Spanien-Spezial von Wolfgang

Liebes Forum,

da hat mich der Rösrather doch zu Spanien-Weinen eingeladen. Nun liegt Rösrath von Kölle aus betrachtet 19 Minuten Richtung Sauerland und nach meinen einschlägigen Erfahrungen beim letzten Urlaub auf Mallorca (Spanien) fuhr ich voller Vorfreude auf einen Eimer voll Sangria gen Osten. Als ganz besonderen Clou hatte ich mir einen Strohhalm eingesteckt. Schließlich sollte es ja ein richtiger spanischer Abend werden, so wie im Ballermann immer freitags.

Na ja, war natürlich nichts mit dem Eimer und dem Sangria. Dafür waren wir dann zu neunt, hatten edle Riedel -, Schott-Zwiesel- und Spiegelau - Gläser vor uns (wahrscheinlich alle, die in Rösrath aufzutreiben waren) und es gab wundervolle Tapas, deren Herkunft meist von Angelika zu erfahren war. Selbst die anfangs mit etwas mulmigem Gefühl betrachteten Albondigas erwiesen sich situationsgerecht als Hackfleischbällchen vom Lamm mit köstlicher Schafskäsefüllung und als ich das letzte Mal so leckere gebratene Sardinchen gegessen habe, war ich auch noch einiges jünger. Sonst gab es:

1. einen trockenen Sherry Amontillado Seco von Hidalgo: schöne Nase, nussig, trocken, nicht allzu lang, aber ein schöner Einstieg.

Georg promotet Weine aus der Mancha und Albarino aus Rias Baixas und er machte das an diesem Abend auf die eindeutig wirkungsvollste und netteste Art: er stellte als Gast 2 Flaschen aus seinem Keller auf den Tisch.
Untypische Albarinos, weil lagerungsfähig und nicht gleich jung wegzutrinken. Für Rieslingsfreunde waren es zwei eigenständige, bemerkenswerte Weiße, allerdings auch preislich im oberen Bereich angesiedelt (ca. 35,- und 55,- DM):

2. 1995er Granbazan Albarino der Bodega Agro de Bazan: gelbgold, erst verhaltenenes Bukett, dann duftig in der Nase nach Birnen und Lychees. Lychee im Geschmack, viel Schmelz, langer Nachhall, schön gereift und ohne oxidative Note. 15 Punkte von allen.

3. 1995 Seleccion de Anada Albarino der Bodega Pazo de Senorans. Der Wein aus einer einzigen Lage wurde nur in einer Auflage von 2750 Flaschen hergestellt und schimmerte tiefgold im Glas. In der Nase erschien anfangs Gummi bevor der Wein sich fruchtig öffnete. Er war auch im Geschmack fruchtig, aber sehr schwer zu definieren: eingemachte Birnen und ein bißchen Karamell passen vielleicht am besten. Ein dichter, langer und beeindruckender Wein. 16 Punkte.

Dann brachte Wolfgang seine Roten, ab Wein 7 dekantiert. (Weil es seit Weihnachten - als Angelika Wolfgang noch eine Karaffe schenkte - genügend Dekanter in Rösrath gibt, hat der Ort am 1. Januar zu Recht die Stadtrechte erhalten) Wir probierten verdeckt und als ersten einen Nicht-Spanier.

4. Es war ein reiner Tempranillo. Helle kirschrote Farbe, unangenehme Nase nach Gummi, viel Säure, merkwürdige Mischung aus roten Beeren und Heu im Mund. Hat da ein deutscher Winzer versucht Tempranillo anzupflanzen ? Nein - es war ein San Cristobal Reserva Tinto der Vinas Fantinel aus Pino del Rio / Cuba. Ein einfachster Wein (wobei es in gewissen Supermärkten durchaus noch schlechtere Exemplare gibt) und mir kamen Gedanken wie: ein wenig Orangensaft, einige Früchte, in einen großen Eimer am Strand von Cuba, holst du dann deinen Strohhalm raus...

Dann ging es pärchenweise weiter. Zuerst mit einem "modernen" und einem traditionellen Rioja:

5. 1994er Don Teofilo I Reserva der Bodegas Vinegras (Rioja Alavesa): schöne granatrote Farbe. Eine Nase nach Seetang und Muscheln, wie ich sie noch nie bei einem Wein gerochen habe. Pikant, aber sehr angenehm. Der Wein macht durch lebendige Tannine einen jungen Eindruck, ist recht dicht, sicher ein guter Essensbegleiter. Wolfgang denkt, die Flasche hat einen Fehler, weil diese Nase bei allen anderen Flaschen seiner Kiste so nicht auftrat. Aber wenn es ein Fehler war, dann ausnahmsweise mal ein schöner. Wir geben 14,0 - 14,5 Punkte.

