Weihnachten mit Spindlers und Bajanos in Paris! An sich kein hartes Schicksal, schon gar nicht bei
14 Grad im Schatten und dem waermsten Christfest seit 1886. Wenn da nur nicht dieser Regen gewesen waere,
mal nieselnd, mal staerker, aber fast immer da. Der zwingt einen foermlich in die Kneipen, Weinbars und
Restaurants. Schrecklich! Wo man doch eigentlich nur der Kultur und der schoenen Ausstellungen wegen
angereist war. Und wer von uns liebt schon diese seltsame franzoesische Kueche? Oder trinkt gar gerne Wein?
Karl Bajano oder Egon "der Abstinenzler" Spindler vielleicht? Oder die Reblaus, die sich doch eher von
trockenen Wurzeln ernaehrt?
Dann, zurueck in Deutschland, schon wieder dieser Regen. Die fuenf neuen Auenlandschaften drohen schon
wieder abzusaufen, an der Mosel steigt das Wasser fast bis in die Weinberge und in Bonn bekommen der Herr
Bajano und seine Liebste, die an den Paris(s)aufenthalt noch eine Woche Staatsbesuch in Deutschland
angehaengt haben, kaum eine Chance, sich trockenen Fusses der Innenstadt zu naehern. Grau in grau zeigt
unsere Kleinstadt sich den Gaesten aus felix Austria, fast so grau wie die Uniform der oesterreichischen
Wegelagerer, die gleich hinter der Grenze immer schon meinen, man sei gerade wieder zu schnell gefahren.
Sonne, das waere es jetzt! Und Strand! Und ein feiner Drink! Und eine Palme! Oder gleich den Komparativ:
Palmer!
Denn da ist die Sonne im Glas fast garantiert - und warm ums Herz wird es einem in der Regel auch.
Also sprach Reblaus und lud zur Weinprobe.
Den Geheimrat Bajano, den harten Kern der Koelner Seilschaft,
soweit gerade im Lande und auf die Schnelle erreichbar, sowie den Kollegen Weinnase aus Duesseldorf und
den Mann, der vor rund 15 Jahren die Reblaus nach Bordeaux gebracht hat.
Und natuerlich den Herrn Palmer.
Bzw. die Herren Palmer, denn da hatten sich gleich 10 Brüder eingefunden, aus verschiedensten Jahrgaengen.
Begleitet von zwei hochkaraetigen Piraten.
Um das Ganze nicht in Spass ausarten zu lassen und den Geheimrat im Geheimen raten zu lassen, wurde
allerdings blind verkostet - die armen Seilschafter wussten nur, dass es einige Medoc-Weine aus den
letzten 35 Jahren zu trinken geben sollte.
Dass zehn der zwoelf Weine aus unterschiedlichen Jahrgaengen
desselben Gutes stammten, ahnte keiner und fand im Laufe des Abends trotz durchweg hoher Bordeauxkompetenz
der Conbacchanten auch keiner heraus, da erst zum Schluss aufgedeckt wurde. Scheinen eine recht heterogene
Familie zu sein, diese Palmers...
Aber ich erzaehle mal der Reihe nach und fasse die Kommentare der Verkoster getreulich zusammen:
1. Wein:
Sehr aetherische, alkoholische Nase mit reichlich Wacholder, etwas Schokolade, viel Cassis und
sonst wenig Frucht. Vom Geruch her sei das ein recht typischer Cabernet, hiess es. "Am Gaumen sehr jung!"
darin waren sich fast alle einig, einer fand ihn sogar viiiiiiiiiiiiel zu jung, wobei ich hoffe, dass ich
die Anzahl der i in "viel" richtig mitprotokolliert habe. Ein Leichtgewicht sei das, aus einem wohl
recht kleinen Jahrgang, noch sehr tanninbeladen und fuer einige im Abgang doch von einer grünen Bitterkeit,
die sich vielleicht auch in reiferem Stadium nicht geben wird. Zur Herkunft gab es verschiedenste Ideen,
von Pauillac und St.-Estephe ueber das Medoc bis hin zum Haut-Medoc. Eher uneinheitlich auch die
Jahrgangstips, geboten wurde je einmal 1991, 1993, 1994, 1995, 1996, 1997 und 1998.
