999
Nach der Papierform eine der Spitzenauslesen des Gutes aus dem dort sehr gut geratenen Jahrgang.
Ein herzlicher Dank dem Spender ebenso wie den Spendern der anderen mitgebrachten Weine fuer ihre Grosszuegigkeit!
Leider kann ich das, was nachher im Glas war, nur schwer mit der Papierform in Einklang bringen.
In der Nase seltsam unzugaenglich.
Fuer mich an der Grenze zur Fehlerhaftigkeit, da im Mund seltsame Noten von Gorgonzola im Anklang.
Dahinter schoene Rieslingsaeure und ein recht harmonisches Gesamtbild.
Hoher Restzucker, im Abgang ein wenig botrytisch, insgesamt in der Laenge recht konsistent und dick bleibend.
Aber wo ist die Komplexitaet?
Entweder ein schleichender Kork, oder die Nr. 6 hat sich einfach nicht so gut entwickelt, wie die Auslese Nr. 1, die ich aus gleichem Jahrgang im Keller habe und die regelmaessig bei guten 90 Punkte liegt.
Ein ganz großer Langstreckenlaeufer scheint mir die Nr. 1 nach meinen letzten zwei Verkostungen allerdings auch nicht zu sein.

27. Weingut Alfred Merkelbach 1996er Uerziger Wuerzgarten Riesling Auslese restsuess
Boecksert ein klein wenig in der Nase und stark im Mund.
Daneben aber auch eine angenehme Reife, die dem Wein eine gute Cremigkeit verleiht.
Saftig, deutlich besser gealter als der Kees-Kieren aus gleichem Jahr, der ja aber auch "nur" eine Spaetlese war.
Die Boeckserei gibt sich nach einiger Zeit und einer Kupfercentbehandlung.
Es bleibt eine harmonische, saftige Pfirsichfrucht, gepaart mit einer kraeftigen Mineralik, guter Tiefe und erstaunlicher Komplexitaet.
Macht Freude und war der klare JLF-Sieger meines "Nachtrinkens".
Beweist wieder einmal, dass die Merkelbachs zum Teil sehr gute Weine machen.
89 Punkte.

28. Domaine Fritsch Alsace Riesling Steinklotz selection de grains nobles 1995
Auch hier hat der Mitbringende sich extrem grosszuegig gezeigt, ich weiss, was die Beerenauslesen im Elsass so kosten...
Leider, das darf ich sagen, ohne ihm zu nahe zu treten, hatten wir uns beide mehr erhofft, als nachher im Glas war.
Typischer Elsaesser zwar, also mit wenig Saeure, recht kraeftigem, fast brennendem Alkohol, fehlte es fuer eine BA jedoch erheblich an Fuelle, Frucht und selbst Botrytis.
So wirkte er eher etwas kraeutrig floral, ziemlich kurz und leider nicht ueberzeugend.
80 Punkte.

29. ????
Was haben wir da im Glas? Einen Scherz, den ich in Frankreich von einem Freund bekommen habe.
Ein Winzer wolte sich ueber die "Rauchen toetet"-Aufkleber lustig machen, die dort inzwischen genau wie bei uns auf den Schachteln angebracht werden muessen.
Und hat aufs Etikett einer kleinen Partie seiner Rotwein-Magnums einfach nur "Vin de Table de France - Boire Tue" geschrieben.
Sowie ein "Allez Hue!" Der Herr Hue ist der Kommunistenfuehrer in Frankreich und ich weiss nicht, ob das ein von dem Boire Tue unabhaengiger Aufruf ist, den Herrn Hue zu unterstuetzen.
Oder ob es die Aufforderung an denselben sein soll, sich moeglichst schnell zu Tode zu saufen.
Natuerlich ist das Zeug so nie in den Handel gekommen, sondern nur an Freunde verteilt worden.
Was drin ist, hat mir mein Kumpel in Frankreich nicht verraten, nur dass ich nicht zuviel davon erwarten solle.
Tja, ich habe dann einfach mal probiert und...
trollingereske Farbe, trueb, sicherlich unfiltriert.
Nase himbeerig, leicht likoerig, fast schon frivol-fruchtig.
Im Mund ganz aehnlich, etwas vordergruendige himbeerig-johannisbeerige Frucht, dahinter aber auch erdig-wuerzige Noten, vielleicht doch nicht so leichtfuessig, wie ich erst dachte?
Im Abgang, der erstaunlich lang ist, wird er schliesslich etwas "staubig" bis grasig, was mich zu der gewagten Vermutung tendieren laesst, dass es sich um einen Cabernet Franc entweder von der Loire oder irgendwo aus dem Zentralmassiv handeln koennte.
Ein wenig erinnert das Ganze auch an Beaujolais, vielleicht ist ein Schuss Gamay mit drin?
Ich werde meinen Freund mal fragen muessen.
In einem zumindest hat er recht behalten:
Gross ist anders, das ist leider nicht mal echter Spasswein, wenn man vom Etikett absieht.
Mit Muehe 79 Punkte.

Dominik die Reblaus