6. 1990er Ygay Reserva Marques de Murietta (Rioja Alta): hellere Farbe als 5, viel Honig in der Nase. Im Geschmack ist der traditionelle, gereifte Rioja auch in der Blindprobe sofort erkennbar. Viel Säure, eher schlanke Frucht. Wir geben 14,5 - 15,0 Punkte

Weiter gehts mit 2 Cabernets Sauvignon, sozusagen als Gegenstück zum traditionellen Rioja. In der Blindprobe erkennen wir sofort, daß dies "internationale" Weine und französische Rebsorten sind, aber auf Cabernet sind wir nicht gekommen :

7. 1995er Flor de Maig von Cellar de Capcanes (Tarragona): funkelndes Rubinrot, schönes Waldbeerenbukett. Sehr langer Nachhall, sehr geradeaus. Ein einfach gestrickter, internationaler, aber auch einfach schöner Wein mit einem Super Preis-Genußverhältnis (er kostet 13,95 DM). Na ja, Fritz und Fabian mögen Cellar de Capcanes nicht, aber alle anderen geben dem Wein 13,5 - 14,0 Punkte

8. 1990er Dominio de Valdepusa von Marques de Grinon (Toledo): sehr dunkle, fast schwärzliche Farbe, schwarze Brombeeren und etwas Erde in der Nase Der Wein ist sehr weich, hat dabei aber noch deutlich Tannine. Er ist reif, aber in keinster Weise müde. Vollmundig und auch komplex. Dabei einfach lecker. Wir geben 16,0 - 17,0 Punkte.

Zwei 1995er Cuvees aus Tempranillo, Cabernet und Merlot folgen:

9. 1995er Crianza von Finca Villacreces (Ribera del Duero): purpurrot, Gummi und Ersteinschaltelektrizität (meint unser Gebietshein und dem darf man nicht widersprechen) in der Nase. Viel Säure, knochig (meine ich). Gut, aber etwas unharmonisch meinen die Frauen, "Charakter mit Ecken und Kanten" tönen Fritz und der Elektrikersteinschalter. In der Wertung liegen wir aber gar nicht viel auseinander: 15,0 - 16,0 Punkte.

10. 1995er Hacienda Monasterio (Ribera del Duero): schwärzlich, rote und schwarzen Beeren in der Nase, schwarze Beeren im Geschmack. Sehr lang, weich und rund. Lecker und süffig meinen die Frauen und ich, während der Einschalterstelektriker meint, dieser Wein würde ihn zu sehr sättigen (das waren die fantastischen Tapas, mein Freund - von dem Wein trink ich 2 Flaschen). Die Wertung aber ebenso wie oben, nur andersherum: 15,0 - 16,0 Punkte.

Bein nächsten Pärchen passierte die Geschichte mit den vertauschten Karaffen, was aber den Genuß verlängerte: so kamen ein guter und ein großer Wein erst aus der Ribera, dann von der Mittelmeerküste zusammen:

11. 1989er Val Sotillo Tempranillo Gran Reserva von Ismail Arroyo: schwärzlich, bukettreiche und sehr attraktive Nase nach einem Korb schwarzer Beeren. Sehr jung im Geschmack (was wir anfangs als Bestätigung unserer Weinkenntnisse werteten, da er uns als 1998er vorgestellt wurde - so im Nachhinein: erstaunlich jung für einen 12 jährigen). Lebendige Tannine, rote Früchte, süffig. Wir gaben 15,5 bis 16,5 Punkte

12. 1996er Cims de Porreira (Garnacha, Cabernet, Carinena): schwarz, gewöhnungsbedürftige Nase nach Eukalyptus, die immer attraktiver wird Sehr langer Nachhall. Kaffee und schwarze Johannisbeere im Geschmack. Der Wein hat Klasse. Wir geben 17,0 bis 18,0 Punkte.

Und zum Schluß die zwei vom Mittelmeer:

13. 1998er Flor de Primavera von Cellar de Capcanes (Falsat in Tarragona): der koschere Wein ist schwärzlich, hat eine kräftige Nase nach Kaffee und Bitterschokolade. Letztere findet sich auch im Geschmack. Sehr langer Nachhall. Ein fester Wein. Der Rabbiner verstand etwas von Weinmachen, meinen wir, aber natürlich nicht Fritz und Fabian (die mögen keine Cellar de Capcanes und schmecken das raus). Wir geben 15,5 bis 16,5 Punkte

14. 1997er Clos Erasmus von Daphne Gloria (Priorat): schwärzlich, verhaltene Nase nach schwarzen Beeren. Die finden sich auch im Geschmack. Der Wein ist sehr lang und hat noch viel, viel Potential. Ein sehr balancierter Wein, dessen 14,5% Alkohol ihn nur dicht und nicht wuchtig machen. Keine "Australienbombe". Klasse. Wir geben 17,0 bis 18,5 Punkte, womit er vielleicht sogar über dem Cims der Star des Abends ist.

Was mir auffiel war, daß die meisten Weine nicht nur sehr gut oder - in zwei Fällen - sogar groß waren, sondern dabei noch ausgesprochen lecker. Keiner der Weine war mir zu wuchtig, die meisten waren wunderbar ausgewogen. Sie trugen ebenso wie die netten Leute, die dort im Kreis zusammensaßen, dazu bei, daß es ein sehr vergnüglicher Abend wurde.

Ach ja, also Cims aus dem Eimer wäre natürlich barbarisch - aber einen Eimer voller Cims tät ich schon gerne besitzen.

Gruß
Wolfgang