Richtig war: 1995er Palmer! Schon eine große Ueberraschung, dass dieser Wein sich so schwach praesentierte.
Zumal Parker ihm nicht nur ganze 90 Punkte zubilligt, sondern auch fruehe Trinkreife. Fuer uns waren es
im Schnitt 86,5 Punkte und trotz zweistuendigen Belueftens in der grossen Karaffe alles andere als
Trinkreife. Ach so, der ganz typische, klare Cabernet duerfte es eigentlich auch nicht sein, bei immerhin
43 Prozent Merlot.
2. Wein:
"Eine feine runde Sache, das ist Bordeaux wie ich ihn liebe" sprach die Weinnase, deren ebensolche
vor Freude bordeauxrot zu leuchten begann. Wer wuerde Christian widersprechen wollen - oder koennen?
Die Meinung war recht einhellig: "Schoen reife Nase, karamellig, Duft von getrockneten Rosen,
konfitierte rote Früchte, leichte Kaffeetoene, dazu ein leichter Eukalyptuston, vollreife Brombeere und -
auch wenn es wie ein Widerspruch in sich klingt - eine gereifte, noch grüne Paprika, die dann eigentlich
schon gelb ist ;-). Im Mund ein echter Charmeur, rote, etwas suessliche Paprika, sehr feines Tannin, im
Abgang noch einen Hauch verschlossen, stabile Saeure, am Anfang der Trinkreife, schoener, nussiger und
langer Abgang. Immerhin, hier tippten fast alle auf Margaux, nur zwei wollten einen St.-Julien erkannt
haben. Beim Jahrgang war man sich einig - der Wein muss aus einem grossen Jahr etwa Ende der Achtziger
stammen: 1986, 1988, 1989 oder vielleicht sogar 1990.
Richtig war: 1994er Palmer! Es spricht fuer das Gut, dass es in diesem eher mittleren Jahr einen so guten
Wein erzeugt hat. Natuerlich reift er trotzdem etwas schneller als die absoluten Topjahrgaenge, aber wenn
ein 94er heute wirkt wie ein relativ grosser 86 oder 90er am Beginn der Trinkreife, dann ist ein grosser
Wurf gelungen. Wieder verwundert Parkers Bewertung, der dem Wein gerade einmal 86 Punkte zubilligt und
feststellt, er haette in diesem Jahr von Palmer mehr erwartet. Fuer uns waren es im Schnitt 90,5 Punkte.
3. Wein:
Klare Sache: In der Nase mit Heu und Stroh, viel Wuerze, laktischen, etwas saeuerlichen Noten,
Cassis, Paprika und sogar etwas Buttermilch ein ganz eindeutiger St.-Julien, das haben alle gemerkt.
Obwohl er ja am Gaumen nach dieser eher ruppigen Nase schon ueberraschend weich wirkt, ja samtig fast.
Eine schoene, ueppige Suesse bringt er da mit, gute Reife und eine feine Frucht. Nur ganz am Ende, im
Abgang zeigt er noch kurz eine gewisse Schaerfe, die nicht jeder als angenehm empfand und einer auf "zu
viel Barriquetannin" zurueckfuehrte. Im Glas kommt nach einiger Zeit etwas "gesund vermoderndes Stroh"
(Oliver Wirtz), Waldboden, Trueffel, das alles in einer sehr ausgewogenen Komposition, mit sehr guter
Laenge, wenn vielleicht auch etwas weniger komplex als der Vorgaenger. Fazit: So schmeckt Bordeaux... ...
aber so riecht Bordeaux doch eigentlich nicht, oder? Wieder wurden vor allem gute Jahrgaenge aus den
Achtzigern getippt: 85, 86, 89, 90 - einer setzte dagegen auf einen sehr guten 93er, in jedem Fall aber:
St.-Julien!
Richtig war: 1991er Palmer! Wieder ein grosser Erfolg fuer Palmer in einem eher schwachen Jahr! Wer den
Wein nicht kennt, waere wohl niemals auf 1991 gekommen, das muss man der wackeren Seilschaft schon lassen.
Und wenn man gewusst haette, dass es ein 1991er ist, haette man sich dann gewagt, durchschnittlich
91 Punkte zu vergeben? Parker jedenfalls nicht, denn der spricht zwar auch von einem Topwein fuer den
Jahrgang, haelt sich aber mit 87 Punkten wiederum zu sehr zurueck. Lustig auch seine Trinkreifeempfehlung
bis 2002 - wir waren also ein paar Tage zu spaet dran. Aber ich denke mal, dieser Wein macht auch 2007
noch Spass...
4. Wein:
Jetzt gab es eine kleine Zwischenmahlzeit. Meinte jedenfalls einer, der dem Wein bescheinigte,
er sei im Mund wie Mousse au Chocolat mit sehr bitterer Bitterschokolade. Ansonsten war es ein Tropfen
der ungemein polarisierte. Ich spule mal durch den heimlichen Tonbandmitschnitt, der klang fast wie ein
Interview mit mehreren Sozialdemokraten im Jahre eins nach der Bundestagswahl: "Die Länge ist im
Augenblick nicht so da (...) Nein, ich finde den sehr lang! (...) Ja, das denke ich auch (...) Nee, nee,
nee, also wirklich, lang ist der eigentlich nicht (...) gerade die Laenge gefaellt mir". Und so ging es
weiter, die einen fanden ihn zu fruchtsuess, die anderen zu knapp in der Suesse. Die einen fanden ihn als
eher maskulin und wuerzig, mit eher zurueckhaltender Frucht, die anderen meinten, mit einer Fruchtbombe
beschossen zu werden. Offenbar ein vielschichtiger Tropfen und sehr unterschiedliche Geschmaecker. Klar war:
Der Wein ist zart, sehr subtil, elegant, er weist herbe Noten auf und zugleich Spuren von suesslicher
Brombeere. Und gut ist er! Er duerfte den Hoehepunkt seiner Trinkreife erreicht oder fast schon ein wenig
ueberschritten haben und sollte getrunken werden. Was wir auch brav taten. Getippt wurde zweimal auf
Pauillac, davon einmal sogar spezifiziert auf Pichon-Baron, im uebrigen auf Margaux. Bezueglich des Jahrgangs einigte sich die Jury nach kurzer Beratung fast einstimmig auf 1983, einer sah ihn sogar eher in den Jahren 1978 oder 1981.
Richtig war: 1989er Palmer! Uuuups, den haette man angesichts der Papierform doch besser erwartet.
Vielleicht eine nicht ganz optimale Flasche oder doch schon eine leichte Alterserscheinung? Ich weiss es
nicht, denn auch bei der letzten Verkostung (aus einer anderen Partie) hatte er mich nicht ganz ueberzeugt.
Der Herr Parker sieht das natuerlich wieder ganz anders. Der meint naemlich, wir haette da erst zwischen
2006 und 2030 dran gedurft. Oioioi, Bobby, da waere ich mal sehr vorsichtig! Auch die 95 Parkerlichen
Punkte konnten wir nicht wirklich nachvollziehen - uns war das Vergnuegen im Schnitt 91 Punkte wert,
wobei immerhin einer auch die 94 zueckte!
5. Wein:
Leider der Tiefpunkt des Abends, und das sahen wohl auch alle so. In der Nase Pilze, Unterholz,
etwas Liebstoeckel, staubig und gedeckt das Ganze, im Mund zwar leicht schokoladig und angenehme
Kaffeearomen, dann aber vor allem wiederum staubig, einige gruene Toene, noch unreif bzw. ohnehin
physiologisch nicht ganz reif geworden, gruene Papirka, gruene Tannine - hat etwas von Friedhof. Nur
einer fand ihn recht harmonisch, konstatierte zugleich aber auch, der Wein sei etwas duenn und weder
dicht noch finessenreich. Getippt wurde auf: St.-Estephe, Pauillac, Medoc, Moulis und - von einem, der
sich ganz besonders gut auskennt ;-) ganz speziell auf Poujeaux. Als Jahrgang wurde wegen der mangelnden
Reife alles zwischen 1992 und 1997 angeboten.
Richtig war: 1988er Palmer! Eine große Enttaeuschung,
auch wenn der Wein nicht gerade im Ruf besonderer Gelungenheit steht.Parker haelt ihn fuer einen der
besten Weine der AOC in diesem Jahr (ist Palmer das nicht seit 25 Jahren in jedem Jahr?) und vergibt
immerhin 87 Punkte. Wir kamen so langsam zu dem Schluss, dass gegen diesen schraegen Parker endlich
mal geputscht werden muesste, denn fuer uns waren es gerade einmal 84 ("mit Husten" wie der Herr
Bajano das so gerne formuliert).
6. Wein:
Das war wieder Wein! Mit dem "Bordeauxstinkerl" (Herr Koal) in der Nase, Dueften von
Holunderlikoer und reifen roten Fruechten, leicht verwelkenden Veillchen, Lakritz und zerriebendem
Tabak - ein Poet fand die Nase gar "mindestens vierdimensional". "Der macht sich breit und lang im
Maul und taucht dann in seine eigene Tiefe, das ist ein unschaetzbarer Beitrag zu meinem ganz
persoenlichen Gluecksgefuehl heute abend", fuhr der Dichter fort, und keiner haette es treffender
sagen koennen. Ein anderer jammerte auf hohem Niveau und dekretierte, der Wein sei vom ersten Eindruck
her im Mund doch gar nicht so gut, sondern komme erst langsam aber gewaltig und werde immer besser.
Jedenfalls aber, da waren wir uns einig, ein Wein mit Finesse, Rasse und mit langem Abgang. Darin
steht eine praesente Saeure und noch recht junges Tannin, beides jedoch nicht stoerend und nicht
ungestuem, sondern sehr angenehm. Jetzt trinken bis etwa 2012! Selten einmuetig wurde hier getippt,
auf Chateau Margaux oder Palmer (!) und zwar aus 1982, 1986 oder 1990.
Richtig war: 1986er Palmer!
Ein Pfund von einem Wein, die positivste Ueberraschung der Probe, vor allem auch, weil der doch
glatt den viel hoeher gewetteten 89er von der Platte geputzt hat. Fuer mich keine Ueberraschung,
ich hatte schon mehrfach das Vergnuegen und habe den 86er immer fuer etwas zu gering bewertet
angesehen. Von uns gab es eine glatte 95 und damit bis zu diesem Zeitpunkt den klaren Platz 1!
Dass der Herr Parker wieder quengeln muss und schon 1997 irgendwie diffus schrieb, der Wein werde
einerseits mit Sicherheit nicht gross, obwohl er, Parker, andererseits doch große Hoffnungen in ihn setze,
wunderte uns zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Parkers 88+ mit "?" scheinen jedenfalls doch sehr sparsam.
7. Wein:
Nach dem Hammer haette es jeder schwer gehabt. Was aber ueber den armen Nachfolger hereinbrach
klang erst nach uebler Nachrede: "Bordeauxstinkerl, Aromaböckser, wenngleich unter Luft sofort wieder weg,
ein Wein im Landhausstil" und aehnliches mehr musste sich der tiefdunkelrote Saft anhoeren. Aber gerade
noch rechtzeitig, bevor er sich vor Wut zu Essig haette wandeln wollen, kamen ploetzlich auch positive
Kommentare: "der schmeckt ja richtig, ist ungeheuer kraeftig, mit starken Tanninen, zwar ganz leicht
rustikal, dabei aber sehr einladend, doch eher Laura Ashley als Landhaus. Der Wein mit den dichtesten,
vielleicht wertvollsten Tanninen der bisherigen Probe, schmeicheld, vollsaftig mit einer gehoerigen
Portion weichen Tannins, vielleicht noch etwas zu jung, wenn auch schon sehr rund bei guter Substanz
und eleganter, kraeftiger Statur." Nur einer wollte gar nichts sagen und erklaerte: "Mir ist der Wein
ein Raetsel!" Aehnlich ratlos wurde auch die Frage beantwortet, wo der Wein denn herkaeme - jedenfalls
nicht aus Pauillac oder St.-Estephe, vielleicht aus St.-Emilion? In jedem Fall aber aus den Jahrgängen
1988 bis 1990 oder vielleicht auch 1987 (eine Einzelmeinung, der die Mehrheit entgegenhielt, dazu sei
der Wein zu kraeftig).
Richtig war: 1983er Palmer! Ein Wein, der auch mir Raetsel aufgibt. Vor sechs, sieben Jahren war er
schon sehr zugaenglich, weich und rund, saftig und bester Margauxstil. Damals mein Lieblingswein,
dem ich einmal bei einer besonders guten Flasche sogar 99 bis 100 Punkte gab und von dem ich folgerichtig
viel eingekauft habe, als er noch bezahlbar war. Seit 1998 macht er mir allerdings das Leben schwer,
was auch bei der Bordeauxprobe der Koelner Seilschaft im Dezember 2001 zu merken war. Gabriel meint,
er habe sich wieder verschlossen und werde sich in einigen Jahren noch einmal herrlich oeffnen. Parker
hat 1997 geschrieben, der Wein sei bereits zugaenglich und werde es auch noch 20 bis 25 Jahre bleiben.
Letzteres ist definitiv nicht der Fall. Die Frage ist nur, ob es ein temporaeres Loch ist, oder ob der
Wein nie wieder so rund wird, wie er bereits einmal war. Ich neige zu letzterer Ansicht, weil den
rauhen, unfertig wirkenden Komponenten eine eher schwindende Frucht und nachlassender Charme gegenueber
stehen. Keine Frage, noch imemr ein feiner Tropfen, aber wahrscheinlich hat man ihn besser schon
getrunken. Die 97 Punkte vom grossen Bobby sind heute jedenfalls auf keinen Fall nachvollziehbar,
wir kamen auf durchschnittlich auf 89,25 Punkte mit Ausreissern auf 85 und 94.
8. Wein:
Schon wieder ein Knaller! In der Nase undefinierbare suesse Fruechte, Zedernholz, etwas
Bleistift (!), eine zarte Idee von Unterholz, ein Touch von schwarzen Trueffeln, dazu ein ganz
zartes Erdbeer-Brombeer-Aroma, Steinfruechte, einer der vielschichtigsten Weine, der seine Nuancen
dabei immer nur ein wenig zeigt und sich dann gleich wieder zurueck zieht. Ab dem ersten Lippenkontakt
hoechst verlockend, nicht fett aber sehr kraeftig, dazu weich, charmant, saftig und rund, ein richtiger
Schmeichler. "Im positiven Sinne muerbe", meint einer, "mit weichen Tanninen, sehr lebendiger Saeure,
toller Laenge und einem Hauch Lebkuchengewuerz im Abgang". Hoppla, da kommt ja doch etwas Negatives:
"Ich habe große Probleme mit dem Wein" erklingt es von Oliver Wirtz. "Grosse Probleme ihn auszuspucken!
Und deswegen mache ich das jetzt auch nicht." Und das vom eisernen Autofahrer und Spucker, was fuer
ein Kompliment! Karl hielt es eher mit Asterix: "Die Weine fliegen ueber den Markt" (Obelix GmbH und Co.).
Fast einhellig wurde hier auf 1982 getippt, wobei sich die Stimmen gleichberechtigt auf Margaux und
Pauillac verteilten. Karl tippte froehlich auf den 1982er Palmer.
Richtig war: 1982er Palmer! Und Palmares fuer den Koal, der als einziger einen Wein voellig richtig
erkannte, was bei einer so blinden Blindprobe, wo weder AOC noch Jahrgaenge bekannt sind, schon eine
wirklich herausragende Leistung ist. Und den 1986er hatte er ja auch schon fast richtig erkannt. Gut der
Mann! Von uns gab es 94,5 Punkte und nur ein muedes Laecheln fuer den Herrn Parker, der, da waren wir uns
mit dem zwischenzeitlich erreichten leicht alkoholischen Probenhochgefuehl schon sicher, doch besser
Rechtsanwalt geblieben waere. Gerade einmal 88 Puenktchen hat er diesem Traumtropfen zugebillgt!
Was ein Glueck, da kann ich von dem Zeug vielleicht im Laufe des Jahres noch das eine oder andere
Flaeschchen ersteigern!
9. Wein:
Da hat der Nachfolger es natuerlich wieder schwer, auch wenn er von Parker hoeher gewettet wird.
In der Nase fanden wir "Pilze und Gummi", getrocknete Shi-take, Roestnoten, "einen ganz leicht milchigen
Anhauch, der darauf hindeutet, dass die malolaktische Gaerung bei hohem PH-Wert abgelaufen ist", trockene
Kraeuter, eine "gerade eingerauchte Pfeife", Trueffel sowie "hinten heraus" deutliche schwarze Fruechte.
Im Mund dann vollreife Pflaumen, Tabak und Trueffel, insgesamt zwar etwas einfacher als der Vorgaenger
und nicht so komplex aber mit ungeheuer schoener, praegnanter, gut eingebundener Saeure ausgestattet und
sehr harmonisch. Komplex und zugleich kompakt, vielleicht noch etwas zu jung? Getippt wurde hier von
allen recht vorsichtig auf 1986 bis 1990, auf einen Jahrgang wollte sich keiner festlegen. Klar war
aber - das ist ein St.-Estephe, ein St.-Julien oder ein Graves.
Richtig war: 1982er Pichon-Comtesse! Wieder eine Ueberraschung! Dass der beim Kavaliersstart nicht
einmal das Auspuffende vom wesentlich niedriger gewetteten Palmer aus gleichem Jahrgang zu sehen bekommt!
Und was hat eigentlich der Parker schon wieder probiert als er feststellte, der Wein sei der Star aller
82er Blindverkostungen, jetzt voll trinkreif und allemal 99 Punkte wert? Von uns gab es 89,5 Punkte und
ein weiteres Kapitel hier nicht wiederzugebenden Parker-Bashings.
10. Wein:
Der Sieger der Verkostung! In der Nase etwas Tee, Kaffee, ganz ueberreife Rumfruechte,
verbluehender Flieder, was die Seilschaft in gewohntem Bierernst mit "ist fuer Nekrophile, riecht
aber gut" auf den Punkt brachte. Im Mund elegant und subtil, feine Bitterstoffe, hinten heraus kommt
eine deutliche aber schoene Alterssaeuere, die dem Wein ein stabiles Rueckgrat gibt und keineswegs
stoert. Dazu saftiges Pflaumenkompott, praesente junge Tannine und gute Saeure, viel Brombeersaft,
sehr fruchtig und wuchtig. Karl tippte auf einen 78er aus Margaux, die meisten anderen ebenfalls
auf Margaux, nur einer auf St.-Julien. Beim Jahrgang gingen die meisten auf 1982 oder 1979.
Richtig war: 78er Palmer! Und wieder lag Karl ganz dicht dran! Ein toller Wein, den ich vor acht Jahren
zum ersten Mal probiert habe. Schon damals hatte er seine volle Trinkreife erreicht, die er bis heute
sensationell gut gehalten hat. Parker schreibt, er sei bis 2006 zu trinken, und da hat der alte
Amerikaner endlich einmal unsere Zustimmung. Nur bei den Punkten - tztztz, Robert, Robert, sind das
wirklich nur 90? Wir lagen hier bei durchschnittlich 95,5, und wenn nicht einer auf 91 gegangen waere,
weil er den Wein doch schon zu alt fand, waeren es glatte 96 gewesen. Einer gab sogar die 98. In
jedem Fall fuer die meisten der beste Wein des Abends.
11. Wein:
Wieder hatte es der Nachfolger schwer und gab es erst einmal Kritik: "Farbe von Ziegelstaub,
zerbroeckelten Ziegeln, fats morbid, hat sich wohl schon ueberlebt, auch wenn man noch gut mit ihm
lebt... auch die Nase ist nicht so toll, rauchig, etwas duenn und verhalten." Im Mund aber, da gefiel
er ploetzlich wieder: Eingelegte Fruechte, respektable Saeure, erst hervortretend, dann abgepuffert,
gute, noch praesente Tannine, die im Abgang sogar schon etwas austrocknend wirken. Einer meint,
das sei sogar ein wenig marmeladig, "als ob der Marmeladentopf zwei Meter weit weg stuende und man
ihn so ganz leicht aber doch permanent riecht." Getippt wurde von allen, die ueberhaupt bereit waren,
sich auf eine AOC festzulegen, auf einen St.-Julien, und zwar auf einen 1975er bis 1978er, Karl meinte,
bei der AOC sei er sich nicht sicher, es sei jedenfalls wahrscheinlich ein 1970er oder ein 1975er.
Richtig war: 1970er Palmer! Der ja laut Parker 2000 bis 2015 zu trinken sein soll. Wer bis 2015 warten
will, sollte das Zeug aber wohl einfrieren, vielleicht altert es dann langsamer ;-) Fuer uns schon
leicht drueber und daher auch nicht mehr bei den 95 Bobby-Punkten, wenn der Wein denn je dort war.
Fuer uns waren es im Schnitt 87,5 Punkte.
12. Wein:
"Der ist leider zu jung" hiess es von einem Experten, dem dies die Nase verriet. Die anderen
konzedierten zwar teilweise, dass die Nase noch etwas verhalten sei, fanden aber doch ueppige rote
Fruechte bei guter Reife bzw. beginnender Trinkreife. Ein wenig parfuemiert wirke der Wein, auf jeden
Fall bringe er im Duft viel Lakritz, ueppige exotische Fruechte und Darjeling-Tee mit. Im Mund Pilze,
Waldboden, viel Frucht bei sehr glatt eingebundener Saeure. Einige attestierten dem Wein einen sehr
langen, komplexen Abgang mit sehr schoenen Gewuerzaromen, vor allem von Zimt und Nelken, andere fanden
die Wuerze eher zurueckhaltend. Im Mund komme immer mehr Frucht, fanden die einen. Nein, er taucht nach
einiger Zeit eher ab, meinten die anderen. Alle waren sich einig, es ist ein sehr guter Tropfen, ganz
sicher aus Pauillac, wahrscheinlich aus 1982, vielleicht aber auch sogar ein 1970er aus besonders gutem
Haus (Einzelmeinung) oder zumindest aus der Mitte der Siebziger (Einzelmeinung). Das war der
Verkostungsgemeinde im Schnitt 93,5 Punkte wert, wobei da eine einsame Wertung von 100 Punkten den
Schnitt deutlich anhob, sonst waeren wir wohl um die 92,5 gelandet.
Richtig war: Es handelte sich um eine Palmercuvée zu gleichen Teilen aus den Jahren 1970, 1978, 1982,
1983, 1986, 1988, 1989, 1991, 1994, 1995 - im Schnitt war es also ein guter 1985er. Parker vergibt
903 Punkte, oder im Schnitt 90,3, was natuerlich wiederum zu wenig ist ;-) Ich gebe zu, eine eher
gemeine Falle am Ende, aber ich haette gar nicht gedacht, dass bei dieser Panscherei so ein guter
Tropfen heraus kommt....
Natuerlich waeren die Koelner nicht die Koelner, wenn sie es dabei haetten bewenden lassen.
Da gab es
noch einen 1994er Beychevelle, eine TBA von Mueller Catoir, einen Sauternes, eine BA aus dem Elsass
und vor allem - endlich - etwas zu essen.
Der Herr Bajano bewies mit getrueffeltem Selleriepurree,
dass er auch mit den groessten Sternekoechen mithalten kann, die Reblaeusin brachte eine Karamelcreme
auf den Tisch, die Johann Lafer vor Neid in den Suizid getrieben haette (so, ja, geh her, des duun
wir in an diiiefen Deller und dann derfsdes auch brobiern, is des was? des is ja, des.. des kann doch
net, da nehma jezz an scharfes Messer und machma Haragiri), und, und, und.
Aber angesichts solcher
Genuesse endet die Chronistenpflicht irgendwann einmal...
Liebe Gruesse und alles Gute fuer 2003 Dominik, der sich als Reblaus fuer das neue Jahr zwei Dinge
vorgenommen hat, die er sich jedes Jahr vornimmt, und das bisher stets erfolgreich: wieder nicht
SPD zu waehlen und wieder noch besseren Wein als im Vorjahr zu trinken und der einen weiteren
neuen guten Vorsatz gefasst hat: dass beim gT viel mehr Palmer getrunken werden sollte, zur Not
auch wieder auf einem Auge bloed...